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VfL Gummersbach: 26:26 - Yoon und Co bringen sich um den Lohn der guten Arbeit

pl; 7. Oct 2001, 00:21 Uhr
Oberberg Aktuell
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VfL Gummersbach: 26:26 - Yoon und Co bringen sich um den Lohn der guten Arbeit

pl; 7. Oct 2001, 00:21 Uhr
(pl/6.10.2001-23:50) Von Peter Lenz
Gummersbach - Am heutigen Abend verschenkte der VfL Gummersbach gegen die SG Willstätt/Schutterwald nach einer dramatischen Schlussphase einen sicher geglaubten Punkt.

[Bilder: Oliver Mengedoht --- Fassungslos: Hyun-Ho Choi (linkes Bild) sowie Torwart Egon Graf und der verletzte Maik Handschke können kaum glauben, wie sie einen Drei-Tore Vorsprung in nur 90 Sekunden verspielen konnten.]



VfL Gummersbach - SG Willstätt/Schutterwald 26:26 (11:12).



Unglaublich, aber wahr: Der VfL Gummersbach brachte heute das Kunststück fertig, in den letzten 90 Sekunden einer sehenswerten Partie einen Drei-Tore-Vorsprung zu verspielen und sich damit um den durchaus verdienten Lohn ihrer guten Arbeit zu bringen.

[Thomas Happe war unmittelbar nach dem Abpiff "etwas" in Rage.]



Die Hallenuhr zeigte noch genau 3:16 Minuten Spielzeit an, als Hyun-Ho Choi mit seinem ersten und einzigen Tor das 26:23 für die Oberberger markierte. Die Sache schien gelaufen, und der VfL nach einem guten Arbeitstag seinen zweiten Saisonsieg in der Tasche zu haben. Weit gefehlt, denn was sich die Herren Yoon und Co. in der Folgezeit noch leisteten, spottet jeder Beschreibung: Nach einem Heber vom Ex-Gummersbacher Holger Löhr über den Kasten von Jan Stankiewicz und einem vergebenen Siebenmeter von Branko Kokir, der den Ball dem VfL-Keeper geradezu in die Arme warf, hatte wirklich niemand in der Halle mehr an einem Gummersbacher Sieg gezweifelt. Schutterwald war praktisch tod. Zumal die Spielzeit dann nur noch 110 Sekunden betrug.

["Nick" Yoon zeigte endlich wieder einmal ein gutes Spiel - mit Ausnahme natürlich von seinem Blackout in der letzten Minute.]



Alexander Bommes, Hyun-Ho Choi und Kyung-Shin Yoon, die allesamt zuvor ein gutes Spiel gemacht hatten, sollten die nur 450 Zuschauer in der Eugen-Haas-Sporthalle aber eines besseren belehren. Nach einem Dreher (!) von Linksaußen Bommes, den der gut aufgelegte SG-Schlussmann Christoph Schneider (15 Paraden) mühelos parieren konnte, sorgte der Ex-Gummersbacher Bernd Kroner 55 Sekunden vor Ultimo für den 24:26-Anschlusstreffer. Okay, die Aktion vom jungen Alexander Bommes kann man ja noch entschuldigen, aber dass der Koreaner Choi 30 Sekunden vor dem Abpfiff völlig überhastet einen Aufsetzter an den Querbalken setzte, kann man unmöglich durchgehen lassen. Gummersbach hätte nur den Ball ruhig laufen lassen sollen, und die Kuh wäre vom Eis gewesen.



Aber es kam noch besser: Nach dem 25:26 durch Stig Rasch 20 Sekunden vor dem Abpfiff hatte der VfL alle Zeit der Welt, im wahrsten Sinne des Wortes eine ruhige Kugel zu schieben - man führte ja noch mit einem Tor! Doch was macht der erfahrene "Nick" Yoon? Er schnappt sich den Ball, und bei dem Versuch, sein neuntes Tor zu erzielen, scheitert er kläglich am SG-Schlussmann. Nach einem langen Pass auf Holger Löhr versetzt dieser seinem Ex-Arbeitgeber den Todesstoß - 26:26, die Partie war gelaufen.

[Ex-Gummersbach Holger Löhr (linkes Bild) und Stig Rasch (M.) vesetzten dem VfL in den Schlussekunden den Todesstoß; Branko Kokin (rechts) traf gegen Gummersbach fünfmal.]



"Sowas habe ich in meinen vielen Bundesliga-Jahren noch nie erlebt", ein wutentbrannter VfL-Coach Thomas Happe war fassungslos. Natürlich völlig zu recht! Wohlgemerkt hatte Gummersbach binnen 90 Sekunden einen sicheren Vorsprung von drei Toren verspielt - unglaublich.

[Alex Bommes scheitert kurz vor Schluss mit einem Dreher zwar am Gäste-Keeper Christoph Schneider, machte aber dennoch sein bestes Spiel im Gummersbacher Trikot.]



Zum Spielverlauf: Coach Happe hatte nach der mehr als peinlichen Vorstellung am Mittwoch gegen Göppingen Konsequenzen gezogen und die Mannschaft umgestellt. Mit Bommes auf Linksaußen, Choi auf Halblinks, Yoon als Spielmacher, Brajkovic auf Halbrechts und Kurtagic als zweiter Flügelspieler begann Gummersbach zwar nicht überragend, aber immerhin besser als am Mittwoch, was auch sicherlich nicht schwer fiel. Jörn Ilper agierte für den verletzten Maik Handschke (muskuläre Probleme am überlasteten Knie) am Kreis.



