LOKALMIX

Äsche feiert ein Comeback

lw; 28.07.2023, 10:32 Uhr
Foto: Humpfle --- Ein Angler konnte schon mehrere Äschen mit einer Größe bis zu 25 Zentimeter fangen, fotografieren und wieder freisetzen.
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Äsche feiert ein Comeback

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lw; 28.07.2023, 10:32 Uhr
Engelskirchen – Nach 15 Jahren entdecken Angler und Naturfreunde den Fisch zum ersten Mal wieder im Bereich der Agger beim Stau Ohl-Grünscheid – Seit 2019 ist dieser niedergelegt – Lebensräume renaturiert.

Von Lars Weber

 

Es ist eine frohe Botschaft für Naturfreunde: Erstmals seit 15 Jahren sind in dem Bereich am Stauwehr Ohl-Grünscheid wieder Äschen entdeckt worden. Friedrich Meyer,  Wassernetz NRW Flussgebietskoordinator an der Agger, und die Fischkundlerin Dr. Cora Berger konnten Mitte des Monats mit Unterwasservideoaufnahmen die Beobachtungen eines Anglers nachweisen, der schon mehrere Äschen bis zu einer Größe von 25 Zentimeter gefangen, fotografiert und wieder freigesetzt hatte. Da das Habitat der geschützten Art besonders schützenswert ist, glauben Meyer und seine Mitstreiter ein weiteres Argument auf ihrer Seite zu haben, um für eine frei fließende Agger zu streiten und dafür, dass die Wasserkraft in Ohl-Grünscheid nicht wieder angefahren wird.

 

Die Hoffnung, dass sich die Äsche wieder im Gebiet der niedergelegten Stauanlage ansiedelt, hatten Meyer, BUND, NABU aber auch die Angelsportfreunde Engelskirchen und Dr. Olaf Niepagenkemper vom Fischereiverband NRW schon länger. „Noch konnten wir das nicht verifizieren“, sagt Meyer bei einem Termin vor Ort. „Jetzt ist es uns gelungen.“

 

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Die Agger in Engelskirchen gehört zu der sogenannten Äschenregion. Der Fisch braucht Wandermöglichkeiten und einen vielfältig strukturierten Fluss, sonst ist sie leichte Beute des Kormorans. Zuletzt kam die Äsche aber nur noch in einem Restbestand in der Oberen Agger ab dem Wehr Ehrenshoven I auf der Strecke um das Engelskirchener Rathaus vor. Durch die Niederlegung des Wehrs 2019 hat sich dort nun der geeignete Lebensraum für die Äsche wieder vergrößert – und der Fisch hat die Einladung angenommen. Nun reiche der Lebensraum vom Wehr Haus Ley in Ründeroth bis zum Stau Ehreshoven I in Loope.

 

[Freuen sich über die Rückkehr der Äsche (v.li.): Friedrich Meyer, Dr. Cora Berger, Steffen Kaltenbach, Rolf Egbert und Dr. Olaf Niepagenkemper.]

 

Dass die Äschen immer weniger wurden, hatten auch die Angelsportfreunde früh erkannt, sagt Markus Klein. Deshalb seien sie seit Jahren geschont worden, um einen Grundbestand zu erhalten, der zudem kontrolliert wurde. „Der Fund ist spannend“, sagt Klein.

 

Dr. Niepagenkemper erklärt, dass die Rückkehr des Fisches eine direkte Folge der natürlichen Renaturierung ist, die an dieser Stelle „kostenlos“ (Meyer) nach der Niederlegung stattgefunden habe. „Das Wasser fließt, es ist wieder kälter geworden und hat mehr Sauerstoff.“ Das brauchen die Äschen. Durch Kiesumlagerungen seien Lückensysteme entstanden, die die Fische zur Fortpflanzung benötigen, ergänzt Rolf Egbert von den Angelsportfreunden. Die Beteiligten hoffen nun, dass auch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) den Fischbestand an dieser Stelle wieder überprüft.

 

[Dr. Olaf Niepagenkemper ging vor Ort mit wasserfester Kamera selbst auf die Suche, hatte an diesem Tag in der trüben Agger aber keinen Erfolg.]

 

Der Haken am Fund: Die bayerische Auer Holding, der sechs Wasserkraftwerke an der Agger gehören, hat das Stauwehr im vergangenen Jahr sanieren lassen – und sie besitzt ein altes unbefristetes Wasserrecht zum Anstau der Agger, das noch aus preußischen Zeiten stammt. Dass das Wehr noch inaktiv ist, hängt auch mit der Berechnung des Niederschlag-Abfluss-Modells zusammen, das der Aggerverband erstellt, aber noch Zeit benötigt (siehe Kasten). Mit dieser Modellberechnung sollen laut Meyer sämtliche Wasserströme im Aggereinzugsgebiet prognostiziert werden und zu sehen, was im Falle von Starkregenereignissen passiert. Solange dieses Modell fehlt, darf der Betreiber nicht wieder anstauen.

 

Meyer, Dr. Niepagenkemper und die anderen Mitstreiter hoffen indes, dass es Möglichkeiten gibt, das Anstauen und die Zerstörung der renaturierten Fläche zu verhindern. Dabei setzen sie besonders auf die Politik. Denn die Stauanlage Ohl-Grünscheid ist bereits aufgrund der Weichholzaue unterhalb der Siedlung Steeg Naturschutzgebiet. Das Auengebiet ist im Laufe der vergangenen vier Jahre noch größer geworden, sagt Meyer. Er fordert, dass Mittel aus dem Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ des Bundes eingesetzt werden, um der Auer Holding ein „faires Angebot“ zum Erwerb von dessen Staurecht gemacht wird. „Die Landesregierung ist nun gefragt“, sagt er. „Umweltminister Oliver Krischer muss den Lebensraum an der Agger retten.“

 

Das Niederschlag-Abfluss-Modell


Der Auftrag zur Erarbeitung des besagten Modells wurde Anfang/Mitte 2022 an eines der wenigen leistungsfähigen Ingenieurbüros in Deutschland erteilt, wie der Aggerverband auf Nachfrage mitteilt. Die vorauslaufende Vergabe sei dementsprechend aufwendig und langwierig gewesen. "Das beauftrage Büro hat zeitnah mit der Datenakquise begonnen, welche erst im März 2023 beendet werden konnte."

 

Der Aggerverband gibt einen Einblick, warum die Akquise längere Zeit in Anspruch genommen hat: Insgesamt wurden bei 15 Kommunen und deren Stadt- beziehungsweise Gemeindewerken (falls vorhanden) Daten abgefragt. In vielen Fällen sei der Verband an weitere Dienstleister der Kommunen verwiesen worden. Zudem wurden Daten zur Straßeninfrastruktur bei insgesamt sechs Behörden abgefragt.

 

Ein zentraler Kernpunkt in dem Projekt stelle die Digitalisierung, die Aufbereitung, die Vervollständigung und die Aktualisierung der übergebenen Daten dar. Der Aggerverband zeigt sich zuversichtlich, nun eine vernünftige Datenbasis für das weitere Vorgehen geschaffen zu haben. Anfang 2024 sollen die ersten Ergebnisse des Modells für die hausinterne Nutzung vorliegen.

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