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Wenn Liebe durch den Magen gehen würde ...

ma; 31. Jan 2013, 13:30 Uhr
Bilder: Marie Albrecht --- Kinder beim Mittagessen in der örtlichen Schule.
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Wenn Liebe durch den Magen gehen würde ...

ma; 31. Jan 2013, 13:30 Uhr
Gummersbach - Die Gummersbacherin Marie Albrecht absolviert einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst an einer Schule in Ghana und schildert auf OA ihre Erlebnisse und Erfahrungen.
Liebe Leser!

Diesen Artikel möchte ich einem der notwendigsten und zugleich schönsten Dingen des Lebens widmen: Essen! Um es gleich von vorneherein auf den Punkt zu bringen: Wenn Liebe tatsächlich durch den Magen gehen würde, würde ich hier aus lauter Liebe einfach platzen. Ghanaisches Essen ist gut, ghanaisches Essen ist deftig und ghanaisches Essen ist vor allen Dingen immer unglaublich viel! In meinen ersten Wochen hier in Ghana hatte ich große Schwierigkeiten, die von meiner Gastmutter aufgetischten Portionen zu bewältigen. Tagtäglich standen Berge von Essen vor mir, die gefühlt von der Tischkante bis zu meiner Nasenspitze reichten. Doch Aufessen gehört in Ghana zum guten Ton, Essen abzulehnen oder nur zu probieren beleidigt den Koch - und so habe ich mühsam alles in mich hineingestopft.


[Buntes Treiben auf dem Hauptmarkt in Swedru.]

Doch wie es im Leben nun mal so ist, gewöhnt man sich ja bekanntlich an alles. Mittlerweile kann ich mit Stolz behaupten, dass mein Magenvolumen sich verdoppelt hat. So eine mickrige deutsche Portion würde mich mit Sicherheit nicht mehr satt machen! Als ich es eines Abends dann doch den Vorschlag gewagt habe, ein Drittel meiner Portion wieder in den Topf zurück zu kippen, hat mich meine Gastmutter nur gespielt böse angeguckt und mit ernster Miene behauptet: "No! I want you to grow as big and fat as I am". Bei ihrem nicht gerade zierlichen Körperumfang eine ernsthafte Drohung. Doch wenn Mama Ghana gesprochen hat, gibt es keine Widerrede und so habe ich tatsächlich aufgegessen. Geschadet hat es mir nicht!



[Maries Gastmutter beim Zerkleinern von Garden Eggs, eine Art Aubergine, und Zwiebeln.]
  
Wer also beim Wort "Afrika" automatisch halbverhungerte Kinder mit großen Augen und hervorstehenden Rippen vor sich sieht, ist in Ghana definitiv fehl am Platze. Der ghanaische Boden ist gut und fruchtbar, das Klima subtropisch und im Prinzip wächst hier fast alles: Mais, Ananas, Kakao, Yam, Cocoyam, Cassawa, Kohl, Karotten, Mangos, Kokosnüsse, Bananen, Erdnüsse, Orangen, Wassermelonen, Ingwer, Papayas, Palmnüsse, Bohnen, Zwiebeln, Süßkartoffeln, Kochbananen, Tomaten, und und und. Dementsprechend ist hier auch fast jeder wohlgenährt und die Ghanaer scheinen sehr stolz auf ihr Essen zu sein: Essen ist immer ein gutes Gesprächsthema und wenn man spontan von einem ghanaischen Freund angerufen wird, kann es oft passieren, dass man erst mal gefragt wird, was man denn heute so zu sich genommen hat. Ebenso regelmäßig kommt es vor, dass auf einmal ein mehr oder weniger fremder Ghanaer vor einem steht und mit strahlendem Gesicht fragt: "Ghana food ... is it nice, is it sweet?", nur um dann in begeistertes Gelächter auszubrechen, wenn ich bedingungslos zustimme. "Oh that is good, that is good!"



[Marie rührt Banku ... anstrengend!]

Eine ghanaische Hauptmahlzeit, die in der Regel abends eingenommen wird, besteht fast immer aus etwas Ballaststoffreichem und einem dazu passenden Stew (eine Art Sauce) oder einer passenden Soup. So gibt es meistens Reis, Nudeln, Yam, Kochbananen (frittiert oder gekocht) oder einen der ghanaischen "Klöppse" mit Erdnuss-, Gemüse-, Bohnen- oder Palmnusssauce. Unter den ghanaischen „Klöppsen“ verstehe ich Banku, Fufu (das ghanaische Nationalgericht) und Kokonte. Alle drei sehen ein bisschen aus wie Germknödel, werden wahlweise aus Mais, Cassawa und Kochbananen gemacht und man verbraucht bei der Zubereitung fast genauso viele Kalorien wie man später zu sich nimmt. Für Fufu muss ordentlich gestampft und für Banku und Kokonte ordentlich gerührt werden. Doch der Aufwand lohnt sich und Fufu ist mittlerweile zu einem meiner absoluten Lieblingsgerichte geworden. Zu allem wird meist Fisch-, Ziegen- oder Hühnerfleisch serviert.


[Eine große Portion Bohnen, gebratene Kochbanane und Jollof Rice.]

Im Vergleich zum deutschen Essverhalten gibt es zwei große Unterschiede: Erstens isst man meist alleine und unterhält sich nicht unbedingt und zweitens isst man fast alles mit den Fingern. Das liegt ganz einfach daran, dass man sowohl Yam als auch Kochbananen einfach wie Pommes frites in die Sauce stippt und Banku, Fufu und Kokonte sowieso nicht mit Besteck gegessen werden können. Lediglich bei Reis und Nudeln wird zum Löffel gegriffen. Ich liebe das ghanaische Essen und weiß jetzt schon, dass es mir in Deutschland sehr fehlen wird. Trotzdem vermisse ich manchmal Milchprodukte, die man mit Ausnahme von Kondensmilch und Schmelzkäse eigentlich nur in den großen Supermärkten der Hauptstadt Accra findet. Und ich vermisse frisches Gemüse. Hier wird fast alles gebraten oder gekocht.



[Maries Frühstück - wie immer mit dem typischen Trinkwasser aus der Plastiktüte.]

Trotzdem bin ich hier rundum gut versorgt und ich habe mich auch mit dem doch recht hohen Schärfegrad des Essens sehr gut arrangiert. Viele meiner Kollegen freuen sich immer wieder darüber, dass es mir hier offensichtlich gut schmeckt und warnen mich lachend davor, dass ich als „obolo“ (ein Name, der jedem, der auch nur drei Gramm zu viel auf den Rippen hat, hinterhergerufen wird – je nach Dickegrad kann man auch noch wahlweise ein paar ‚bolo‘s hinten dranhängen) nach Deutschland zurückkehren werde. Bisher ist jedoch alles im grünen Bereich und so genieße ich nicht nur das gute Essen, sondern auch die ghanaische Einstellung dazu: Essen ist gut und wichtig und das Körpergewicht macht sowieso nicht die Schönheit einer Person aus.

Mädels in Deutschland, schreibt‘s euch hinter die Ohren!

In diesem Sinne möchte ich mich auch schon wieder von Ihnen verabschieden – mein Abendessen wartet auf mich. Was auch immer Ihre nächste Mahlzeit sein wird, lassen Sie es sich schmecken!

Ihre Marie Albrecht
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