Archiv

Maßregelvollzugsklinik nach Wildbergerhütte

Red; 23. Oct 2012, 13:58 Uhr
ARCHIV

Maßregelvollzugsklinik nach Wildbergerhütte

Red; 23. Oct 2012, 13:58 Uhr
Reichshof – Auf dem Gelände des ehemaligen Munitionsdepots sollen psychisch kranke Straftäter untergebracht werden – Reichshofs Bürgermeister Rüdiger Gennies 'entsetzt und enttäuscht'. (AKTUALISIERT)
Oberbergs Landtagsabgeordneter Dr. Roland Adelmann war heute Morgen wie vor den Kopf geschlagen, als er von den Plänen des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums Kenntnis bekam, wonach im Reichshof eine Maßregelvollzugsklinik entstehen soll. „Ich habe heute Morgen in einem persönlichen Telefonat mit der Ministerin Barbara Steffens erstmalig von diesem Standort erfahren. Diese für mich vollkommen überraschende Entscheidung hat mich tief getroffen. Sollte die Klinik wirklich gebaut werden, kann dies drastische Folgen für den Reichshof haben“, so der Sozialdemokrat in einer ersten Stellungnahme.  Die Landesregierung hatte zuvor entschieden, fünf neue Maßregelvollzugskliniken zu bauen, um die Therapie psychisch kranker und suchtkranker Straftäter in NRW sicherzustellen. 


Eine dieser fünf Kliniken soll demzufolge in Reichshof-Wildbergerhütte, auf dem Gelände des ehemaligen Munitionsdepots entstehen. „Die Zahl der Maßregelvollzugspatienten hat sich in den vergangenen zehn Jahren um zwei Drittel erhöht und wird weiter steigen. Deshalb brauchen wir bis 2020 rund 750 zusätzliche Klinikplätze", erklärte Gesundheitsministerin Barbara Steffens heute in Düsseldorf. Psychisch kranke Straftäter stammten aus allen Teilen der Gesellschaft und würden aus allen Städten und Gemeinden des Landes kommen, doch seien derzeit nicht alle Regionen an der Behandlung und Unterbringung dieser Menschen beteiligt. Deshalb würden die fünf neuen forensischen Kliniken in den Landgerichtsbezirken errichtet, in denen die Versorgungslücken am deutlichsten seien. „Dies ist auch deshalb notwendig, weil eine wohnortnahe Unterbringung den Therapieerfolg fördern kann", so Steffens weiter.

Im Denklinger Rathaus und bei den politischen Parteien im Reichshof herrschte heute "Alarmstimmung". Bei Bürgermeister Rüdiger Gennies stand das Telefon nicht still. "Ich bin enttäuscht und entsetzt, sowohl über die Entscheidung als auch über die Vorgehensweise des Ministeriums", so der Rathauschef. Am gestrigen Abend war err von Minsterin Steffens über Handy von den Plänen der Landesregierung informiert worden.Von der Gemeinde seien im Vorfeld keine Flächenengebote gekommen, vielmehr habe man im November vergangenen Jahres dem Ministerium mitgeteilt, kein geeignetes Areal für eine Klinik zur Verfügung stellen zu können.

Am heutigen Nachmittag war der Ätestenrat der Gemeinde zusammengekommen und hatte parteiübergreifend ein gemeinsames Vorgehen beschlossen. Umgehend soll jetzt juristischer Beistand gesucht und alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Allerdings sind die Chancen eher gering, denn bei diesen Baumaßnahmen des Landes besteht in der Regel ein übergeordnetes Interesse, gegen das juristisch kaum anzukommen ist. Alsbald will man nun eine Bürgerversammlung in der Glück Auf-Halle in Wildberg, in unmittelbarer Nähe zur möglichen Klinik, organisieren, auf der sich auch die Düsseldorfer Ministerin erklären soll.

Rüdiger Gennies denkt jedoch auch bereits an die Zeit, in der die Gemeinde möglicherweise mit der Klinik leben lernen muss. "Das Sicherheitsbedürfnis der Menschen, die im Reichshof leben, muss allerhöchste Priorität haben", so der Bürgermeister.

Gebaut werden neue Kliniken mit jeweils rund 150 Plätzen neben Wildbergerhütte in Lünen, Haltern am See, Wuppertal-Barmen und Hörstel. Bereits im September 2011 hatte die Ministerin alle 125 Städte und Gemeinden in fünf Landgerichtsbezirken schriftlich über die Notwendigkeit der Errichtung neuer forensischer Kliniken informiert und betont, dass - wie schon im Ausbauprogramm des Jahres 2000 - die regionale Verteilungsgerechtigkeit entscheidendes Kriterium für die Suche und Festlegung der neuen Klinik-Standorte sein werde. Gleichzeitig hatte die Ministerin allen Verantwortlichen der 125 Städte und Gemeinden die Möglichkeit gegeben, am Prozess der Standortsuche mitzuwirken.

Aufgrund der dringlichen Lage hat Adelmann für heute Abend eine außerordentliche Zusammenkunft politisch Tätiger aus Reichshof zu einer ersten Lagebesprechung einberufen. Im Rathaus kommt der Ältestenrat der gemeinde um 16:30 Uhr zu einer Sitzung zusammen. Für den kommenden Montag, wird der heimische SPD-Abgeordnete gemeinsam mit der SPD in Reichshof, zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion einladen. Bereits heute Morgen hat Adelmann die Ministerin aufgefordert, umgehend persönlich vor Ort Stellung zu beziehen und die Oberberger über das geplante Vorhaben zu informieren. Aufgrund der hohen zu erwartenden Besucherzahl und der Kurzfristigkeit, wird die Veranstaltung in der Wiehltalhalle stattfinden. Organisatorische Details werden zurzeit noch geklärt.

Da die Ankündigung der Errichtung weiterer forensischer Kliniken in Teilen der Bevölkerung Unsicherheit auslösen und Fragen aufwerfen könne, hat die Landesregierung für Fragen von Bürgern eine kostenlose Telefonhotline eingerichtet. Sie ist ab sofort unter der Rufnummer 0800/137 71 37 montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr zu erreichen.  Darüber hinaus bietet das Gesundheitsministerium umfangreiche Informationen sowohl im Internet (www.mgepa.nrw.de) als auch mit einer aktuellen Broschüre "Neue forensische Kliniken = mehr Sicherheit. Daten, Fakten und Stimmen zum Maßregelvollzug in Nordrhein-Westfalen" an, die kostenlos telefonisch unter 01803/100 110 unter Angabe der Veröffentlichungsnummer 111 oder im Internet unter www.mgepa.nrw.de/ministerium/service bestellt werden kann.

An den neuen Forensik-Standorten wird es Planungsbeiräte geben, in denen sich Bürger frühzeitig zum Beispiel in die Bauplanung, Organisation und Konzeption der Kliniken mit ihren Fragen und Anregungen einbringen können. Über die Besetzung der Planungsbeiräte entscheiden die Kommunen und Kreise vor Ort.

Kommentar: Schock und Verantwortung
WERBUNG