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"Steinmüller meets Godot": Kultur-Förderpreis an Raimund Binder und Dirk Adolphs

om; 8. Feb 2005, 06:22 Uhr
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"Steinmüller meets Godot": Kultur-Förderpreis an Raimund Binder und Dirk Adolphs

om; 8. Feb 2005, 06:22 Uhr
(om/5.11.2003-17:35) Von Oliver Mengedoht
Oberberg - Dem Theaterregisseur und Schauspieler Raimund Binder sowie dem Fotografen Dirk Adolphs haben gestern auf Schloss Homburg von Landrat Hans-Leo Kausemann der dritte Kultur-Förderpreis des Oberbergischen Kreises verliehen.
[Bilder: Oliver Mengedoht --- Landrat Kausemann verlieh in der Orangerie von Schloss Homburg vor vielen Gästen die Skulpturen und Schecks an die beiden Preisträger.]

Mit dem Kultur-Förderpreis, der vor drei Jahren zum ersten Mal verliehen wurde, sollen besondere Verdienste um das kulturelle Leben gewürdigt oder hervorragende künstlerische Leistungen ausgezeichnet und einer größeren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden, erinnerte Landrat Kausemann bei der Begrüßung in der Orangerie von Schloss Homburg. "In besonderem Maß sollen auch die freie Kulturszene beziehungsweise einzelne, noch nicht etablierte Kulturschaffende gefördert werden", ergänzte Kausemann. Zwei "freie" Künstler hatte die Jury diesmal tatsächlich ausgewählt mit dem Regisseur des Schau-Spiel-Studios Oberberg, Raimund Binder, und dem freien Fotografen Dirk "Adi" Adolphs.



[Den ersten Preis erhielt Raimund Binder vom Landrat.]

Bis zu drei Förderpreise können jährlich vergeben werden und erhalten neben einem Geldpreis die von Andreas Zellmann (Kunst & Form, Gummersbach) gestaltete Skulptur mit eingraviertem Namen. Die Preisträger bestimmt das Gremium unter dem Vorsitz des Landrates, dessen weitere Mitglieder die Vorsitzende - Uschi Mahler - und der stellvertretende Vorsitzende des Kulturausschusses - Jürgen Dreiner-Wirz -, Kulturdezernent Werner Krüger, die Leiterin des Kultur- und Museumsamtes Dr. Gudrun Sievers-Flägel sowie Vertreter der Fraktionen des Kreistages sind. Elf Künstler hatten in diesem Jahr Anträge eingereicht - "allesamt sehr anregende und interessante Bewerbungen", lobte Kausemann. "Die Auswahl ist uns nicht leicht gefallen."

"Raimund Binder ist Theatermensch durch und durch, wie er selbst sagt, ins Theater hineingeboren", stellte der Landrat den ersten Preisträger vor. Die Mutter, in Wuppertal-Elberfeld geboren, war selbst Schauspielerin und Regisseurin, der Vater Bühnenbildner - die beiden lernten sich bei einem gemeinsamen Theaterprojekt in Siebenbürgen kennen. "Binder beweist ein sicheres Gefühl für Aktualität in der Auswahl seiner Inszenierungen", kam Kausemann auf den Wahl-Oberberger zu sprechen, der 1945 in Schäßburg, Siebenbürgen, geboren wurde. So sei etwa das Stück "Popcorn" von Ben Elton, welches die Darstellung von Gewalt in den Medien und deren Auswirkungen auf Jugendliche thematisiert, wenige Wochen nach dem Amoklauf eines Schülers in Erfurt zur Aufführung gekommen. "Oder 1999, als das Thema Ausländerfeindlichkeit unter deutschen Jugendllichen vehement diskutiert wurde, inszenierte er "Madonna & Mike" von Bernhard Schärfl - ein Stück, das den Rechtsradikalismus unter jungen Leuten zum Thema hat."



[Der Wahl-Oberberger führt nicht nur Regie und bildet aus, sondern tritt auch selber auf, wie etwa hier als "Maronimann" in der Inszenierung "Die kleine Hexe".]

Binder war nach dem Schauspielstudium an der Hochschule für Theater und Filmkunst in Bukarest von 1970 bis '80 in verschiedenen Theatern Rumäniens und am Deutschen Theater in Berlin tätig, - und ließ sich gleichzeitig zum Theaterpädagogen fortbilden -, bevor er 1980 ein Berufsausübungsverbot erhielt und ihn die Bundesrepublik ausreiste. Er begann seine Karriere hier als Regieassistentin Bielefeld und war unter anderem über zehn Jahre als Darsteller und Schauspiellehrer am Kölner "Theater im Keller" aktiv.

1990 vereinte er neben seinem beruflichen Engagement bereits die verschiedenen Theatergruppen des Kreises für "Lysistrata" beim Ersten Oberbergischen Theaterfestival, '91 folgte die Gemeinsschaftsproduktion "Ein Sommernachtstraum" und '93 "Die Komödie der Irrungen" für das Zweite Oberbergische Theaterfestival. Seit 1993 widmet sich Binder auch beruflich ganz der Arbeit in der "Buckligen Welt" und leitet das von ihm gegründete Schau-Spiel-Studio Oberberg e.V. - das hat seit 1997 eine feste Spielstätte in der Aula der Grundschule Wiehl mit regelmäßig fünf bis sieben Inszenierungen und 100 Vorstellungen jährlich. Binder ist zudem als Schauspiellehrer sowie in der Kinder- und Jugendarbeit im Theater aktiv und besteht darauf, dass jedes Jahr ein Jugendtheaterstück kreisweit aufzuführen.

