KULTUR

Eine E-Mail mit Folgen

vma; 22.04.2024, 10:15 Uhr
Fotos: Vera Marzinski --- Im Stück für zwei entwickelt sich eine ganz besondere „Brieffreundschaft“.
KULTUR

Eine E-Mail mit Folgen

vma; 22.04.2024, 10:15 Uhr
Wiehl – Zum Abschluss der Theater-Saison 2023/2024 bringt das Schau-Spiel-Studio Oberberg das Stück „Gut gegen Nordwind“, inszeniert von Anna Franziska Pflitsch, auf die Bühne - Gelungene Premiere.

Von Vera Marzinski

 

Eine falsch abgesendete E-Mail bildet den Auftakt für eine „virtuelle Beziehung", die allmählich außer Kontrolle gerät. „Gut gegen Nordwind“ nach dem Roman von Daniel Glattauer und in der Bearbeitung von Ulrike Zemmer inszeniert von Anna Franziska Pflitsch, wird gespielt von Barbara Wiwianka und Johannes Schima.

 

Bei Leo Leike (Schima) landen irrtümlich E-Mails einer ihm unbekannten Emmi Rothner (Wiwianka). Aus Höflichkeit antwortet er ihr. Und weil sich Emmi von ihm angezogen fühlt, schreibt sie zurück. Bald scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann es zum ersten persönlichen Treffen kommt, aber diese Frage wühlt beide so sehr auf, dass sie die Antwort lieber noch eine Weile hinauszögern. Außerdem ist Emmi glücklich verheiratet und Leo verdaut gerade eine gescheiterte Beziehung mit Marlene. Und überhaupt: Werden die gesendeten, empfangenen und gespeicherten Liebesgefühle einer Begegnung standhalten? Und was, wenn ja?

 

[Homepage-Designerin Emmi (Barbara Wiwianka) ist hin- und hergerissen, ob sie Leo im realen Leben kennenlernen möchte.]

 

Was, wenn diese Frau, die Leo noch nie persönlich getroffen hat, seine Seelenpartnerin ist? Durch die Anonymität des Schriftverkehrs kann er sich wirklich öffnen und kommt seinem Wunsch nach echtem Verständnis oder Geborgenheit so erheblich näher als in der analogen Welt.

 

Bei romantischen Filmen und auch Theaterstücken hängt (fast) alles an der Chemie der Schauspieler. Und die stimmt zwischen den Protagonisten. Beide sind schon lange Ensemblemitglieder des Schau-Spiel-Studios Oberberg und standen in diversen Stücken gemeinsam auf der Bühne, wie bei „Die Niere“ (2022) oder „Die Wellnessoase“ (2018). Nun zelebrieren sie Kommunikationskunst auf höchstem Niveau. Die täglich wachsende E-Mail-Kommunikation zwischen Emmi und Leo führt zu einer immer intimen Freundschaft. Es beginnt zu knistern und Leos Mails sind gut gegen den Nordwind, der Emmi nicht schlafen lässt, wenn er in ihr Fenster bläst. Mitunter sind sich Emmi und Leo zum Berühren nah, auch wenn keine physische Verbindung in Form echter Berührung stattfindet. Es ist dennoch ganz und gar nicht virtuell.

 

[Leo (Johannes Schima) forscht an der Universität ausgerechnet über den Transport von Emotionen via E-Mail.]

 

Das Bühnenbild besteht aus zwei Räumen, die durch bunte Bausteine getrennt sind, die von Leo und Emmi auf- und abgebaut werden -  je nachdem, wie nah sich die beiden kommen. Das Klavier am Rand wird genutzt, um zwischendurch kurz die Stimmung zwischen Emmi und ihrem Mann klanglich auszudrücken. Auf dem Boden ein beleuchteter Eiffelturm, der die Verbindung zu Leos Ex Marlene darstellt. Emmi sieht sich als Marlene-Verarbeitungs-Therapie und Leo bastelt sich aus ihren Texten seine eigene Emmi - und die hat tatsächlich einen Narren an ihm gefressen.

 

Ein Stück mit viel Dynamik, dass zu keinem Zeitpunkt langweilig oder langatmig wird. Sehr gut umgesetzt von den beiden Darstellern und hervorragend inszeniert von Anna Franziska Pflitsch. Die gebürtige Oberbergerin studierte Theaterwissenschaften und englische Literatur in Mainz und hospitierte unter anderem am Nationaltheater Mannheim. 2011 spielte sie bei „Das Sams“ als aktives Mitglied des Schau-Spiel-Studios mit. 2022 kehrte sie zurück auf die Wiehler Bühne als Tilda in „Honig im Kopf“ und mit der Theater-AG des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums entstand 2023 ihr Projekt „Ein Stück Theater“. „Gut gegen Nordwind“ ist ihre erste Inszenierung mit dem Ensemble in Wiehl.

 

[Doppeltes Debüt – zum einen die Premiere von „Gut gegen Nordwind“ und zum anderen die erste Inszenierung von Anna Franziska Pflitsch am Schau-Spiel-Studio Oberberg.]

 

Mit „Gut gegen Nordwind“, einem der „zauberhaftesten und klügsten Liebesdialoge der Gegenwartsliteratur“ („Der Spiegel“) stürmte der österreichische Schriftsteller Daniel Glattauer 2006 die Bestsellerlisten und wurde mittlerweile in 28 Sprachen übersetzt. 2009 kam „Gut gegen Nordwind“ mit Nora Tschirner und Alexander Fehling ins Kino. Die Theaterfassung stammt von Ulrike Zemme. Im Schau-Spiel-Studio Oberberg ist das Stück noch neunmal zu sehen (siehe Termine).

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