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Von „Ding“ bis „mein Baby“

sw; 3. Dec 2010, 13:44 Uhr
Bilder: Susan Wolters --- Die Teilnehmer, ihre Babys und die Betreuerinnen Michaela Styrnal und Tonja Behling (mitte).
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Von „Ding“ bis „mein Baby“

sw; 3. Dec 2010, 13:44 Uhr
Engelskirchen – Das Projekt „Babybedenkzeit“ geht heute zu Ende und hinterlässt bei den jugendlichen Teilnehmern gemischte Gefühle.
Lautes Babygeschrei ist aus dem Jugendzentrum in Ründeroth zu hören. An einem Tisch sitzen 13 Schüler der Hauptschule Ründeroth und kümmern sich immer zu zweit um ihr Kind. Beim genaueren Betrachten wird aber schnell klar, dass die schreienden Knäuel keine normalen Babys sind – es sind Puppen. Im Rahmen des Projektes „Babybedenkzeit“, das von der Schwangerschaftsberatung „Esperanza“ des Caritasverbandes Oberberg und dem Kreisjugendamt ausgerichtet wird, durften die Jugendlichen für eine Woche auf die elektronischen Babymodelle aufpassen und sie mit nach Hause nehmen. Ziel der Aktion ist es, ein besseres Bewusstsein für Verhütung bei den Schülern zu erreichen, sodass diese sich erst später für ein Kind entscheiden. „Wir wollen zeigen, dass Kinder kriegen keine Alternative zum Arbeiten ist“, erklärte die Hebamme Michaela Styrnal, die gemeinsam mit der Gesundheitspädagogin Tonja Behrling während dieser Zeit als Betreuer tätig war.



[Jana Wiese mit ihrem "Baby" und einem angeschnallten Schwangerschaftsbauch.]

Heute ist der letzte Tag des Projektes und die Gefühle über das Erlebte sind gemischt. „Es war anstrengender als gedacht“, beschrieb zum Beispiel Jana Weise (15) die Woche, die mit ihrem Freund Florian Berscheid (15) gemeinsam auf ein Baby aufpasste. Dabei stellte das regelmäßige Aufstehen in der Nacht noch gar nicht das Schlimmste dar. Der völlig veränderte Alltag sei die größte Herausforderung gewesen: „Man kann kein Fernsehen mehr schauen, hat nie Langeweile und geht oft spazieren“, schilderte Janika Reif (15). „Die Gruppe war wirklich toll. Immer pünktlich und keiner hat abgebrochen“, lobte Styrnal die jungen "Eltern". Auch keine nächtlichen Anrufe hätten die Betreuerinnen bekommen. Nur zwischen den einzelnen Paaren gab es gelegentlichen Streit. „Irgendwann kommt man einfach bei seinem Null-Punkt an“, berichtete Noreen Haberich (16), „Das Baby schreit und man weiß nicht, was zu tun ist.“


Auch Hauptschulleiter Hans Willi Schlimbach war begeistert und stellte schon nach ein paar Tagen eine Veränderung bei seinen Schülern fest: „Am ersten Tag hieß es noch „Ding“, am zweiten „Babypuppe“ und am dritten war es ihr Baby“. Von dem Erfolg des Projektes ist er überzeugt, da in der Schule niemals so ein praxisorientiertes Lernen möglich wäre. Jeden Morgen kamen die Schüler mit ihren Kindern in das Jugendzentrum und sprachen über Themen wie Schwangerschaft, Geburt, Gesundheit, Lebensplanung und Babypflege. „Die Jugendlichen werden dieses Projekt nicht mit einer Horrorvorstellung  verlassen und nie mehr Kinder kriegen wollen“, ergänzte Styrnal noch. Vielmehr sollten sie sich später bewusst für ein Baby entscheiden, wenn das richtige soziale Umfeld, das nötige Kleingeld und ein zuverlässiger Partner dabei sind. Das Fazit der Teilnehmer lautete ähnlich. Trotzdem fällt es den Jugendlichen schwer, ihre „Kinder“ wieder abzugeben. „Ich möchte mein Baby behalten“, hieß es zum Beispiel von Clarissa Fiedler (16).

[Die Teilnehmer sprachen darüber, wie ihr Alltag ohne Baby ausgesehen hat und fertigten einen Stundenplan an.]
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