LOKALMIX

„Die Trinkwasserversorgung hat Vorrang“

ls, ks; 31.08.2022, 16:55 Uhr
Fotos: Leif Schmittgen, OBK (Textfoto 1).
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„Die Trinkwasserversorgung hat Vorrang“

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ls, ks; 31.08.2022, 16:55 Uhr
Oberberg – Die Wasserverbände haben an den Talsperren Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet.

Heute ist der letzte Sommertag – zumindest nach dem meteorologischen Kalender. Das Ende dieses außergewöhnlichen Sommers mit hohen Temperaturen, zahlreichen Hitzetagen und kaum Niederschlägen ist jedoch noch nicht in Sicht. Nordrhein-Westfalens Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer warnt vor einem ungebremsten Klimawandel: „Die Klimakrise wird gravierende Folgen für Mensch, Umwelt und Infrastruktur haben.“ Sichtbar sind gelbbraune Wiesen, Niedrigrekorde an diversen Pegelständen und immer wieder brennende Wälder. Der Boden ist landesweit auch bis in größere Tiefen trocken, die Grundwasserstände sinken weiter ab.

 

[Diverse Bachläufe im Oberbergischen führen kaum noch Wasser oder sind gänzlich trocken – wie hier die Drespe in Reichshof.]

 

„Wir hatten fast drei Monate keinen richtigen Regen“, sagt Axel Blüm, Leiter des Vorstandsbüros des Aggerverbandes. Im Verbandsgebiet liege der Grundwasserspiegel derzeit in einer Tiefe von 1,20 Metern. „Früher war eine Tiefe von 80 Zentimetern normal. Das ist ein gravierender Unterschied“, so Blüm. Er erinnert an die Aussagen zahlreicher Meteorologen. Damit sich der Grundwasserspiegel wieder erholt, sei ein Dauerregen notwendig – drei Monate lang, rund um die Uhr.

 

Blüm hofft auf Niederschlag und „dass wir hier für unsere Verhältnisse normale Sommer kriegen.“ Doch die Wahrscheinlichkeit, dass auch oberbergische Bäche in Zukunft immer öfter austrocknen, sei „sehr groß“. Lebensräume für Fische, Krebse und Kleintiere würden damit zerstört. Mit ausreichendem Regen könnten sich diese Biotope wieder erholen, doch das brauche Zeit. Die Pegelstände an Agger, Sülz, Wiehl und Bröl seien recht gering. Im Schatten liegende Gewässer hätten hierbei einen Vorteil, ebenso wie die Agger und die Wiehl, welche aus den Talsperren Zuschusswasser erhalten.

 

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Doch auch die Wasserabgaben aus den Talsperren sind bereits reduziert worden. Zwar seien diese im Winter und Frühjahr „gut gefüllt“ worden, doch gäbe es kaum noch einen Zulauf. Die Füllstände der Agger-, Genkel- und Wiehltalsperre lägen für diese Jahreszeit leicht unter dem langjährigen Durchschnitt, seien damit nicht besorgniserregend. Trotzdem: Werden aus der Wiehltalsperre normalerweise 400 und aus der Aggertalsperre 300 Liter pro Sekunde an den jeweiligen Unterlauf abgegeben, sind beide Werte auf 100 Liter pro Sekunde reduziert worden. „Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme“, so Blüm.

 

Warm sei außerdem das Wasser in den Talsperren, Blüm spricht von Temperaturen die weit über 20 Grad lägen. Der fehlende Zulauf begünstige das Aufheizen zusätzlich. „Wir wissen nicht, wann sich das Wetter ändert. Das kann noch vier Wochen so sein“, sagt der Leiter des Vorstandsbüros. Vorrang vor der Natur habe die Trinkwasserversorgung des Menschen. „Dem kommen wir nach. Die Trinkwasserversorgung ist sichergestellt.“

 

Das sagt der Oberbergische Kreis

 

Der Oberbergische Kreis hat der Trockenheit bereits vor einigen Wochen entgegengewirkt und die Wasserentnahme aus Neben- und Zuflüssen untersagt (OA berichtete).  „Vielerorts sind Bäche nur noch kleine Rinnsale, in denen Tiere nicht mehr überleben können“, berichtet Umweltdezernent Frank Herhaus.  Je wärmer das Wasser würde, desto weniger Sauerstoff werde produziert. Dieser Rückgang bedeutet nicht nur eine Verkleinerung des Lebensraums für die Fische, sondern führt laut Herhaus auch zu einem Rückgang der Insektenpopulation, die wiederum als Futter für die Fische dienen.