Binders Repertoire sei unerschöpflich, fuhr Kausemann fort. Es reiche von Heinrich von Kleists "Zerbrochenem Krug" über Samuel Beckets "Warten auf Godot" und Sophokles' "Antigone"bis hin zu Fassbinders "Die bitteren Tränen der Petra von Kant". Das nächste große Theaterprojekt werde Shakespeares großes Drama "Richard III.", eine große Herausforderung, denn das Stück verlange mehr als 30 Rollen. "Raimund Binders Überzeugung liegt darin, dass Theater nicht nur der Unterhaltung dient, sondern einen großen gesellschaftlichen Stellenwert besitzt und somit in politische Prozesse eingebunden werden muss." Kausemann gratulierte Binder und überreichte ihm unter lang anhaltendem Beifall den den ersten Kultur-Förderpreis sowie 1.500 €.



[Dirk "Adi" Adolphs freute sich über den Kultur-Förderpreis - das Geld will er gleich wieder in sein Steinmüller-Projekt investieren.]

Der zweite Preis wurde im Bereich Medienkunst an Dirk Adolphs aus Gummersbach verliehen, vielen besser bekannt als "Adi". Er wurde 1961 in der Kreisstadt geboren und entwickelte bereits in jungen Jahren eine passionierte Affinität zur Fotografie. Neben seiner Ausbildung zum Betriebsschlosser bei der ehemaligen Traditionsfirma Steinmüller widmete er sich immer intensiver dem Medium Foto. 1996 stieg er als freier Pressefotograf bei der "Oberbergischen Volkszeitung" ein und machte sein Hobby zum Beruf. Ohne lange zu zögern investierte er sein Vermögen in eine professionelle Ausrüstung und wurde Mitglied im Deutschen Journalistenverband (DJV). Neben regionalen Veranstaltungen machte er sich auch mit faszinierenden Bildern vom Nürburgring, etwa beim legendären 24 Stunden-Rennen, einen Namen.

Abgesehen von seiner journalistischen Tätigkeit - inzwischen war Adolphs freier Fotograf für Oberberg-Aktuell - entwickelte "Adi" aber auch seine eigenständige, künstlerische Note im Bereich der Fotografie. Aufgrund dieser interessanten Darstellungsweise bekam er 2001 von der Sparkasse der Homburgischen Gemeinden in Wiehl den Auftrag, die Bebilderung des Jubiläumskalenders zu erstellen, was er im Panoramaformat tat - eine weitere Investition für die Zukunft. Von da an gab er seine Tätigkeit als Bildjournalist auf und widmete sich mit Herzblut einem Hauptthema seiner künstlerischen Fotografie: der Dokumentation des Niedergangs der 1874 gegründeten Firma Steinmüller.



["Adi" bei der Arbeit in seinem Atelier mit ehemaligen Steinmüller-Arbeitern.]

Ende der 90-er Jahre bahnte sich das Ende des Kesselherstellers an, 2002 schon standen alle Hallen leer. In einer Vielzahl von großformatigen Schwarz-weiß-Fotografien unter dem titel "125 Jahre Steinmüller - fünf nach zwölf" hielt Adolphs die Relikte dieses Industriebetriebs fest. Er fotografierte die ehemaligen Arbeitsplätze und riesigen Produktionshallen im Herzen Gummersbachs und es reifte der Entschluss, dass es nicht nur bei den Bildern bleiben sollte. Er organisierte eine Ausstellung, besuchte ehemalige Werksangehörige, um sie zu porträtieren, meinst mit einem passenden Werkzeug ihrer alten Beschäftigung, und kam schließlich an ein Atelier auf dem Firmengelände heran. Dort fotografiert er heute nicht nur die Arbeiter, die bei Steinmüller beschäftigt waren, sondern sammelt alles, was mit dem Unternehmen zu tun hat.



[Binder und seine Schauspieltruppe gaben nach den auszeichnungen ordentliche Kostproben ihres Könnens.]

Mit einer 6x6-Rollei und der Panoramakamera mit dem Format 6x17 Zentimeter (!) hält er eindrückliche Momente fest, belichtet einzelne Bilder bis zu einer Stunde lang und ist mit einzelnen Fotos bis zu 14 Stunden beschäftigt, "da der fotografische Moment perfekt stimmen muss", wie Kausemann erläuterte. Eine beinah dreidimensionale, skulpturale Wirkung erzeugen die großformatigen Abzüge von bis zu einem mal drei Metern. "Dirk Adolphs ist Visionär und Einzelkämpfer", charaktisierte der Landrat "Adi" treffend, Für die Zukunft hofft er auf Sponsoren für einen Bildband mit den Steinmüller-Zeitdokumenten und will in seinem Atelier eine Begegnungsstätte für ehemalige Beschäftigte einrichten, "da wo er sie direkt ablichten und interviewen kann". Kausemann überreichte Adolphs den zweiten Kultur-Förderpreis und 1.000 €, bevor das Schau-Spiel-Studio Oberberg Kostproben von Raimund binders Können ablieferte und "Adi"s Bilder in der Orangerie bestaunt wurden.



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