KULTUR

Plädoyer an die Vernunft aus Menschenliebe

vma; 23.01.2023, 09:00 Uhr
Fotos: Vera Marzinski --- Die Titelrolle spielt sehr prägnant der Regisseur: Raimund Binder.
KULTUR

Plädoyer an die Vernunft aus Menschenliebe

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vma; 23.01.2023, 09:00 Uhr
Wiehl – Beeindruckende Premiere des Dramas „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing im Schau-Spiel-Studio Oberberg unter der Regie von Raimund Binder, der auch die Hauptrolle spielt.

Von Vera Marzinski

 

Sehr intensiv und faszinierend ist die Umsetzung des Stoffes von Lessing in der Inszenierung von Raimund Binder im Schau-Spiel-Studio Oberberg. Die Charaktere sind durchgängig mit hervorragenden Darstellern besetzt. Das Mittelalter wird mit der jetzigen Realität verbunden, denn auch wenn das Stück in der Zeit der Kreuzritter spielt, hat es nichts von seiner Aktualität verloren.

 

In Jerusalem des Jahres 1187 bekämpfen sich Christen und Mohammedaner gegenseitig. Juden haben unter beiden Seiten zu leiden und fürchten um ihr Leben. Die drei Weltreligionen streiten um den einen Gott. Lessings Aufklärungsdrama ist ein Plädoyer für Toleranz und ein friedliches Miteinander. Der Grundgedanke Binders: „Eine Aussage, die Völkerverständigung, Friedenswillen und Humanität im Allgemeinen so direkt ins Zentrum des Geschehens rückt, dass man meinen könnte, es zu Pflichtlektüre für die Mächtigen dieser Welt bestimmen zu müssen, wird, zumal in Kriegszeiten wie sie eben erleben, zum dringlichsten Anliegen“.

 

[Brillant spielt Colin Knura die Zerrissenheit des Tempelherrn. Sein Kostüm – khakifarbener Soldaten-Overall und der Umhang des Kreuzritters - verbinden Mittelalter mit der Jetztzeit und verdeutlichen die Aktualität des Stückes.]

 

Im Stück kehrt der Jude Nathan –von Raimund Binder selbst gespielt - von einer Geschäftsreise in das muslimisch beherrschte Jerusalem zurück. Sein Haus ist abgebrannt, und seine Tochter Recha (Lisa Tormann – erstmalig in einer großen Rolle, die sie sehr gut umsetzt) wurde von einem Tempelherrn (Colin Knura setzt dessen Zerrissenheit grandios um) aus dem Feuer gerettet. Nathans Freund, der Derwisch Al Hawi (Eckhard Pfiffer) ist zum Schatzmeister des Sultans (Johannes Schima wunderbar in der Rolle) „abgestiegen“. Dieser benötigt dringend Geld von Nathan, um seinen Krieg gegen die angreifenden Kreuzritter zu finanzieren.

 

Mit seiner Schwester Sittah (brillant gespielt von Angela Harrock) überlegt er, wie dies zu bewerkstelligen ist. Der Tempelherr wehrt sich gegen seine beginnende Liebe zu Recha. Daja (Silke Thierbach), deren christliche Gesellschafterin, verrät dem Tempelherren, dass Recha in Wahrheit ein christliches Waisenkind ist, dem sich Nathan einst annahm. Dies könnte ihn nach geltendem Recht auf den Scheiterhaufen bringen, wie der Patriarch (Hans-Gerd Pruß), zu dem der Tempelherr vom Klosterbruder (Thomas Knura) gebracht wird, fordert.

 

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Im Mittelpunkt dieser die Religionen verbindenden Familiengeschichte steht Nathans Erzählung der Ringparabel. Welche Religion ist die bessere? So fragt der Sultan „Wie kann ich meinen Vätern weniger als du denn deinen trauen?“ und ebenso gehe es den Christen. Nathan gibt eine weise Antwort, aus der symbolisch resultiert: „Der Vater ist Gott, die Ringe sind die Religionen.“ Es liege also an jedem Einzelnen, seinen Ring zu dem echten zu machen.

 

[Saladin und seine Schwester Sittah – grandios dargestellt von Johannes Schima und Angela Harrock.]

 

Zu etwas Besonderem macht Raimund Binder „Nathan der Weise“ nicht nur durch seine sehr intensiv gespielte Rolle. Die Besetzung ist hervorragend gewählt und die elf Improvisationsszenen (mit Fabian Beer, Daniela Kuhn-Berger, Andreas Ley, Michael Ludwig und Jörn Wollenweber), die beim Umbau zwischen den Spielorten im Mittelteil der Bühne beigefügt sind, lassen die Umstände – Krieg, Flucht, Unterdrückung und Elend – im blauen Licht lebendig werden. Dazu Musik, die sehr apokalyptisch klingt, und aus dem Fundus von Regieassistentin Hiltrud Binder stammt.

 

Bis heute wird Lessings Drama im Deutschunterricht als Beispiel für eine Haltung gelebter Toleranz gelesen, die sich angesichts aktueller gesellschaftlicher Probleme immer wieder neu bewähren muss. Auch am Premierenabend waren Schüler anwesend. Mit „Nathan der Weise“ feierte Binder bereits 2005 im Schau-Spiel-Studio Oberberg eine gelungene Premiere. Weitere Aufführungen: Mittwoch, 25. Januar (20 Uhr), Samstag, 28. Januar (20 Uhr), und Sonntag, 29. Januar (18 Uhr). Ticketreservierung bei Wiehl-Ticket unter Tel.: 02262/99-285.

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