LOKALMIX

"Genossenschaften sind 'in' "

bv; 14.07.2020, 16:00 Uhr
Fotos: Leif Schmittgen.
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"Genossenschaften sind 'in' "

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bv; 14.07.2020, 16:00 Uhr
Oberberg - Volksbank Oberberg-Vorstandsvorsitzender Ingo Stockhausen im 150. Jubiläumsjahr zu Zukunftsaussichten, Geschäftsstellen-Netz und den wachsenden Erwartungen der Kunden an ein modernes Kreditinstitut.

Von Bernd Vorländer


OA: 150 Jahre Volksbank Oberberg - ist das Bürde, ist das Last auf den Schultern, ist das Ermutigung, Tradition oder auch Verantwortung?

Stockhausen: Sie haben es zutreffend skizziert, da ist von allem etwas dabei. Natürlich haben wir große Verantwortung, das, was die Vorfahren geschaffen haben, in eine positive Zukunft zu führen. Aber auch Freude, dass es eine regionale Bank geschafft hat, in nicht immer einfachen Zeiten nicht unterzugehen. Eines ist aber immer gleich geblieben – der genossenschaftliche Grundgedanke, die Verknüpfung von Vereinsstrukturen mit einer Kapitalgesellschaft.

 

OA: Was ist eigentlich eine Genossenschaftsbank, passt so etwas eigentlich heute noch in die Zeit? Oder ist diese Form von Bank gerade heute sinnvoll?

Stockhausen: Selbstverwaltung und Selbstverantwortung sind zwei wichtige Begriffe des Genossenschaftswesens und so aktuell wie eh und je. Genossenschaften sind ‚in‘. Die Vereinsstruktur, in der Kapital ein wichtiges, aber nicht das bestimmende Element ist, wirkt auf viele Menschen anziehend, die gerade gegenüber der Bankenwelt Vorbehalte haben.

 

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OA: Hat sich der Genossenschaftsbegriff im Laufe der Zeit verändert?

Stockhausen: Es hat schon gewisse Veränderungen gegeben. Früher musste man Mitglied einer Genossenschaftsbank sein, um Finanzierungen beanspruchen zu können. Das ist heute nicht mehr der Fall. Wir haben es hinbekommen, mit einer Rechtsform, die ihresgleichen sucht, sämtliche Markterfordernisse bedienen zu können. Wir sind so selbstbewusst, dass wir glauben, auch in diesen unruhigen Zeiten vor der Welle zu sein.

 

OA: Sie sprechen davon, dass die Volksbank Oberberg Werte leben will. Welche sind denn für sie essentiell?

Stockhausen: Ich denke, wir sind integrativer Bestandteil der Gesellschaft einer Region. Ich verstehe es so, dass wir als Finanzdienstleister mit den Menschen, die uns vertrauen, eine Schicksalsgemeinschaft bilden. Das bedeutet eine große Verantwortung, weil wir uns über lange Zeiträume an unserem eigenen Anspruch messen lassen müssen. Volksbank muss immer authentisch sein, immer das auch tun, was man sagt – und verlässlich sein. Wir sind nicht so spektakulär wie andere, aber das ist durchaus gewollt.

 

OA: Welche Rolle spielen ihre Mitarbeiter bei ihrem Wertekompass?

Stockhausen: Sie sind das Herzstück. Ohne eine ambitionierte und motivierte Mannschaft kommen sie auf keinen grünen Zweig.

 

OA: Zukunft wagen, das ist das Motto der Volksbank Oberberg. Ist das gerade nicht besonders schwierig? Menschen sind durch Corona verunsichert, Existenzen bedroht. Versucht man da nicht zuallererst, die Gegenwart zu bewältigen?

Stockhausen: Die Sorgen und Nöte der Menschen sind derzeit groß, die Ungewissheit auch, das ist wohl wahr. Wir alle fahren ja derzeit auf Sicht. Umso wichtiger ist es aber, auch an morgen und übermorgen zu denken. Wir haben uns in den vergangenen Monaten so intensiv wie irgend möglich darum bemüht, den Kontakt zu unseren Kunden zu halten, sie zu beraten und Lösungen zu finden.

 

OA: Was Menschen bewegt, was ihnen wichtig ist, das verändert sich immer wieder. Derzeit etwa schauen Menschen verstärkt auf unsere Lebensgrundlagen, wollen Klima schützen und Umwelt erhalten. Wie muss sich eigentlich in diesem Zusammenhang ein Geldinstitut positionieren, muss es sich verändern und wie sieht dies praktisch aus?

Stockhausen: Die Nachhaltigkeitsdiskussion, die Sie ansprechen, umfasst die soziale, ökologische und ökonomische Seite. Da sind wir auch als regionale Bank gefordert und müssen Antworten geben. Aber ich bin überzeugt davon: Wenn eine Bankengruppe den Wert der Nachhaltigkeit authentisch besetzen kann, dann sind wir das, denn Nachhaltigkeit beeinflusst schon seit 150 Jahren unser Handeln. Soziale und ökologische Verantwortung gehört zu unseren Genen vor Ort.

 

OA: Es gibt einen zunehmenden Trend zur Regionalisierung als ein Gegengewicht zur Globalisierung. Man schließt wohlmöglich internationale Geschäfte in Corona-Zeiten digital ab, aber man kauft zunehmend regional ein, achtet auf Herkunft und Transportwege etc. Hat dies alles auch etwas mit einer regional operierenden Volksbank zu tun?

