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Menschen müssen sterben, weil Anwesende nicht helfen

nh; 10. Sep 2013, 13:55 Uhr
Bilder: Nils Hühn --- Zum 50-jährigen Jubiläum des oberbergischen Rettungsdienstes gibt es ein Festwochende in der Stadthalle. Gleichzeitig möchten Rolf Kühr, Dr. Christian Diepenseifen, Dr. Ralf Mühlenhaus, Kreisdirektor Jochen Hagt und Kerstin Bürger (v.l.n.r.) Menschen zur Ersten Hilfe animieren.
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Menschen müssen sterben, weil Anwesende nicht helfen

nh; 10. Sep 2013, 13:55 Uhr
Oberberg - Der Rettungsdienst im Oberbergischen Kreis feiert sein 50-jähriges Bestehen und weist in diesem Zusammenhang auf die „fehlende Ersthelfer-Kultur“ in Deutschland hin.
Von Nils Hühn

Im Jahr haben rund 170 Menschen in Oberberg einen Kreislaufstillstand nach einem Infarkt. Das heißt, dass sie klinisch tot sind. Durch Reanimationsmaßnahmen gibt es bei 50 Personen einen spontanen Kreislauf – sie überleben. Die anderen 120 Menschen sterben. Das sind sehr erschreckende und deprimierende Zahlen. „Bei einem Kreislaufstillstand zählt jede Sekunde“, erklärt Dr. Ralf Mühlenhaus, Amtsleiter für Rettungsdienst, Brand- und Bevölkerungsschutz. Und obwohl der Oberbergische Rettungsdienst hervorragend aufgestellt ist, müssen viele Menschen durch einen Infarkt sterben. Zwar ist der Rettungsdienst innerhalb von spätestens zwölf Minuten am Einsatzort, doch oft ist dies schon zu lange. „Es kommt auf die Ersthelfer an“, so Dr. Mühlenhaus.
 


„Leider gibt es in Deutschland eine fehlende Ersthelfer-Kultur“, erklärt Dr. Christian Diepenseifen. Der leitende Notarzt erlebt es häufig, dass Menschen tatenlos neben einem Patienten stehen und nichts tun. Nach der eigens erhobenen Statistik des oberbergischen Rettungsdienstes wird nur in zehn bis 15 Prozent der Fälle Erste Hilfe geleistet. „In Skandinavien sind es hingegen 60 Prozent“, so Dr. Diepenseifen. Mit der bundesweiten Aktion „Woche der Wiederbelebung“ soll die Bereitschaft zur Ersten Hilfe steigen. In den meisten Fällen hilft man Menschen, die man kennt: Angehörigen, Nachbarn oder Arbeitskollegen.

Wiederbelebung kann ganz einfach sein: Das demonstrierten im Notfallzentrum des Oberbergischen Kreises Kerstin Bürger und Rolf Kühr (Bild) von der Rettungswache Gummersbach. Die Hilfe reduziert sich auf die drei Schritte: "Prüfen, Rufen, Drücken". Zunächst muss überprüft werden, ob die hilfebedürftige Person ansprechbar ist und noch atmet. Sollte dies nicht der Fall sein, muss sofort der Notruf über die 112 informiert werden. Anschließend soll die Herzdruckmassage gestartet werden. „Dabei kann man nichts falsch machen“, so Dr. Diepenseifen, der auch Ängste vor drohenden Regress-Ansprüchen nehmen konnte. „Bei einem Herzstillstand ist die Person klinisch tot. Da kann man nichts mehr falsch machen.“

[Mit diesem Fahrzeug begann 1963 der Rettungsdienst in Oberberg.]

Dass der Rettungsdienst im Oberbergischen Kreis eine besondere Stellung einnimmt, liegt vor allen Dingen an Prof. Dr. Wolfgang Herzog, der 1963 erstmalig den Rettungs- und Notarztdienst organisierte. Diese Neuerung sprach sich bundesweit rum und der Begriff „Gummersbacher Modell“ war geboren. Im Oberbergischen Kreis fuhren erstmals Ärzte in Deutschland bei einem Notfall zum Unfallort, um umgehend zu helfen. Viel hat sich in den fünf Dekaden getan und mittlerweile ist der Rettungsdienst wieder in kommunaler Hand und mit einem Festwochenende wird das Jubiläum gefeiert.

Am 28. September beginnt um 11 Uhr in der Stadthalle Gummersbach das Symposium „50 Jahre Rettungsdienst – Gestern, heute und morgen – Professionell am Puls der Zeit“, wobei viele Experten zu Wort kommen. Am Abend wird an gleicher Stelle die Jubiläumsparty mit Live-Musik von „Abbalicous“ und „Funhouse Monsters“ steigen. Der Sonntag (19. September) gehört den Familien. Ab 11 Uhr warten in und um die Stadthalle herum viele Attraktionen wie Fahrzeugausstellungen, Rettungsdienstvorführungen, Zauberkünstler oder eine Hüpfburg auf die Besucher.
  

[Kreisdirektor Jochen Hagt warf einen Blick in das Clinomobil.]
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