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Geschäftsleitung und Mitarbeiter von Pferd/Rüggeberg in Marienheide ohne Verständnis für "spanischen" Streik

mho; 29. Jul 2005, 00:00 Uhr
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Geschäftsleitung und Mitarbeiter von Pferd/Rüggeberg in Marienheide ohne Verständnis für "spanischen" Streik

mho; 29. Jul 2005, 00:00 Uhr
(mho/14.7.2005-17:00) Marienheide - Pferd-Geschäftsführer: "Wir sind spanischer Gewerkschaft weit entgegengekommen" - Hoffnung auf friedlichen Verlauf der Proteste.
[Bilder: Martina Hoffmann --- Manfred Flemm, Leiter Logistik und Personal, der technische Geschäftsührer Jörn Bielenberg und Betriebsratsvorsitzender Rolf
Meurer (v.li.) waren bemüht, alle Fragen zu beantworten.]


Seit 40 Jahren betreibt das Marienheider Unternehmen Pferd/Rüggeberg im Baskenland ein Tochterunternehmen. Als es darum ging die Produktion auszuweiten und die Weichen für die Zukunft zu stellen, hat man nicht zuletzt wegen des guten Facharbeiterangebots und der positiven Erfahrungen auf den Standort Baskenland gesetzt. Nun wird die spanische Tochtergesellschaft, dort auch unter Caballito bekannt, seit Oktober 2003 in Teilbereichen bestreikt.

Zum Streik rief die Gewerkschaft im Oktober 2003 auf, nachdem die dortige Fertigung in eine neue Produktionsstätte innerhalb der Stadt Vitoria (Baskenland) verlagert wurde. "Zur Sicherung des baskischen Standorts wurden 30 Millionen Euro in das neue Werk investiert, um damit wettbewerbsfähige Arbeitsplätze für die nächsten 20 Jahre zu sichern", macht der technische Geschäftsführer Jörn Bielenberg deutlich.

Bemerkenswert sei es dabei, dass die UGT - die größte spanische Gewerkschaft, vergleichbar mit der IG Metall - ihrerseits Mitte vergangenen Jahres eine Einigung mit Pferd/Rüggeberg erzielt hat. "Die Arbeitnehmer, die in dieser Gewerkschaft organisiert sind, arbeiten alle wieder", bestätigt Bielenberg. Die Produktion laufe zwar eingeschränkt, aber man sei liefer- und aktionsfähig. "Unsere Kunden leiden nicht und wir können jederzeit pünktliche Lieferungen zusagen," so der Marienheider Manager.

Pferd/Rüggeberg hatte eine neue Betriebsstätte im Baskenland aufgebaut, nachdem erkannt wurde, dass die Kapazität des bestehenden Werkes nicht mehr ausreichte. „Der Umzug hat neben einer Anpassung der Beschäftigtenzahl auch eine Änderung des Arbeitszeitmodells mit sich gebracht", erläutert der Geschäftsführer. War man in der Übergangszeit noch mit einem 4-Schicht-Modell gefahren, so ist man jetzt zum regulären 3-Schicht-Modell übergegangen.

Der Konflikt geht neben dem Streit um Zuschläge auch um die geplante Reduzierung der Mitarbeiterzahl um fast 80 Arbeiter. „Natürlich soll der Personalabbau in Einklang mit dem spanischen Arbeitsrecht möglichst sozialverträglich durchgeführt werden," versichert Bielenberg. Die damit verbundenen Abfindungszahlungen hätten sich auf durchschnittlich 80.000 Euro pro Mitarbeiter belaufen.

[Das Privathotel Rothstein ist unfreiwillig ins Visier der Aufmerksamkeit gerückt: Hier nächtigen die Streikenden die für einen
ausgeweiteten Sozialplan demonstrieren.]


Diese Zahlungen lägen deutlich über den gesetzlichen Regelungen in Spanien. Das Angebot von Pferd-Spanien sieht vor, im Zeitraum 2003-2006 die Arbeitszeit in vergleichbaren Schichten um 16 Stunden zu verkürzen, im selben Zeitraum die Entlohnung durchschnittlich um 16 Prozent über der Inflationsrate zu erhöhen, überdurchschnittliche Abfindungen an die freizustellenden Mitarbeiter zu zahlen und zudem die während des Streiks entlassenen Mitarbeiter wieder einzustellen. „Alle Angebote gelten aber stets mit der Maßgabe, dass alle Punkte als Paket vereinbart werden und dass über die betriebswirtschaftlich notwendige Reduzierung der Beschäftigtenzahl nicht verhandelt werden kann“, meint Bielenberg.

Auch der Betriebsrat in Marienheide steht klar hinter der Geschäftsführung. Nach einer Betriebsratsversammlung am gestrigen Abend war die Meinung einhellig: Diese Angelegenheit kann nur mit der Geschäftsleitung und den Verhandlungsführern in Spanien geklärt werden. "Wir haben entschieden, den Streikenden keinerlei Unterstützung zukommen zu lassen," so Betriebsratsvorsitzender Rolf Meurer. Es handele sich um einen, in erster Linie politisch motivierten Streik durch die baskische Gewerkschaft ELA, die ein Exempel statuieren und sich damit im Baskenland profilieren wolle.

Um Druck aufzubauen, wird eine Delegation der Gewerkschaft ELA mit 50 Personen heute aus Spanien anreisen, mit dem Ziel, Demonstrationen vor dem Werksgelände durchzuführen. Gleichzeitig ist mit Demonstrationen und der Verteilung von Handzetteln in der Gummersbacher Fußgängerzone und in Marienheide zu rechnen. Die Gewerkschaftler residieren während ihres Deutschlandaufenthaltes im ersten Hotel am Platze, dem Privathotel Rothstein.

Während des Streiks in Spanien ist es mehrfach nicht nur zu verbalen, sondern auch zu handgreiflichen Auseinandersetzungen seitens der Gewerkschaftler der ELA gekommen. Nachdem sich nun auch die FAU, eine nach eigenen Angaben „anarcho-syndikalistische Gewerkschaftsföderation von lokalen Syndikaten und Gruppen“ als Unterstützung der spanischen Delegation angesagt hat, hofft man seitens der Betriebsleitung und der Behörden, dass die Demonstrationen friedlich verlaufen.

„Natürlich sind auch wir beunruhigt," gibt Bielenberg zu. Auch über das Wochenende hinaus, denn die Produktionsausfälle und die Konzentration vieler Mitarbeiter auf die Minimierung der Streikfolgen gefährdeten nicht nur die Arbeitsplätze in Spanien, sondern in der gesamten Pferd-Gruppe“, so Bielenberg.

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