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Leserbrief: Überzogene Reaktionen

Red; 1. Nov 2012, 15:29 Uhr
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Leserbrief: Überzogene Reaktionen

Red; 1. Nov 2012, 15:29 Uhr
Reichshof – Meggie Lück und Lothar Gothe sprechen sich hinsichtlich der geplanten Forensik in Wildbergerhütte für eine sachliche Debatte aus und sehen den Naturschutz als Argument der Gegner lediglich als Vorwand.
Wir sind sehr besorgt, wegen der wenig sachlichen und überzogenen Reaktionen gegenüber dem Plan der Landesregierung, auf einem ehemaligen Militärgelände in Wildbergerhütte eine geschlossene Einrichtrng fur psychisch kranke Straftäter zu errichten. Nicht, dass wir mögliche Gefahren leugnen oder die berechtigten Ängste der Anwohner missachten, denn auch bei bester Bewachung kann niemand hundertprozentig einen Ausbruch von Insassen ausschließen. Doch das rechtfertigt nicht die allgemein ausgebrochene Hysterie und das Schüren völlig üiberzogener Ängste. In Düren etwa leben die Menschen seit Jahren mit ihrer Forensik für Schwersttäter nicht unsicherer und nicht sicherer als irgendwo sonst in Deutschland, das zeigt die Kriminalstatistik.

Die größten Bedrohungen durch die am meisten gefürchteten Sexualstraftäter gehen nämlich gar nicht von forensischen Einrichtungen aus, sondern von Tätern in den Familien, im sozialen Umfeld, in Vereinen und leider auch sehr stark in kirchlichen Einrichtungen. In diesen Fällen wird aber noch immer eher weggeschaut, sie werden häufig verharmlost, verdrängt oder vertuscht. Nichts zeigt dies deutlicher, als die Berichte über den Strafprozess gegen den Reichshofer Mitbürger, der jahrzehntelang Töchter und Enkelinnen missbraucht hat und dies auch noch als einschlägig Vorbestafter fortsetzen konnte. Wir beide haben lange Jahre bei der Sozialistischen Selbsthilfe Köln entflohene Heimkinder betreut, die menschenunwürdig behandelt und oft auch sexuell missbraucht worden waren. Daher kennen wir die Opferperspektive sehr gut und auch das lebenslange Leid der Geschädigten.

Das hindert uns aber nicht daran, Vernunft walten zu lassen: Irgendwo müssen die Täter ja hin, wenn nicht die Todesstrafe wieder eingeführt werden soll. Sie müssen sicher untergebracht sein und psychiatrisch behandelt werden. Nur das bietet der Allgemeinheit die größte Sicherheit. Für die unbedingt nötigen neuen Plätze müssen daher nach rein sachlichen Gesichtspunkten die geeignetsten Standorte gesucht werden. Wenn das Munitionsdepot die vergleichsweise besten Voraussetzungen bieten sollte - was wir mangels Kenntnis der Alternativen nicht beurteilen können -, dann (und nur dann) müssten wir Bürger die Einrichtung allerdings hinnehmen und uns für größtmögliche Sicherheitsmaßnahmen unter ständiger Beteiligung der Anwohner einsetzen. Es handelt sich ja schließlich um ein gesellschaftliches Problem, das uns alle angeht.

St. Florian, Panikmache und das Kochen politischer Süppchen hilft niemand, auch nicht zukünftigen Opfern von nicht therapierten Serientätern wie dem gerade eben verurteilten Kinderschänder. Hätte es vor Jahren eine solche Volksbewegung für ein Naturschutzgebiet auf dem Gelände gegeben, wäre es durch die Politik längst beschlossen und die Forensik könnte dort nicht gebaut werden. Damals aber gab es kaum Interesse daran und solches heute vorzuschieben ist unehrlich und unwürdig. Oder gäbe es den Naturschutz-Aufstand etwa auch dann, wenn auf den 5 Hektar ein Sportplatz geplant wäre. Auf solches Niveau sollte der Streit also nicht sinken. Die schäbige Nümbrechter Vertreibung eines vorbestraften, aber offenbar körperlich hinfälligen und somit ungefährlichen Altenheimbewohners ist noch in schlechter Erinnerung.

Lothar Gothe und Meggie Lück, Bergneustadt
  
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