KULTUR
Kuchejdas „Der Elefantenmensch“ in neuer Fassung
Gummersbach – In einer beeindruckenden Inszenierung wurde das Stück des langjährigen Leiters der Halle 32 erneut auf die Bühne gebracht.
Von Vera Marzinski
In einer Mischung aus Theater und Puppenspiel zeigte die Studiobühne in der Halle 32 Martin Kuchejdas Theaterstück „Der Elefantenmensch“, das er vor mehr als 35 Jahren geschrieben hat in neu bearbeiteter Fassung. Zwischen gaffender Verachtung und wissenschaftlicher Neugier – so sah das Leben von Joseph Carey Merrick aus. Er lebte 1862 bis 1890 und ist keine Fiktion. International bekannt ist das US-Filmdrama „The Elephant Man“ von Regisseur David Lynch aus dem Jahr 1980.
Das Stück von Martin Kuchejda ist eine Überarbeitung seines bereits im April 1989 in der Bonner „Brotfabrik“ uraufgeführten „Ich, Joseph Carey Merrick, der Elefantenmensch“. Die Erstaufführung der Neubearbeitung fand am 26. Oktober statt und ist Maximilian Osterritter gewidmet. Der spielte im 1989 den Merrick – sein Neffe Gerd-Josef Pohl schlüpfte in der Neuauflage in diese Rolle.
Der Schausteller Ross (Dirk Loh) hat für die Gaffer und Schaulustigen „The Greatest Freak of Nature“ – im Hintergrund die „Dame ohne Unterleib“ (Kathleen Wojahn).]
„Ich bin kein Tier! Ich bin ein Mensch!“, so Merrick. Wer ihn auf den zahlreichen Jahrmärkten, wo er Teil einer "Freakshow" war, gesehen hatte, erzählte diese Erfahrung oft schaurig ausgemalt weiter. Im Stück wird der Elefantenmensch von Schausteller Ross als Monstrosität ausgestellt, genauso wie die „Madame Pompös“ oder die „Dame ohne Unterleib“.
Der Chirurg Sir Frederick Treves entdeckt ihn, ist zunächst etwas angewidert und sieht ihn als wissenschaftliches Objekt, holt ihn aber aus dem Schausteller-Milieu heraus. In seinen Memoiren – aus dem im Stück zitiert wird –beschreibt Treves den „Elefantenmenschen“ präzise, poetisch, ein wenig dramatisch – aber erstaunlich hart im Blick. Doch er stellt bald fest: Merrick war ein kunstinteressierter, warmer, an der Welt und an seinen Mitmenschen interessierter Mann. Während seines Lebens in dem Londoner Hospital gewann er die Herzen jener Teile der Gesellschaft, die nicht aus anatomischen oder medizinischen, sondern aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen als Freaks und Außenseiter galten.
[Gerd-Josef Pohl schlüpft mithilfe der Puppe in die Rolle des Elefantenmenschen – und sie scheinen fast eins zu werden.]
In Kuchejdas Stück hauchte der Puppenspieler, Schauspieler und Rezitator Gerd-Josef Pohl dem Elefantenmenschen grandios und ausdrucksstark Leben ein. In der Rolle des Schaustellers Ross sowie als Professor Treves Dirk Loh, der die Bösartigkeit von Ross und die wissenschaftliche Neugier von Treves bravourös spielte. Drei Frauenrollen gibt es im Stück – alle hervorragend dargestellt von Kathleen Wojahn. Da ist zunächst Violetta, die Dame ohne Unterleib. Die Schauspielerin Madge Kendal, die völlig ohne Berührungsängste bei einem ersten Treffen mit Merrick einen Dialog aus "Romeo und Julia" mit ihm rezitierte. Und die Prinzessin Alexandra, die ihn besuchte.
Merrick war durch seine schlechten Erfahrungen mit Menschen gezeichnet, die in ihm mehr ein Monster als einen Menschen sahen. Trotzdem war er ein feinfühliger, intelligenter Mann, der eine künstlerische Ader hatte. Während seiner Zeit im London Hospital bekam er immer mehr Freunde aus der gesellschaftlichen Upperclass Londons – deshalb auch der Besuch der Prinzessin, die ihm auch ein Bild von sich schenkte.
Eine sehr gelungene Inszenierung, bei der die Darsteller hervorragend agieren. Die Figur des Elefantenmenschen baute Ulrike Oeter und die Bilder im Hintergrund passten ebenfalls zur Aufführung. Sei es die von weiteren zur Schau gestellten „Wesen“, der Plenarsaal des Professors oder Bilder wie von David Bowie, der 1980 den „The Elephant Man“ am Broadway spielte. Michael Jackson baute ihn in „Leave me alone“ ein.
[Gleich drei Rollen spielt Kathleen Wojahn – hier als Prinzessin Alexandra.]
Der Extremfall Merrick zeugt auch vom Beginn einer geänderten Haltung gegenüber Menschen, die aus der Norm fallen. Er steht für einen Durchbruch – für einen Behinderten, der als Mensch akzeptiert wurde. Was heute noch von Joseph Carey Merrick existiert: seine Gebeine und die wenigen Habseligkeiten werden im London Hospital aufbewahrt – das Skelett ist im Original aber lediglich einem Fachpublikum zugänglich. So wird er in gewisser Weise auch über den Tod hinaus immer noch „ausgestellt“.
Wer die Inszenierung von Martin Kuchejda (noch einmal) sehen möchte: Weitere Aufführungen finden am 28. November 2024 und am 4. Mai 2025 in der Halle 32 (Studiobühne) sowie am 4. Juli 2025 in der +Culturkirche in Engelskirchen-Osberghausen statt.
ARTIKEL TEILEN