Dennoch erwischten die Gäste den besseren Start und lagen nach neun Minuten mit 5:2 in Front. In Unterzahl schaffte zwar Umberto Brajkovic den 5:6-Anschlusstreffer (13.), aber bis zur 24. Minute setzten sich die Gäste wieder auf 12:8 ab. Eine Auszeit von Thomas Happe zeigte Wirkung: Bis zur Pause hatte sich Gummersbach durch Treffer von Brajkovic und Yoon (2) wieder ins Spiel gebracht (11:12). Maßgeblichen Anteil hierbei hatte auch VfL-Schlussmann Egon Graf, der in seinem dreiminütigem Einsatz im ersten Durchgang - ab der 27. Minute für den bis dato glücklosen Stankiewicz zwischen die Pfosten gekommen - zwei Paraden gegen Holger Löhr und Stig Rasch zeigte.

["Django" Choi hatte alle Zeit der Welt, zog aber völlig überhastet ab und brachte damit Sekunden vor Schluss Schutterwald wieder ins Spiel.]



Nachdem nach dem Wiederanpfiff zunächst Schutterwalds Kokir und Tiedke erneut in Graf ihren Meister fanden, war es Yoon vorbehalten, den Ausgleich zum 12:12 zu markieren. Bommes und erneut Yoon legten sogar auf 14:12 vor, doch nach 38 Minuten hatte die SG wieder ausgeglichen (15:15). Gummersbach aber blieb am Drücker, und beim 19:16 durch Yoon in doppelter Unterzahl (42.) glaubte man erstmals ernsthaft an einen Gummersbacher Erfolg. Ein vergebener Strafwurf vom Koreaner und zwei vergeigte Tempogegenstöße des Schweden Umberto Brajkovic jedoch brachte Schutterwald erneut ins Spiel (48. 20:20). Bommes per Siebener, Ilper, zweimal Brajkovic, wieder Bommes (diesmal per Tempogegenstoß-Tor) und Choi sorgten eigentlich für klare Verhältnisse - aber auch nur eigentlich. Der Rest ist bekannt.

[Bob Hanning (r.) konnte sich am Ende beim VfL für den glücklichen Auswärtspunkt bedanken.]



Mit nunmehr 3:9 Punkten verbleiben die Gummersbacher natürlich im Tabellenkeller. Aber eins sollte heute jedem in der Halle klar geworden zu sein: Ein Thomas Happe als Trainer des VfL Gummersbach darf derzeit nicht zur Diskussion stehen. Hat er es doch geschafft, binnen zwei Tagen seine völlig demotivierten Spieler derart aufzubauen, heute zumindest in der zweiten Halbzeit eine tolle kämpferische und in Ansätzen auch spielerisch gute Leistung zu zeigen - mal abgesehen vom totalen Blackout einiger Akteure in den letzten Minuten. Aber dafür kann der Trainer nun wirklich nichts! Gefordert ist der Übungsleiter nun in erster Linie als Psychologe, denn nach einer insgesamt ansprechenden Leistung doch noch eine Schlappe einzustecken, das steckt man als Spieler nicht so ohne weiteres weg. Und schon gar nicht angesichts der mehr als angespannten Tabellensituation.



Trainerstimmen:



Bob Hanning (Schutterwald): "Das war ein Spiel mit vielen Höhen und Tiefen, aus dem wir zwar glücklich, aber angesichts unserer kämpferischen Leistung nicht unverdient einen Punkt eingefahren haben."



Thomas Happe: "Worüber soll ich nach solch einem Spiel noch sprechen? Wir haben insgesamt eine große kämpferische Leistung gezeigt und auch spielerisch endlich mal wieder überzeugen können. Wie man aber binnen 60 Sekunden drei Tore kassieren kann, wobei man selbst dreimal in Ballbesitz ist, ist mir unbegreiflich. Dennoch, die Mannschaft hat sich hervorragend geschlagen, und wir müssen nun nach vorne blicken. Es kann nur besser werden."

[Ratlosigkeit in den Gesichtern nach dem Abpfiff.]



VfL Gummersbach:



Jan Stankiewicz (1.-26.; 48.-60.)

Egon Graf (27.-47.)



Kyung-Shin Yoon (8/1)

Hyun-Ho Choi (1)

Tobias Schröder (1)

Oliver Plohmann

Jörn Ilper (3)

Marco Beers

Umberto Brajkovic (5)

Francois-Xavier Houlet

Alexander Bommes (6/1)

Sead Kurtagic (2)



SG Willstätt/Schutterwald:



Christoph Schneider (15 Paraden)

Vlado Sola

Marcus Lindblad

Sebastian Aschenbroich

Matthias Aschenbroich

Daniel Kempf (1)

Timm Bauer (2)

Jens Tiedke (4)

Branko Kokir (5/2)

Bernd Kroner (3)

Stig Rasch (6/1)

Holger Löhr (5)

Oliver Quarti



Schiedsrichter: Jutta Ehrmann und Susanne Künzig.



Zuschauer: 450.



Siebenmeter: 3:4 - 2:3 (Yoon scheitert an Schneider; Kokir scheitert an Stankiewicz).



Zeitstrafen: 12:4 Minuten (zweimal Ilper, Beers, Houlet, Plohmann, Choi - zweimal Kokir).



Beste Spieler: VfL: Alexander Bommes - Schutterwald: Christoph Schneider.



Ergebnisse und Tabelle

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