Stockhausen: Der zunehmende Wunsch vieler Menschen, regionale Produkte und Dienstleistungen noch stärker als bisher wertzuschätzen, spielt uns sicherlich in die Karten. Als moderner Finanzdienstleister dürfen wir aber nicht nur das Thema Finanzgeschäfte, sondern müssen die Prosperität einer ganzen Region im Blick behalten - und natürlich die sich verändernden Ansprüche der Menschen.  

 

OA: Digital ist unser Zeitalter, Millionen Arbeitsplätze hängen davon ab. Vieles wird digital erledigt, auch die Geldgeschäfte. Wie kann es gelingen, dass sie den von Ihnen immer wieder betonten persönlichen Kontakt erreichen, wo doch die digitale Bank quasi vom eigenen Sofa aus zu steuern ist?

Stockhausen: Geschäftsprozesse digital zu optimieren ist sicherlich ebenso wichtig wie die digitale Kommunikation. Hinzu kommt der digitale Vertrieb, die Information über Produkte. Aber das alles ersetzt nicht den persönlichen Kontakt. Eine Studie aus dem Jahr 2017 hat uns gezeigt, dass auch junge Kunden die individuelle Beratung wie auch ein Geschäftsstellennetz vor Ort wertschätzen. Digitalisierung ist eine tolle Hilfe, sie verkürzt Arbeitsschritte auch für unsere Kunden, aber sie allein ist für uns keinesfalls ausreichend. Man muss digitale und analoge Welt bestmöglich verzahnen, darum geht es.

 

OA: Das bedeutet angesichts der von ihnen angesprochenen Dezentralisierung, dass sie nicht an eine Verkleinerung ihrer Geschäftsstellen denken?

Stockhausen: Wir haben keine Konzepte für Standortschließungen, wollen alle Geschäftsstellen langfristig halten. Wir betrachten es auch als ein Alleinstellungsmerkmal, dass wir mit Menschen und Kompetenz in der Fläche bleiben.

 

 

OA: Wo steht die Volksbank Oberberg heute und wohin soll sie Ihrer Meinung nach entwickeln?

Stockhausen: Wir haben einen hohen Marktanteil in der Region, sehen aber immer noch Wachstumspotential. Wir wollen unsere Marktdurchdringung noch ausbauen, das ist das Ziel.

 

OA: Aber 2019 haben sie einen Schlussstrich unter eine geplante Fusion gezogen, wollten sich zuvor anders und neu aufstellen. Ist die Volksbank Oberberg heute zukunftsfest?

Stockhausen: Davon bin ich felsenfest überzeugt. Wir haben ein betreutes Kundenvolumen von 6,5 Milliarden Euro, der Durchschnitt liegt bei zwei Milliarden. Die Volksbank Oberberg hat eine sehr gute Zukunft vor sich.

 

OA: Die Zeit der Niedrigzinsen ist gut für alle, die investieren möchten – und schlecht für die, die Geld anlegen wollen. Zunächst einmal, was sagen sie letzteren, was ist derzeit sinnvoll, wenn man etwas Geld auf der hohen Kante hat?

Stockhausen: Das kann man nur individuell beantworten. Jeder Lebensentwurf ist anders, Ziele und Wünsche unterscheiden sich, Zeitrahmen ebenso. Insofern ist die Kommunikation mit einem Berater über die beste Anlagestrategie unerlässlich.

 

OA: Hausbau und Immobilienkauf stehen derzeit obenan auf der Wunschliste vieler Menschen. Die Zinsen sind extrem günstig. Haben sie eigentlich Sorge, dass die Zinsen irgendwann deutlich steigen könnten und dann die Blase platzt?

Stockhausen: Die Gefahr der Zinssteigerung in den kommenden Jahren ist für alle diejenigen, die heute investieren wollen, sehr übersichtlich. Verantwortlich und vorausschauend ist es aber, bei jeder Investition auch ein Szenario einzuplanen, das eine Zinserhöhung oder andere Unwägbarkeiten beinhaltet.

 

OA: Sie betonen ja auch immer die regionale Verantwortung ihres Instituts. Wie wichtig ist Ihnen das gesellschaftliche Engagement der Volksbank Oberberg in Sport, Kultur, Wissenschaft?

Stockhausen: Man kann nicht nur über regionale Verankerung reden, man muss sie auch leben. Immateriell dadurch, dass viele Mitarbeiter auch ehrenamtlich tätig sind. Materiell so, dass wir seit Jahrzehnten Projekte und Initiative unterstützen. Vielleicht nicht so plakativ wie andere, aber das ist von uns auch nicht gewollt. Unser Ziel ist die Hilfe dort, wo Menschen etwas Sinnvolles tun können, dies alleine aber nicht schaffen. Hiervon, wie auch von den zahlreichen KURS-Partnerschaften, die wir begleiten und gestalten, profitiert am Ende die ganze Region.

 

OA: 150 Jahre Volksbank Oberberg sollte in diesem Jahr sicherlich gebührend gefeiert werden. Corona hat – wie auch bei vielen anderen – Ihnen sicherlich einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Stockhausen: Das ist leider so, vieles war geplant, etwa auch, dass wir eine Stiftung auf den Weg bringen wollten. Das ist aber nur aufgeschoben. Wir würden jetzt gerne in unserem Jubiläumsjahr zwei Konzerte im September in der Eckenhagener Kirche durchführen. Über alles andere denken wir dann erst im nächsten Jahr nach.

 

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