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"Bilder wie 1945" - Gemeinde ehrte Helfer der Flutkatastrophe

om; 7. Nov 2002, 22:04 Uhr
Oberberg Aktuell
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"Bilder wie 1945" - Gemeinde ehrte Helfer der Flutkatastrophe

om; 7. Nov 2002, 22:04 Uhr
(om/7.11.2002-22:00) Reichshof - "Für mich hat diese Ausnahmesituation gezeigt, dass sich trotz aller gesellschaftlichen Veränderungen Ost und West im Notstand aufeinander verlassen können", erklärte Bürgermeister Gregor Rolland bei der Auszeichnung der Helfer bei der Flutkatastrophe im Ratssaal.

[Bild: Mengedoht --- Im Ratssaal wurden alle Helfer aus dem Gemeindegebiet geehrt, die die Verwaltung gefunden hatte.]



"Fünf Minuten Helfen sind besser als zehn Minuten Mitleid", zitierte der Bürgermeister Albert Schweitzer. Mitleid sei genug gezeigt worden, viel wichtiger sei die tatsäöchlich geleistete Hilfe. Und darum dankte er im Namen der ganzen Gemeinde allen, die mit Geld- oder Sachspenden oder auch aktiv bei der Bewältigung der Flutkatastrophe in Ostdeutschland geholfen hatten, mit einer Urkunde und der Veranstaltung im Ratssaal.



"Wir haben viele authentische Berichte und Bilder in den Medien gesehen, aber ich glaube, die Helfer vor Ort haben noch ganz andere Eindrücke vom Leid und den Schäden bekommen", erläuterte Rolland. Beeindruckend fand er das Verhalten seines Rathausmitarbeiters Bernd Laskowski, der spontan um eine Woche Urlaub bat, um mit seinem Freund Jochen Weigel in den Osten zu fahren und unmittelbar nach der Flutwelle Direkthilfe vor Ort zu leisten. Aber auch die Feuerwehr und zahlreiche Vereine hatten auf verschiedene Weise die Ostdeutschen unterstützt.



Die Freiwillige Feuerwehr Reichshof mit Gemeindebrandmeister Hans-Uwe Koch, seinem Stellvertreter Gerd Prinz und sieben Kameraden waren vom 29. August bis zum 3. September in Grimma und Altenberg und leisteten technische Hilfe. Zudem brachte die Wehrführung mit Koch, Prinz und Dietmar Lange das Geld einer Sammlung nach Grimma. Die 7.500 € übergaben sie den Eltern eines Kameraden aus der Einheit Nosbach, deren Haus schwer in Mitleidenschaft gezogen worden war.



Die Dorfgemeinschaft Alpe hatte während des Erntefestes gesammelt und Bargeld nach Schmilka nahe der tschechischen Grenze überbracht. Der Ort ist ähnlich klein wie Alpe und wurde die ersten drei Tage nach der Flutwelle glatt vergessen - Hilfe gab es hier bis dahin nicht. Koordiniert hatte die Aktion Jutta Meyer, die 1.400 € hatten Hans-Willi Braun und Siegfried Schumacher überbracht.



Die Dorfgemeinschaft Oberagger mit Ricarda Borchert als Initiatorin hatte zusammen mit dem Frauenchor Frohsinn Steinaggertal, dem MGV Liederkranz Mittelagger, der Dorfgemeinschaft Allenbach und der Interessengemeinschaft Mittelagger ins Dorfhaus eingeladen, um gemeinsam für die Flutopfer zu trinken und zu essen. Alle Vereine hatten sich die Kosten geteilt, so dass der Umsatz des Abends ein Reinerlös war und die Alper 2.000 € nach Schmilka brachten.



Die Kirchengemeinde sammelte mit der Firma Schneider Mobiliar und Elektrogüter. Guido Winkler von der Kirchengemeinde holte die Hilfsgüter bei den Spendern ab und lagerte sie fachgerecht, bis sie mit einem Lastwagen der Firma Schneider - die zusätzlich sechs Paletten Dichtungsmaterial spendete - vom Angestellten Thomas Wallowsky und Pfarrer Achenbach nach Döbeln gebracht werden konnten. Auch 4.000 € wurden dort übergeben, Schneider-Mitarbeiterin Liane Faßbender organisierte mit.



René, Christopher, Patrick und Pascal mit den Betreuern Andreas Hauser und Christian Schubert vom St. Josefshaus Eckenhagen halfen eine Woche lang dem Rentner-Ehepaar Holubek in Bennewitz.



"Diese Aktion werden wir unser Leben lang nicht vergessen!"



Gemeindebrandmeister Koch und Rathausmitarbeiter Laskowski schilderten während eines Fotovortrags ihre Erlebnisse im Osten, bewegten mit ihren ganz persönlichen Erfharungen. "Bilder wie 1945 nach dem Krieg, das kann sich niemand vorstellen", erinnerte sich Koch an den Besuch in Grimma, wo die gesamte Innenstadt bis zur ersten Etage unter Wasser gestanden hatte. "Selbst TV-Bilder können nicht zeigen, was die Menschen dort erlebt haben."



Koch erklärte auch, dass die Feuerwehr nicht "einfach so losfahren" könne, sondern auf eine konkrete Anforderung warten müssen. Die sei erst gekommen, nachdem der im Raum Altenberg tätige Aggerverband Kontakte zu den örtlichen Gemeindeverwaltungen hergestellt habe. Nachdem das Telefon tagelang nicht stillgestanden habe und "die Kollegen mich gedrängt haben, irgendetwas zu tun", so Koch, sei dann endlich ein oberbergischer Feuerwehrverband gestartet und habe Aufbauhilfe geleistet; Behelfsbrücken gebaut oder Schutt entfernt etwa. "Diese Aktion werden wir unser Leben lang nicht vergessen!"



Auch Bernd Laskowski berichtete mit bewegenden Worten von seiner persönlichen Hilfsaktion mit einem Freund. In Dresden schienen den beiden genug Hilfskräfte vorhanden zu sein, also ging es weiter nach Wesenstein - "es herrschte ien kriegsähnlicher Zustand", bestätigte er die Erlebnisse anderer. In einem kleinen Ort habe es eine ganze Woche lang nicht einmal Notstrom gegeben, die meisten Menschen hätten alles verloren. Alles, was der stinkende Schlamm und das verseuchte Wasser bedeckt hätten, sei nicht mehr zu gebrauchen, "wirklich nichts davon", betonte Laskowski eindrücklich. In Meißen habe er etwas besonders tragisches sehen müssen: eine gerade neueröffnete Firma mit zehn Auszubildenden, die jetzt arbeitslos sind. "Wir haben sicher keinen Wahnsinnsbeitrag leisten können, aber die Betroffenen haben sich sehr gefreut."

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