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Entfesselter VfL versetzt Arena in Ekstase

bv; 31. Oct 2015, 22:55 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung --- Befreiender Jubel nach Wochen der Tristesse - Der VfL zeigte gegen Göppingen, dass der Wille Berge versetzen kann.
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Entfesselter VfL versetzt Arena in Ekstase

bv; 31. Oct 2015, 22:55 Uhr
Gummersbach - Hochverdientes 31:27 gegen Göppingen - Kühn verlängert bis 2018 - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum', AggerEnergie und die Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
Von Bernd Vorländer

VfL Gummersbach - FRISCH AUF Göppingen 31:27 (14:11).

Was war denn da los? Professionelle Beobachter wie VfL-Fans fragten sich nach den womöglich 60 besten Minuten in dieser Saison, welche Medizin VfL-Trainer Emir Kurtagic seinen Spielern eingeträufelt hatte? Waren die blau-weißen Werfer in den berühmten Obelix-Zaubertrank des Druiden gefallen oder gab es sonst ein Geheimnis? Nichts von alledem - Kurtagic hatten den Seinen einfach klargemacht, dass an diesem Samstag trotz aller Widrigkeiten Schulter an Schulter gekämpft werden müsse, und zwar um jeden Meter Boden. Und die Mannschaft setzte diese Vorgabe vollständig um.


[Glänzte heute als Spielgestalter und Torschütze: Simon Ernst.]

Da brannte von der ersten Sekunde an ein Feuer, das man nach der desaströsen Pokalpleite gegen Flensburg nicht für möglich gehalten hätte. Aber der gesamte Abend hatte etwas Magisches. Auch die Zuschauer - es waren über 3.400 - waren von Beginn an derart enthusiastisch, als hätte es den vergangenen Mittwoch gar nicht gegeben. So entwickelte sich ein Heimauftritt, der einen ebenso überraschenden wie verdienten Sieger fand.

Es ging gleich gut los für den VfL. Lichtlein war direkt bei zwei Bällen der Gäste auf dem Posten und Mark Bult versenkte die ersten beiden Versuche im Tor der Grün-Weißen. Der VfL-Express, der mit Christoph Schindler, Evgeni Pvenov, Alexander Becker, Gunnar Stein Jonsson und Christian Zufelde auf fünf Stammspieler verzichten musste, nahm beim 5:1 so richtig Fahrt auf. Raul Santos, dessen erstmaliges Mitwirken nach seiner Knieverletzung dem VfL sehr gut tat, markierte in Unterzahl das 7:3 und Lichtlein war wieder in seinem Element, als er nacheinander gegen Lobedank und Kristensen parierte. Auf Gummersbacher Seite trieb Simon Ernst seine Mannschaft immer wieder an. Mit welcher Selbstverständlichkeit der junge Nationalspieler das Spiel der Gastgeber prägte und zugleich jede Möglichkeit nutzte, Lücken in der löchrigen Gästedeckung zu nutzen, verdiente hohen Respekt.

Überhaupt Göppingen. Hochgelobt vor dem Spiel zeigte das Team aus Baden-Württemberg eine ziemlich enttäuschende Vorstellung. Pomadig und teilweise wie gelähmt kam aus dem Rückraum wenig, von Außen so gut wie gar nichts. Zudem konnten beide Göppinger Keeper den VfL-Schlussleuten nicht das Wasser reichen. Der VfL, der mit Max Jaeger und Sebastian Schöneseiffen aus der A-Jugend, Alexander Arnold aus der Drittliga-Mannschaft und dem an Zweitligist Ferndorf ausgeliehenen Andreas Heyme antrat, war jedoch motiviert bis in die Haarspitzen, zog bis zur 21. Minute auf 12:7 davon. Die Fans peitschten ihr Team immer weiter nach vorne. Lediglich zum Ende der ersten Hälfte konnten die Gäste gegenhalten und das Ergebnis verkürzen.


[Julius Kühn zeigte nach seiner Vertragsverlängerung das beste Spiel seit Monaten und war mit acht Toren erfolgreichster VfL-Torschütze.]

