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Da wurde sogar die Läuteordnung geändert: Geschichtsverein mit neuem Buch

lo; 6. Nov 2003, 12:29 Uhr
Oberberg Aktuell
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Da wurde sogar die Läuteordnung geändert: Geschichtsverein mit neuem Buch

lo; 6. Nov 2003, 12:29 Uhr
(lo/22.10.2003-18:35) Oberberg - Anlässlich der im Wiehler Ratssaal vorgenommenen Präsentation des Buches "Glocken und Geläute im Oberbergischen" ließen die evangelische und katholische Kirche eigens ihre Glocken erklingen.
[Bild: Björn Loos --- Mit Kreissuperintendent Jürgen Knabe und Kreisdechant Joseph Herweg waren auch die höchsten Kirchenvertreter vor Ort (1. u. 2.v.l.); sie begrüßten genauso wie Landrat Hans-Leo Kausemann (2.v.r.) den Buch-Mitautor Klaus Pampus.]

Vor vier Jahren begannen die Autoren Klaus Pampus und Siegried Hillenbach vom Bergischen Geschichtsverein in Zusammenarbeit mit weiteren 13 Mitgliedern des Arbeitskreises "Glocken und Orgeln" in Sachen oberbergische Glocken und Geläute zu recherchieren. Deren technische, baulichen und geschichtlichen Besonderheiten werden in dem Buch, dem zweiten Sonderband der "Beiträge zur oberbergischen Geschichte", detailliert unter die Lupe genommen.

"Ein in dieser Art in Nordrhein-Westfalen fast einzigartiges Werk", wie Jörg Poettgen vom Deutschen Glockenmuseum bestätigte. Poettgen war genauso wie andere Experten mit im Arbeitsprozess eingebunden. Am Ende wurden im Untersuchungsgebiet genau 410 Glocken ermittelt. Die meisten davon in Kirchen und Kapellen, einige aber auch in Gemeindezentren oder Profanbauten wie das Glockenspiel des Gummersbacher Rathaus.

Im umfangreichsten Teil des Buches werden die einzelnen Glocken vorgestellt. Dabei wird unter anderem genauer auf den jeweiligen Glockengießer, das Entstehungsdatum, die Klangfärbung oder die jeweils herrschende Läuteordnung, also in welcher Abfolge die Glocken betätigt werden, eingegangen.

Die älteste Glocke im Oberbergischen Kreis hängt in der evangelischen Kirche zu Müllenbach. Diese sogenannte Zuckerhutglocke stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist immer noch im Betrieb. Der oberbergische "Decker Pitter" ist die erste Glocke in der Wipperfürther Sankt Nikolauskirche (1973). Sie wiegt rund 2.300 Kilogramm und ist damit das schwerste Exemplar im Kreis. Allerdings nichts gegen den richtigen "Decker Pitter" (St. Peter-Glocke) im Kölner Dom, der etwa zehnmal mehr wiegt. Die größte mittelalterliche Glocke ist die in der Evangelischen Kirche in Wiehl (gegossen 1508) mit einem Gewicht von rund 1,5 Tonnen.

[Der Bildausschnitt zeigt den Hamburger "Glockenfriedhof", auf dem etwa 80.000 Glocken gelagert waren.]

Ausführlich wird in dem Buch auch auf die Situation im Ersten und Zweiten Weltkrieg eingegangen, als mehr als 50 Prozent aller einheimischen Glocken eingeschmolzen wurden. So brachte man 1941/42 113 oberbergische Glocken nach Hamburg, um sie dort als Rohmaterialreserve einzuschmelzen. Immerhin 22 schafften den Weg nach Kriegsende wieder zurück in die Region. Der ehemalige Schriftführer des Bergischen Geschichtsvereins, Fritz Rau, dokumentierte das Schicksal dieser Glocken in Schrift und Bild. 40 dieser Aufnahmen finden sich in dem Buch ebenfalls wieder.

"So ein Buch wird nur alle 400 Jahre gemacht", erklärte Autor Pampus, der sich bei dem Mitstreitern in der Arbeitsgruppe bedankte. Über vier Jahre waren sie vor Ort und haben so ziemlich jeden Kirchturm in Oberberg von innen kennengelernt. Um genau zu sein waren es 140. Dass es bei aller Automatisierung durchaus noch alte, handwerkliche Gebräuche gibt, verdeutlichen das "Kleppen" und das "Beiern". In Eckenhagen und noch einigen anderen Kirchen wird bei Todesfällen der Klöppel vom Küster per Hand an die Innenwand der Glocke geschlagen ("kleppen"): Beim "Beiern" werden Dreier- oder Vierergeläute beispielsweise per Seilzug so angeschlagen, dass eine Melodie entsteht. Angewendet wird diese Kunst aber nur noch in acht oberbergischen Kirchen.

Landrat Hans-Leo Kausemann lobte: "Das Buch ist wie aus einem Guss, eine wahre Fundgrube." Die Arbeit, die in diesem Werk stecke, sei kaum zu erahnen. Das 456 Seiten umfassende Buch "Glocken und Geläute im Oberbergischen" ist in einer Auflage von 1.000 Stück im Martina-Galunder-Verlag, 51588 Nümbrecht-Elsenroth (ISBN 3-89909-020-9) erschienen und für 36 € im Buchhandel erhältlich.

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