JUNGE LEUTE

Am Traumjob vorbei führt auch ein Weg

ks; 01.04.2023, 06:45 Uhr
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Foto: Katharina Schmitz --- Michael Sallmann (v.li.) und Carsten Berg von der IHK, Nicole Jordy von der Agentur für Arbeit Bergisch Gladbach und Marcus Otto von der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land haben heute aktuelle Zahlen zum Ausbildungsmarkt vorgestellt.
JUNGE LEUTE

Am Traumjob vorbei führt auch ein Weg

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ks; 01.04.2023, 06:45 Uhr
Oberberg – Bei der IHK in der Halle 51 wurden gestern aktuelle Zahlen zur Halbjahresbilanz des Ausbildungsmarktes vorgestellt – Viele Ausbildungsplätze sind noch frei.

Von A wie Anlagenmechaniker bis Z wie Zweiradmechatroniker: die deutsche Ausbildungslandschaft ist äußerst vielfältig. „Wir haben rund 330 Ausbildungsberufe. Den meisten sind eine Vielzahl dieser Berufe gar nicht so bekannt“, sagte Nicole Jordy gestern im Rahmen eines Pressegesprächs in der IHK-Geschäftsstelle Oberberg in der Gummersbacher Halle 51. Jordy ist Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Bergisch Gladbach. Gemeinsam mit weiteren Akteuren hat sie gestern aktuelle Zahlen zur Halbjahresbilanz des Ausbildungsmarktes vorgestellt. Dabei wurde klar: Der oberbergische Ausbildungsmarkt holt die Corona-Rückgänge endlich auf.

 

„Die Unternehmen haben wieder eine größere Anzahl an Ausbildungsplätzen gemeldet. Das ist eine erfreuliche Entwicklung“, sagte Jordy. Im gesamten Bezirk der Arbeitsagentur, also in Oberberg, Rhein-Berg und Leverkusen, haben die Arbeitgeber insgesamt 3.044 Berufsausbildungsstellen an die Agentur für Arbeit Bergisch Gladbach gemeldet. Das sind 120 (4,1 Prozent) mehr als im Vorjahr (2.924) und sogar 350 Stellen (13 Prozent) mehr als zum 31. März 2021. „Aber die Anzahl der Betriebe, die überhaupt ausbildet, geht kontinuierlich zurück.“ Nach wie vor würden sich auf den oberbergischen Arbeitsmarkt auch die wirtschaftliche und die demographische Entwicklung auswirken. So sei die Anzahl der Bewerber, die sich bis zum 31. März auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle bei der Agentur für Arbeit gemeldet haben, weiter rückläufig.

 

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Im Oberbergischen haben die Arbeitgeber insgesamt 1.518 Berufsausbildungsstellen an die Agentur für Arbeit Bergisch Gladbach gemeldet. Das sind 64 (4,4 Prozent) mehr als im Vorjahr und sogar 216 Stellen (16,6 Prozent) mehr als zum 31. März 2021. Gleichzeitig haben in 2023 1.070 Bewerber die Dienste der Agentur für die Suche einer Ausbildungsstelle in Anspruch genommen – und damit 149 oder 12,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Derzeit gibt es noch 610 unversorgte Bewerber, also 49 (7,4 Prozent) weniger als im Vorjahr. Parallel dazu sind noch 960 Ausbildungsstellen unbesetzt – 3,7 Prozent (34) mehr als im Vorjahr. Auf 100 betriebliche Ausbildungsstellen kommen aktuell 71 Bewerber; 2022 waren es 84 und im Jahr 2021 waren es noch 93.

 

„Die Entwicklung in Oberberg ist anders als in den beiden anderen Regionen. Hier zeigt sich die demografische Entwicklung besonders stark“, so Jordy. Dem gegenüber stehe ein hoher Fachkräftebedarf. Weiter zunehmende Passungsprobleme würden dazu führen, dass viele Ausbildungsplätze noch unbesetzt sind. „Für die Jugendlichen eine große Chance, wenn sie bereit sind, auch ein wenig rechts und links zu schauen, welche spannenden Berufe es neben dem ‚Traumberuf‘ noch so gibt“, findet die Expertin. Besorgt äußerte sie sich über den bevorstehenden Renteneintritt der Boomer. So würden in den kommenden zehn Jahren etwa 25 Prozent der Arbeitnehmer in den Ruhestand gehen. Der Nachwuchs komme aber nicht in gleicher Anzahl nach. „Wir haben ein Verhältnis von sechs zu zehn. Wir können es uns nicht leisten, nur einen einzigen Jugendlichen zu verlieren.“

 

Der Ausbildungsmarkt profitiere von der Rückkehr zum regulären Unterrichtsbetrieb an den Schulen. „Wir können an den Gesamt-Zahlen zum Ausbildungshalbjahr ablesen, dass Praktika und Berufsorientierung an den Schulen endlich wieder uneingeschränkt möglich sind. Insbesondere Praktika haben einen ganz großen Effekt“, sagte Carsten Berg, Leiter des Bereichs Ausbildung der IHK Köln. Bislang wurden im Bezirk der IHK Köln 1.204 neue Ausbildungsverträge in den insgesamt fast 200 Berufen in Industrie, Handel und Dienstleistung vereinbart, rund 9,3 Prozent oder 102 Verträge mehr als zum Vorjahresstichtag. „Das ist ein vielversprechendes Plus.“

