KULTUR
Wenn das Lachen auch mal im Halse stecken bleibt: Max Uthoff trat in Bergneustadt auf
Bergneustadt – Der bekannte Kabarettist der ZDF-Satire „Die Anstalt“ spielte mit seinem Solo-Programm „Alles im Wunderland“ im Krawinkelsaal – Ein Abend voller Mortalität und Absurdität.
Von Peter Notbohm
78 Jahre beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes in Deutschland. Wie viel Zeit demnach noch auf seiner Lebensuhr steht, weiß Kabarettist Max Uthoff ganz genau, „Ich bin 56 Jahre alt und mir bleiben noch 7918 Tage“, sagt er. Was er mit der verbleibenden Zeit anstellen will? Am besten pünktlich abtreten. „Ich könnte aber auch Pech haben und im Lotto gewinnen. Und dann überredet mich jemand, an einer Expedition zur Titanic teilzunehmen.“ Rumms! Der erste bitterböse Witz muss zwar kurz wirken, sorgt dann aber schon nach wenigen Sekunden für die ersten Lacher im Bergneustädter Krawinkelsaal.
Dort trat der Star aus der ZDF-Satire „Die Anstalt“ vergangene Woche mit seinem neuen Programm „Alles im Wunderland“ auf und führte seinen Zuschauern dabei über zwei Stunden die Ambivalenz unserer Welt vor Augen, indem er Parallelen zwischen 'Alice' und sich zog. Schon seine in schwarz gehaltene Kleidung und sein minimalistisches ebenfalls vollkommen in schwarz gehülltes Bühnenbild deuteten darauf hin, was die rund 200 Zuschauer in den kommenden zwei Stunden erwarten würde.
Kein Thema ist Uthoff (Foto) zu heikel, als dass er es nicht mit der feinen Klinge der Ironie, beißendem Spott, Zynismus, Sarkasmus oder spitzzüngigem schwarzen Humor bearbeiten würde. Seine Stärke ist seine Sprache. Fast schon ohne Punkt und Komma und ohne Skript frühstückt er die aktuellen Themen unser Welt ab. Wie variabel sein Programm ist, zeigt, dass er aktuelles Geschehen wie den Tod von Franz Beckenbauer oder die Handball-Europameisterschaft unmittelbar einbaut.
Seinem Publikum lässt er dabei kaum Luft zum Atmen, stürzt es ab der ersten Sekunde in seine Kunst und präsentiert einen Mix aus intelligentem Humor gemischt mit Alltagsgeschehen, Geschichte und Politik – alles ummantelt von der Mortalität und Vergänglichkeit, die einen jeden umgibt. Das macht Uthoff vor allem den Menschen in den ersten Reihen klar, die er immer wieder nach ihrem Alter fragt. Eins seiner Fazite: „Glauben Sie, dass Sie in den verbleibenden Jahren - gesetzt Sie wollen ein Leben voller sinnlicher Fülle, voller praller Schönheit führen -, dass es da Raum gibt für ein Interview mit Christian Lindner?“
Überhaupt die Politik: Jede Partei bekommt den satirischen Spiegel vorgezeigt. So stellt Uthoff die Frage, vor wem die Reichen im Land mehr Angst hätten: „Sarah Wagenknecht oder der Linken? Es ist die Wahl zwischen einem süßen kleinen Häschen oder einem süßen kleinen rassistischen Häschen.“ Auch SPD, Grüne und Union bekommen immer wieder ihr Fett weg. Besonders eingeschossen hat sich Uthoff aber auf die FDP. Deren Wählern verspricht er stante pede ihr Eintrittsgeld zurückzugeben - sein Programm sei schließlich nicht für sie gemacht und spiele wolle er auch nicht vor ihnen.
Nicht fehlen dürfen kräftige Seitenhiebe auf Hubert Aiwanger. Noch rabiater geht er mit der AfD und Björn Höcke ins Gericht, auf die er eine verbale Atombombe herabregnen lässt: „Stellen Sie sich vor Höcke stranguliert sich beim Fahnenappell. Was soll man da sagen? Starb wie sein Vorbild Rudolf Heß? Oder: War seinem Land bis zum Tod ganz nah?“ In Bergneustadt wird dies angesichts der bundesweiten Demonstrationen dieser Tage immer wieder mit heftigem Szenenapplaus goutiert.
Der Kabarettist sinniert über die Komplexität und Unsinnigkeit des Lebens: Über Dienstwagenprivilegien, darüber, dass wir unsere politischen Führer vor allem auf die Erlebnisse ihrer Kindheit und wie sie dort von ihren Eltern gebrochen wurden, checken sollten. Auch die Flüchtlingskrise darf nicht fehlen. Sein Vorschlag: „Lasst uns Lager organisieren. Für den Eintritt muss man sechs Anträge ausfüllen, für jedes Essen mindestens 14 Formulare. Mit unserer Bürokratie würden wir jeden sofort vertreiben.“
Nur einmal wird es ganz kurz still: Wenn er über einen Artikel der 'Süddeutschen Zeitung' spricht, der von ertrunkene Frauen und Kinder auf den Flüchtlingsschiffen im Mittelmeer handelt, die zu ihrem Schutz vor Übergriffen in den Frachtraum eingeschlossen wurden. „Da habe ich geweint. Vielleicht war dann mein Sarkasmus einfach am Ende.“ Doch dann sei die Immobilienbeilage aus der SZ gefallen oder wie Uthoff es nennt: „Der 'Real Estate Porn' für Geerbtes.“
Es ist diese Absurdität, die er seinem Publikum immer wieder vor Augen führt. Der einzelne Mensch sei mit der Wirklichkeit schlicht überfordert und flüchte sich daher immer wieder vor ihr in sein eigenes kleines Multiversum. Oder wie Uthoff es beschreibt: „Das Leben ist, als ob Christopher Nolan die Regie geführt hat und wir am Ende sagen 'Ach deshalb habe ich so wenig verstanden'.“
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