LOKALMIX

„Es sind auch schon Menschen mit Mitte 30 betroffen“

lw; 07.11.2020, 08:00 Uhr
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„Es sind auch schon Menschen mit Mitte 30 betroffen“

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lw; 07.11.2020, 08:00 Uhr
Oberberg – Auslastung in Standorten des Klinikum Oberberg schon über dem Niveau des Frühjahrs – Behandlung aufwändig – Oberarzt Dr. Kendel im Interview.

Von Lars Weber

 

Die zweite Welle der Pandemie rollt. Am gestrigen Freitag wurden für den Oberbergischen Kreis mehr als 100 neue positiv getestete Fälle gemeldet. 60 Menschen werden stationär in oberbergischen Krankenhäusern behandelt, fünf davon müssen beatmet werden.  37 von den 60 Personen sind in Gummersbach oder Waldbröl, den Standorten des Klinikums Oberberg, untergebracht. Vier werden dort beatmet. Damit ist die Belegung und Auslastung über dem Niveau im Frühjahr. Zum Vergleich: Kurz nach dem Lockdown damals wurden maximal zehn Personen gleichzeitig behandelt. Beatmet wurden wegen Covid in der Zeit bis September insgesamt acht Patienten. Dies teilte Dr. Robert Hoffmann, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, im September mit.

 

Vor drei Tagen appellierte das Klinikum Oberberg bereits über die sozialen Medien, die Menschen sollen sich an die AHA-Regeln zu halten, weil immer mehr Erkrankte ins Krankenhaus müssen. Aber wie sind erste und zweite Welle miteinander zu vergleichen? Wird inzwischen anders behandelt? Und was ist noch zu erwarten im Winter? Diese Fragen beantwortete Dr. Albrecht Kendel, leitender Oberarzt Innere Medizin, der auch die Covid-Station betreut.

 

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OA: Herr Dr. Kendel, gibt es Unterschiede bei den Patienten heute und den Patienten im Frühjahr, beispielsweise bei Symptomen, Schwere der Symptome, Alter oder Vorerkrankungen?

Dr. Albrecht Kendel: Im Frühjahr sind vor allem ältere Menschen erkrankt. Wir hatten im Herbst mehr junge Patienten, das lag  vermutlich an den Reiserückkehrern aus den Herbstferien. Das ändert sich gerade. Es kommen mehr ältere Patienten, die sich in ihren Familien angesteckt haben.

 

OA: Wie hat sich die Behandlungsweise verändert?

Dr. Kendel: Es gibt keine Veränderung bei den leichteren bis mittleren Krankheitsverläufen. In diesen Fällen wird der Patient mit Sauerstoff versorgt. In Ausnahmen wird bei Superinfektionen auch Antibiotika eingesetzt. Bei den schwereren Fällen geben die Ärzte den Patienten Remdesivir. Allerdings kommt es bei diesem Medikament bereits zu Lieferengpässen. Remdesivir soll die Virusbildung unterdrücken. Ein anderes Medikament, Dexamethason, ein Cortisonpräparat, setzen die Mediziner ein, um Entzündungsprozesse zu hemmen.

 

Bei Patienten, die auf einer Intensivstation behandelt werden müssen, reicht es nicht mehr aus, den Sauerstoff über eine Nasenrille zu verabreichen, sondern dann ist eine invasive Beatmung notwendig und als ultima ratio gibt es die Ecmo-Behandlung (künstliche Lunge), die nur in spezialisierten Zentren möglich ist.

 

[Foto: Klinikum Oberberg --- Ärzte und ein Teil des Pflegeteams auf der Covid-Station in Gummersbach. Der leitende Oberarzt Dr. Albrecht Kindel (re.) erwartet, dass die Situation im Krankenhaus die nächsten Wochen noch kritischer wird.]

 

OA: In welchem Zustand kommen die Patienten zu Ihnen ins Krankenhaus, wann wird eine stationäre Behandlung zwingend notwendig?

Dr. Kendel: Anhaltend hohes Fieber, zunehmende Schwäche und Luftnot führen dazu, dass die Patienten nicht mehr zu Hause versorgt werden können, sondern die Behandlung im Krankenhaus benötigen. Wenn die Sauerstoffsättigung unter 93 Prozent sinkt, wird der Hausarzt die Überweisung ins Krankenhaus veranlassen. Leider sind nicht nur Patienten über 60 betroffen, sondern auch schon Menschen mit Mitte 30.

 

OA: Mit welchen Komplikationen hatten Sie es bislang zu tun, wann wird es kritisch?

Dr. Kendel: Wenn die Sauerstoffgabe über die Nasenrille nicht mehr möglich ist, sondern mit höherem Druck über ein Beatmungsgerät gegeben werden muss.