 

Werbung und Sichtbarkeit würden für Unternehmen immer wichtiger werden. „Das Angebot an Ausbildungsstellen wächst kontinuierlich, aber es sind immer weniger Fische im Teich. Mittlerweile müssen sich die Unternehmen bei den Jugendlichen bewerben“, sagte Berg. Auch in vielen oberbergischen Unternehmen aller Branchen seien noch viele attraktive Ausbildungsplätze frei. Trotzdem: Ausbildungssuchende sollten sich „nicht in falscher Sicherheit wiegen“, ergänzte Michael Sallmann, Leiter der IHK-Geschäftsstelle Oberberg – der das Thema auch zu Hause mit seinen eigenen Kindern im Alter von 19 und 17 Jahren bespreche. „Die besten Stellen sind als Erstes weg. Da sollte man nicht zu lax drangehen.“

 

Von den bislang bei der IHK Köln registrierten 1.204 neuen Ausbildungsverträgen für das Ausbildungsjahr 2023/2024 wurden 234 im Oberbergischen Kreis (plus 21 Verträge) abgeschlossen. Zuwächse gab es auch in der Stadt Köln mit 655 neu abgeschlossenen Verträgen (plus 83 Verträge) sowie im Rhein-Erft-Kreis (162 Verträge, sieben mehr als im Vorjahresvergleich). In Leverkusen wurden 66 Verträge (fünf weniger) und im Rheinisch-Bergischen Kreis 87 neue Ausbildungsverträge geschlossen (vier weniger). Insgesamt profitierten im IHK-Bezirk industriell-technische Berufe (plus 59 Verträge) etwas mehr von der Erholung als kaufmännische (plus 43 Verträge) Ausbildungsberufe.

 

Um Jugendliche und Unternehmen besser zusammenzubringen, wurden bei der IHK diverse Maßnahmen erarbeitet – so zum Beispiel die Nacht der Technik, die in diesem Jahr zum ersten Mal im Oberbergischen stattfindet, sowie eine sechswöchige Last-Minute-Aktion für Schulabgänger, die vier Wochen vor den Sommerferien startet und ihnen helfen soll, noch eine Stelle zu finden. Die IHK Köln unterstützt Schüler auch weiterhin auf Lehrstellen- sowie Betriebe auf Azubisuche, etwa mit ihren Bewerbertagen. Auf der Website sind auch die Ansprechpartner der IHK Köln zu finden.

 

„Das Handwerk ist zukunftssicher. Wir brauchen jede helfende Hand, die da mitarbeiten kann“, sagte Marcus Otto, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land. Ob virtuelle Realität, alternative Antriebssysteme, die Energiewende oder der Klimaschutz: In allen entscheidenden Zukunftsbereichen werde das Handwerk gebraucht, der Bedarf an beruflich qualifizierten Fachkräften steige. Dabei würden die Ausbildungen immer anspruchsvoller werden, sagte Otto, der exemplarisch Wärmepumpen, E-Autos und die erneuerbaren Energien nannte. Gerade junge Menschen, die sich für den Klimaschutz einsetzen, seien im Handwerk bestens aufgehoben, da hier die Energie- und Mobilitätswende aktiv umgesetzt werde.

 

Konkrete Zahlen hat die Kreishandwerkerschaft Bergisches Land zum Start des Ausbildungsjahres 2023 bewusst nicht genannt – auch wenn sich bei den eingetragenen Ausbildungsverträgen momentan im Vergleich zum Vorjahr ein leichtes Plus von vier Prozent abzeichne. „Valide Zahlen zu nennen ist schwierig, da wir uns bei den Abschlüssen von Ausbildungsverträgen gerade im Frühjahr in einem dynamischen Prozess befinden. Es ist in diesem Bereich also nur eine Momentaufnahme möglich“, so Otto.

 

Hinzu käme, dass – je nach Gewerk – zwischen zehn und 25 Prozent der Azubis ihre Ausbildung abbrechen würden. Außerdem würde eine steigende Anzahl der Auszubildenden bei den Prüfungen durchfallen – möglicherweise eine Folge der coronabedingten Einschränkungen. „Wir hoffen, dass sich dieser Trend nicht verstärkt“, sagte Otto. Sollte ein Auszubildender Schwierigkeiten beim Einstieg oder auch beim Berufsabschluss haben, könne er über die sogenannte Assistierte Ausbildung der Arbeitsagentur unterstützt werden.

 

Aktuell sieht es für den potentiellen Nachwuchs im Handwerk sehr gut aus: In der Lehrstellenbörse der Kreishandwerkerschaft gibt es rund 300 freie Ausbildungsplätze in Oberberg, Rhein-Berg und Leverkusen. Äußerst beliebt seien derzeit Ausbildungen in Bau- und Ausbauberufen. Hier sprach Otto von einer Steigerung in Höhe von 62 Prozent. Bei Berufen, die der Gesundheits- und Körperpflege zuzuordnen sind, wie zum Beispiel der Beruf des Friseurs, sei hingegen ein Rückgang zu verzeichnen. „Das Ausbildungsjahr 2023 braucht Ausbildungsbetriebe mit Visionen und Mut – und es braucht Jugendliche und junge Erwachsene mit Neugierde und Enthusiasmus“, warb Otto für eine duale Ausbildung im Handwerk.

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