Nach dem Wechsel zunächst dasselbe Bild wie in den ersten 30 Minuten. Der VfL Gummersbach führte nach 37 Minuten 18:14, ehe erstmals im Spiel der Faden etwas riss, ohne dass man schlecht spielte. Göppingen kam jetzt heran und erzielte sogar das 19:19 (43.). Mancher glaubte, dass der VfL jetzt möglicherweise seinem kräftezehrenden Spiel Tribut zahlen würde. Doch weit gefehlt. Wieder war es der heute starke Mark Bult, der gemeinsam mit Julius Kühn die Blau-Weißen beim 22:19 auf die Siegerstraße führten. Beide wurfgewaltigen Akteure auf den Halbpositionen hatten einen Sahnetag erwischt und schnitten oft in die Göppinger "Deckung" wie das heiße Messer in die Butter. Als Andreas Schröder vier Minuten vor dem Ende per phantastischem Rückhandwurf vom Kreis zum 29:25 einnetzte und Rechtsaußen Tobias Schröter das 30:25 folgen ließ, stand die Halle kopf.


Nach dem 31:27 brach es aus den Spielern heraus, man feierte mit den verletzten Akteuren und der ganzen Halle, als sei gerade ein Europapokalplatz erreicht worden. Zentnerlasten fielen von den Verantwortlichen ab, der VfL hatte nach dem vergangenen Mittwoch eine bemerkenswerte Reaktion gezeigt. Trainer Kurtagic bat für die zurückliegenden Wochen um Verständnis für seine Akteure. "Wir hatten ein Jahr Sonnenschein. Junge Spieler wie Simon Ernst und Julius Kühn müssen erst einmal lernen, mit so einer Situation umzugehen. Heute haben sie dieses Lernergebnis eindrucksvoll gezeigt." Die Zuschauer jedenfalls waren begeistert und sangen "Oh, wie ist das schön."

Emir Kurtagic (Trainer VfL Gummersbach): Natürlich war dies ein sehr wichtiges Spiel und ich wusste bereits nach wenigen Minuten, dass wir eine gute Leistung abliefern würden. Die Körpersprache war eindeutig. Ich habe nach dem Flensburg-Spiel den Jungs zwei schöne Tage beschert. Sie sollten einfach mal den Kopf frei bekommen. Wir haben 60 Minuten an den Sieg geglaubt. Ich bin froh, dass die Negativ-Serie jetzt vorbei ist. Riesenkompliment an die Fans: Das war vom ersten Augenblick an Gänsehautstimmung."



[Die VfL-Fans waren ob des Spiels ihrer Mannschaft völlig aus dem Häuschen.]

Magnus Andersson (Trainer Göppingen): "Ich bin unglaublich enttäuscht über unsere Leistung. Wir haben das ganze Spiel verschlafen und waren von Beginn an nicht richtig da. In der Abwehr hatten wir viele Probleme und zu allem Überfluss hat sich Torwart Bastian Rutschmann auch noch den Daumen ausgekugelt. Insgesamt ein verdienter Sieg für den VfL."

Frank Flatten (Manager VfL Gummersbach: "Das war in drei Tagen ein Wechselbad der Gefühle. Was wir mit unserer Mannschaft heute geleistet haben, was sensationell. Und besonders freue ich mich, dass wir den Vertrag mit Julius Kühn bis 2018 verlängern konnten."

VfL Gummersbach

Carsten Lichtlein (1.-43.)
Matthias Puhle (44.-60.)

Julius Kühn (8)
Mark Bult (6)
Simon Ernst (6)
Raul Santos (6/2)
Andreas Schröder (2)
Tobias Schröter (2)
Andreas Heyme (1)
Florian von Gruchalla
Magnus Persson
Sebastian Schöneseiffen
Alexander Arnold
Maximilian Jaeger



FRISCH AUF Göppingen
Zarko Sesum (5)
Daniel Fontaine (4)
Niclas Barud (4)
Michael Kraus (4/2)
Marcel Schiller (3/2)
Tim Kneule (2)
Manuel Späth (2)
Felix Lobedank (2)
Anton Halen (1)

Zuschauer: 3.456

Schiedsrichter: Matthias Brauer/Kay Holm

Siebenmeter: 2/7 – 2/4 (Kraus scheitert an Puhle, Schiller zweimal am Tor vorbei)

Zeitstrafen: 12:6 Minuten (Heyme (2), Kühn, Arnold, Schröder, Santos – Barud, Sesum, Kristensen)

Beste Spieler: Kühn, Ernst, Bult - keiner

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