KULTUR

Kreativ(e) in der Krise

lw, ls; 21.03.2020, 06:00 Uhr
Archivfotos: Martin Hütt (2) ---- The Höösch mussten sämtliche Auftritte bis Juni absagen und versuchen, neue Termine zu finden.
KULTUR

Kreativ(e) in der Krise

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lw, ls; 21.03.2020, 06:00 Uhr
Oberberg – Musiker aus dem Oberbergischen spüren die Auswirkungen von Corona – Gerade Techniker betroffen.

Von Leif Schmittgen und Lars Weber

 

Nicht nur Veranstalter hat die Coronakrise hart getroffen. Auch jene, die eigentlich vor vielen Fans auf der Bühne stehen oder die hinter den Kulissen für eine gute Show sorgen, müssen sich auf die neue Situation einstellen. Oberberg-Aktuell sprach mit ihnen.

 

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Thorsten Wingenfelder ist weit über das Oberbergische hinaus bekannt. Besonders mit seiner Band Fury in the Slaughterhouse, aber auch mit dem Brüder-Projekt Wingenfelder, hat er viele Erfolge feiern dürfen. Nun stand eigentlich die Veröffentlichung eines neuen Wingenfelder-Albums inklusive Promotour an. Mit Fury in the Slaughterhouse ist eine große Open-Air-Tour für den Sommer geplant. Zumindest die Pläne rund um das Projekt mit seinem Bruder Kai seien werden aber verschoben, erzählt Thorsten Wingenfelder. Ein neues Album ohne dazugehörige Tour, das geht nicht. „Wir haben die Veröffentlichung nun in den Herbst geschoben, die Tour holen wir dann im kommenden Jahr nach“, sagt er. Die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben möchte er für die Termine mit „Fury“. „Aber es steht in den Sternen, ob das klappt.“ Im Moment wüssten sie ja nicht einmal, ob sie überhaupt proben könnten.

 

[Foto: Olaf Gebert --- Thorsten Wingenfelder ist Sänger, Songschreiber und Gitarrist.]

 

Finanziell sei die Situation ein „Volldesaster“, sagt Wingenfelder. Dabei spricht er nicht einmal direkt von sich. „Nach 30 Jahren Karriere geht es mir ganz gut.“ Er denkt aber an andere Musiker und Freunde im Geschäft, denen es anders geht. Manchen bliebe nur der Gang zum Jobcenter. Er hofft darauf, dass einige unter einem Rettungsschirm der Politik Platz finden. Aber wenn der Festivalsommer ins Wasser fällt, wird es zu einem Firmensterben kommen, ist er überzeugt, bei dem es vor allem die kleinen Betriebe treffen werde.

 

Oliver Fuchs, Schlagzeuger bei der Gummersbacher Rockband Freakstorm, berichtet, dass man bisher „mit einem blauen Auge“ davongekommen sei. „Wir befinden uns in Babypause und haben deswegen bis zum Herbst sowieso keine Live-Auftritte“, berichtet der frischgebackene Vater. Seine Ehefrau Sinah ist Sängerin der Band. Etliche Radiotermine, wo man den Moderatoren Rede und Antwort steht, sind in den kommenden Wochen aber auf Eis gelegt „Das tut natürlich weh“, weiß Fuchs. In der vergangenen Woche hatte man nach einem RPR1-Interview noch rund 400.000 Hörer erreicht, die Klicks auf die Veröffentlichungen der Band waren daraufhin um etwa 50 Prozent gestiegen. „Solche Auftritte erhöhen die Reichweite enorm“, meint Fuchs. In den Folgetagen seien die Aufrufe bei Spotify, Youtube und Co. dagegen fast gen null tendiert.

 

[Foto: Judith Uessem --- Sinah und Oliver Fuchs von Freakstorm.]

 

„Wir alle haben derzeit andere Sorgen und befinden uns in Schockstarre“, so der Schlagzeuger. Einige Soloprojekte standen eigentlich an, damit ist es vorerst vorbei. „Wir nutzen die Zwangspause für neue kreative Ideen“, schöpft der Musiker Kraft aus der Situation. Fuchs ist selbst nicht primär auf die Einnahmen aus der Musik angewiesen, da er hauptberuflich im Pflegedienst tätig ist. Der Schlagzeuger denkt aber an seine Künstlerkollegen im Oberbergischen: „Wer die lokalen Bands unterstützen möchte, sollte deren Songs auf den verschiedenen Wegen im Internet hören oder fleißig CDs kaufen.“

 

An jene Bands, die hauptberuflich unterwegs sind, denkt auch Dirk Meierlücke, Sänger und Gitarrist von The Höösch. „Ich bewundere diese Bands. Für die Jungs und Mädels tut es mir leid, als freischaffender Künstler hat man meist keine Rücklagen. Sie sind jetzt Schachmatt gesetzt, es ist ein Desaster“, so Meierlücke, der wie seine fünf Mitstreiter auch noch „normale“ Jobs hat. Zudem wird The Höösch auch von Sponsoren unterstützt. Trotzdem: Die Auftritte seiner Band sind bis weit in den Juni bereits abgesagt. Nach neuen Termine wird gesucht. Auch der Probenbetrieb sei auf Null heruntergefahren.

 

[Dirk Meierlücke von The Höösch]

 

Dem Beispiel anderer Musiker, die online Videos oder ganze Konzerte streamen, werden auch die Jungs von The Höösch folgen. „Aber gerade sind die Menschen noch mit anderem beschäftigt.“ Zudem wollen sie auch ein Vorbild sein, und nicht zu sechst dicht gedrängt vor einer Kamera stehen. „Die Leute sollen zu Hause bleiben“, so sein Appell. Das gelte auch für sie. Neben den Musikern, die an der Situation zu knabbern  haben, sind für Meierlücke vor allem Techniker oder auch Roadies die Leidtragenden. Also jene Menschen, ohne die es gar keine Live-Show überhaupt gibt. „Die Branche ist gerade tot.“

 

[Foto: privat --- Oliver Nohl sind sämtliche Aufträge durch die Coronakrise weggebrochen.]

 

Zu jener Branche gehört Veranstaltungstechniker Oliver Nohl, der mit seiner Tonmeisterei selbstständig ist. Bis Ende März sollte er eigentlich noch mit Carolin Kebekus auf Tour sein, doch die letzten zwölf Shows wurden abgesagt. Seine Auftragslage sei „komplett zusammengebrochen“, dabei sorgt er bei Konzerten nicht nur für den guten Ton, sondern berät unter anderem auch verschiedene Unternehmen in Sachen technische Sicherheit bei Veranstaltung und ist als Dozent unterwegs. Er hat also mehrere Standbeine. Jeden Tag erhalte er weitere Mails mit Absagen, die schon in den Juni reichen. „Ich weiß nicht, wie ich weitermachen soll.“ Gerade konnte er noch einen kleinen Job in Hamburg an Land ziehen, wo eine neue Anlage installiert werden musste. Das war's. Er hofft, dass ihm nach den ganzen Absagen Entschädigungen zustehen. Glück im Unglück: Da seine Frau ein gesichertes Einkommen hat, sei seine Familie finanziell einigermaßen abgesichert. „Die nächste Zeit werde ich wohl erstmal Hausmann und Papa sein.“

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