JUNGE LEUTE

Digitale Lehre: „Der Flurfunk fehlt“

pn; 21.01.2021, 21:30 Uhr
Archivfotos: Leif Schmittgen [Titel, (2)], Peter Notbohm (1).
JUNGE LEUTE

Digitale Lehre: „Der Flurfunk fehlt“

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pn; 21.01.2021, 21:30 Uhr
Gummersbach – Der Wintersemester an der TH Köln ist von digitalen Vorlesungen und Prüfungen geprägt.

Von Peter Notbohm

 

Die berühmte Stecknadel kann man zwar nicht überall fallen hören, gespenstig still ist es auf weiten Teilen des Campus Gummersbach der Technischen Hochschule (TH) Köln momentan trotzdem. Wo sonst Studenten, Professoren und Angestellte in den Hörsälen, Lehrräumen, Laboren, der Bibliothek und der Mensa für regsames Treiben sorgen, trifft man im Corona-Lockdown derzeit kaum jemanden. „Aktuell kann man von einer Geisterhochschule sprechen“, beschreibt TH-Sprecher Manfred Stern die Situation. Studenten müssen ihren Besuch über ILIAS, das Lernmanagement-System der TH Köln, im Vorfeld anmelden, Gäste sich händisch in eine Liste beim Pförtner eintragen. Zwei Mitarbeiter prüfen zudem stichprobenartig, ob sich Menschen auf dem Gelände des Campus aufhalten dürfen.

 

Stillstand in der Lehre herrscht deshalb aber nicht. Gruppenarbeiten in den Laboren sind seit Mitte Dezember zwar nicht mehr möglich, im Einzelfall wird Studenten der alleinige Zugang aber gewährt. Die Vorlesungen laufen wie schon im ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr vollständig digital ab – inzwischen wesentlich routinierter. „Wir halten einen sehr guten Kontakt zu unseren Studenten. Jeder kann trotz Corona ein ganz normales vollständiges Studium absolvieren. Wir verzichten auf nichts“, sagt Dekan Prof. Dr. Christian Kohls (Foto).

 

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Die Vorlesungen über Computerbildschirme seien dabei Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite sind die Studenten über divers Tools und Plattformen miteinander in Lerngruppen vernetzt, können die Videoangebote zudem jederzeit nutzen und komplizierte Inhalte auch mehrfach anschauen, auf der anderen Seite fehlt der persönliche Kontakt. „Bei Lehrenden und Lernenden kommen die digitalen Formate gut an“, berichtet Kohls, „aber es fehlt der Flurfunk, sich einfach auf den Gängen Informationen zu holen oder beim Dozenten, den man zufällig auf dem Campus trifft.“

 

Ein Eindruck, den auch Johannes Nolte von der Fachschaft Gummersbach bestätigt. „Die Hochschule ist digital gut aufgestellt“, meint er. Gerade für tiefere Semester sei es aber nicht immer leicht Lerngruppen zu finden. Auch bei der Fachschaft spricht man von Vor- und Nachteilen durch den erzwungenen digitalen Fortschritt. Durch das wegfallende Pendeln zur Hochschule und jederzeit abrufbare Vorlesungen gewinnen Studenten zwar Flexibilität, die kleinen informellen Gespräche nach der Vorlesungen vermissen aber viele, weiß der 25-jährige Fachschaftsvertreter, der momentan seinen Master in Medieninformatik macht: „Es ist eine andere Art von Studium, sehr fixiert auf das Fachliche.“ Da helfen auch die digitalen Angebote der Fachschaft zum Kennenlernen, die gut angenommen wurden, nur bedingt weiter.

 

 

Dass rein digitale Lehre nicht jedermanns Sache ist, zeigt auch die umfangreiche Untersuchung von Prof. Dr. Monika Engelen. Bei der Umfrage meldeten ein Drittel der Gummersbacher Studenten, dass sie vom digitalen Lernen begeistert sind und dieses beibehalten wollen, ein Drittel wünscht sich mit dem Ende der Pandemie aber auch unbedingt die Rückkehr in die Hörsäle. Dekan Kohls strebt den Mittelweg an. „Die digitale Lehre wird gerade wirklich erprobt. Ich habe Respekt vor dem, was unsere Dozenten leisten. Den Studenten wollen wir ein Versprechen aufbauen: Wir werden nach Corona das Beste aus der aktuellen Zeit mit dem Besten aus der Zeit davor miteinander verbinden.“ Die Hochschule werde dabei sehr genau hinschauen, was nur eine Notlösung war und mit welchen Digitalwerkzeugen man auch künftig arbeiten möchte.

 

Damit sich die Pandemie nicht negativ auf das Studium auswirkt, wurde von NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft eine spezielle Corona-Epidemie-Hochschulverordnung erlassen. Sie gilt auch noch im kommenden Sommersemester. Individualisierte Regelstudienzeit und Bafög-Höchstdauerbezug wurden um ein Semester erhöht. Die ebenfalls rein digital zu absolvierenden Prüfungen werden als Freiversuch gewertet. Das heißt, eine nicht bestandene Klausur (Ausnahme bei Täuschungsversuchen) wird als nicht absolviert angerechnet. „Das verführt natürlich dazu, Dinge auszuprobieren“, spricht Kohls von deutlich gestiegenen Anmeldezahlen für die Abschlussprüfungen. Vielen Studenten merke man zudem an, dass sie die vergangenen Wochen intensiv zum Nacharbeiten genutzt haben. Auch die Quote der Studienabbrecher ist bislang nicht gestiegen. Zugenommen hat allerdings die Zahl der Täuschungsversuche, sehr zum Bedauern des Dekans: „Schließlich prüfen wir mit den Klausuren Kompetenzen, die auch im Berufsleben benötigt werden.“

 

Wie das Sommersemester, das am 1. März beginnt, aussehen wird? Bei dieser Frage hat der Dekan selbst dazugelernt. „Im vergangenen Jahr habe ich viel vom Hybridsemester gesprochen. Natürlich wünsche ich mir auch jetzt ein Rückkehr an den Campus, bin aber realistisch. Wir planen vorerst weiter mit der digitalen Lehre und hoffen darauf, Präsenzveranstaltungen wieder einführen zu können.“ Darauf hofft auch Fachschaftsvertreter Johannes Nolte: „Die digitale Lehre funktioniert, aber wir freuen uns schon darauf, wenn es wieder anders wird.“

KOMMENTARE

1

Ist es nicht gerade von Vorteil wenn der "Flurfunk" fehlt, weil dadurch nicht einige Leute benachteiligt werden?? Ich sehe darin eine große Chance.

Hubertus Mark, 22.01.2021, 08:38 Uhr
2

@Hubertus Mark: Ich denke mit Flurfunk ist die informelle Kommunikation gemeint. Also sowas wie "Wie war dein Wochenende?" und nicht Gerüchte.

Dan, 22.01.2021, 22:58 Uhr
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