 

Vielerorts sind aufgrund der Dürre kleine Quellen versiegt, Siefen verschwunden. Mit Blick auf die Flora erklärt Herhaus, dass es dem Bewuchs an den Ufern momentan besser ginge als dem an den Hängen. Jenseits der Gewässer leiden Bäume nach wie vor an Hitzestress und die Ausbreitung von pflanzenschädlichen Arten wie dem Borkenkäfer sei noch nicht abgeschlossen. Außerdem sei festgestellt worden, dass zum Beispiel Hangmoore „knochentrocken“ seien. Dort wo Arten verschwinden, siedeln sich vereinzelt auch neue an. Vermehrt wurden Ödlandschrecke und Feuerlibellen, die eigentlich im Mittelmeerraum heimisch sind, auch in hiesigen Gefilden gesichtet.

 

Das sagt der Wupperverband

 

Das Niedrigwasser beschäftigt auch den Wupperverband. Manche Bäche und kleinere Flüsse haben sich so weit zurückgebildet, dass es vereinzelt trockene Stellen gibt, berichtet Sprecherin Ilona Weyer. Auch sie stellt eine Bewegung der Fischbestände in den Nebenflüssen eben dorthin fest, wo es noch genügend Wasser gibt. Einen Rückgang des Sauerstoffgehalts kann die Sprecherin aber bis dato nicht verzeichnen, weshalb sie auch kein Artensterben in den Bächen erwartet. Die Wasserstände an den größeren Flüssen wie der Wupper werden durch die Pegel in den Talsperren geregelt. Hier wird derzeit präventiv Sauerstoff unter das Wasser gemischt. Während die Pegelstände im Vergleich zum Vorjahr etwas niedriger sind, hält die Lingesetalsperre bei Marienheide mit 51 Prozent den derzeitigen Negativrekord (hier geht es zu den Pegelständen). „Das ist hauptsächlich der Trockenheit geschuldet“, so die Sprecherin.

 

  [Die Lingesetalsperre.]

 

Im Juli beispielsweise fiel im Verbandsgebiet deutlich weniger Regen als im langjährigen Mittel. Zudem haben sich an einigen Stellen des Sees Blaualgen gebildet (OA berichtete) Dass sich weniger Wasser in den Stauseen befindet, hat allerdings auch mit der Flutkatastrophe des vergangenen Jahres zu tun. Im Frühjahr hatte man die Pegelstände bewusst etwas niedriger kalkuliert, um möglichen Starkregenereignissen besser vorbeugen zu können. Eine Neuerung ist in diesem Jahr für den Wupperverband hinzugekommen. Während man in früheren Jahren die Pegelstände je nach Jahreszeit statisch regulierte, erfolgt aktuell – nach Rücksprache mit der Bezirksregierung Köln – ein spontaner Eingriff, um besser auf Extremlagen regieren zu können. Als „Messlatte“ dafür gilt der Wasserstand der Wupper im Stadtgebiet von Wuppertal.

KOMMENTARE

1

Abgabe aus der Wiehltalsperre mit 400 Litern / Sekunde!?
Das sind ja dann immerhin schon 1.440 m³ in der Stunde.
Früher als ich noch dort gearbeitet habe reichten, die jetzt in der Dürre notwendigen, 100 Litern / Sekunde = 360 m³ in der Stunde!
Wieso muss in Zeiten des Klimawandels und der Dürren diese Abgabe normalerweise so hoch sein? Verstehe ich nicht!

Werner Höfer, 31.08.2022, 17:46 Uhr
2

Solange das Holzlager unterhalb der Aggerstaumauer noch kräftig künstlich beregnet wird, da kann es ja noch nicht so schlimm sein. Frage mich, wer soetwas in diesen Zeiten genehmigt?

Frank, 31.08.2022, 23:34 Uhr
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