 

OA: Ab welcher Belegung wird es für das Krankenhaus-Personal schwierig, wie kommen die Mitarbeiter aktuell klar?

Dr. Kendel: Die Behandlung eines Covid-19-Falls ist extrem aufwändig. Durch die aufwändige Überwachung und Hygienemaßnahmen erfordert die Betreuung eines Patienten, der an Covid-19 erkrankt ist, so viel Aufwand wie wir sonst für zwei Patienten benötigen. Wir haben noch ausreichend Kapazitäten, um uns um jeden Patienten zu kümmern, aber um den Preis, dass wir die andere Versorgung reduzieren. Wir müssen unsere Struktur aktuell an den geänderten Versorgungsbedarf anpassen. Das bedeutet eine deutliche Reduzierung der geplanten Eingriffe in der Endoskopie und im OP – das bringt uns wirtschaftlich unter Druck.

 

Vier Stationen, zwei Standorte

 

Sowohl im Krankenhaus Gummersbach als auch im Krankenhaus Waldbröl gibt es jeweils zwei Covid-Stationen. Eine ist jeweils für Verdachtsfälle gedacht. Da die Patienten isoliert sein müssen, belegen sie ein eigenes Zimmer. In Gummersbach gibt es zwölf Plätze, in Waldbröl elf. Größer sind die Stationen für jene Patienten, die Covid19-positiv sind und behandelt werden müssen. In Gummersbach wie in Waldbröl gibt es jeweils 30 Betten dafür. An beiden Standorten sind jeweils 14 Intensivbetten zu finden. Diese seien momentan ausgelastet, vier der 28 Betten sind Covid19-Patienten. Die Anzahl ist noch erweiterbar.

 

OA: Ab wann gilt ein Patient als geheilt?

Dr. Kendel: Dann, wenn der Patient nicht mehr infektiös ist, frühestens zehn Tage nach Symptombeginn, und wenn er mindestens zwei Tage symptomfrei ist sowie im besten Fall noch ein negatives Testergebnis vorliegt. Ob der Patient aber geheilt ist, kann man jetzt noch nicht sagen, weil die Spätfolgen durch eine Infektion mit SARS-CoV2 noch nicht absehbar sind.

 

OA: Gibt es den typischen Covid19-Patienten?

Dr. Kendel: Nein, diese Virusinfektion kann jeden treffen. Vorerkrankungen verschlimmern die Ausgangssituation.

 

OA: Wie ist Ihre Prognose für die Winterzeit?

Dr. Kendel: Was wir jetzt aktuell sehen, ist das Infektionsgeschehen von vor zwei Wochen. Daher erwarten wir, dass in den nächsten Wochen noch mehr Covid-Patienten versorgt werden müssen. Heute meldet das RKI über 20.000 Neuinfektionen in Deutschland. Wir erwarten daher, dass es in den nächsten Wochen eher kritischer wird.

 

Alle Hände voll zu tun

 

Im Gummersbacher Krankenhaus sind zwölf Mitarbeiter (fünf in Teilzeit) auf der Covid-Station beschäftigt. Auf der Verdachtsstation sind es 13 (sieben in Teilzeit). Zudem kümmern sich laut Klinikum vier Ärzte plus Oberarzt auf der Covid-Station, der Covid-Verdachtsstation, der Intermediate-Care-Station und der Intensivstation um die Covid-Patienten. Gearbeitet wird im Drei-Schicht-Betrieb. In Waldbröl arbeiten sowohl auf der Covid-Station als auch auf der Verdachtsstation jeweils zwölf Mitarbeiter (acht bzw. fünf in Teilzeit). In Waldbröl sind es ebenfalls vier Ärzte auf den unterschiedlichen Stationen, die sich um die Covid-Patienten kümmern.

KOMMENTARE

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Vielen Dank für diesen Beitrag! Ich hoffe, die Menschen, die nach wie vor diese schlimme Pandemie ignorieren, verharmlosen und damit einen Mangel an Solidarität und Verantwortungsbewusstsein zeigen - womit sie den Erhalt von Menschenleben vernachlässigen - endlich aufwachen! Die klaren und eindeutigen Aussagen eines Arztes hier vor Ort sollte doch nun endlich aufrütteln. Wir alle haben auch die Verpflichtung, dem gesamten medizinischen Personal "unter die Arme zu greifen", indem wir alles in unserer Macht stehende dafür tun, unsere Mitmenschen vor der Intensivstation zu bewahren. Und nicht zu vergessen die Gesundheiterhaltung des medizinischen Personals; je mehr infizierte Menschen ins Krankenhaus müsssen, desto höher wird auch die Infektionsgefahr für die, die uns (versuchen zu) retten!

Cornelia Lang, 07.11.2020, 19:28 Uhr
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Danke für den Einsatz!

, 07.11.2020, 21:25 Uhr
0 von 800 Zeichen
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