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Reaktivierung des Steinmüllergeländes ein komplexes Thema

sl; 4. Sep 2001, 21:24 Uhr
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Reaktivierung des Steinmüllergeländes ein komplexes Thema

sl; 4. Sep 2001, 21:24 Uhr
(sl/4.9.2001-18:35) Von Simone Liebelt
Gummersbach - Die Stadt hat Gutachter beauftragt, zu untersuchen, inwieweit der ehemalige Steinmüller-Komplex nutzbar ist: Die Kosten belaufen sich bis jetzt auf rund eine Million Mark.

[Bilder: Oliver Mengedoht --- Wie kann das Steinmüller-Gelände (vorne) am besten an die Innenstadt angebunden und genutzt werden?]



Das Steinmüllergelände hat eine Fläche von rund 15 Hektar und ist damit größer als die Gummersbacher Innenstadt. "Wir wollen keine zweite Innenstadt", erklärte Gunter Hübner, Pressesprecher der Stadt Gummersbach. Alles müsse genau geplant werden, schließlich wolle die Stadt nichts "über dem Knie" zerbrechen. Es müsse versucht werden verschiedene Interessen unter einen Hut zu bringen. Und das sind viele: Muss doch mit Babcock, der Deutschen Bahn AG und anderen Beteiligten gesprochen werden.



"Es wird etwas getan."



Zur Zeit müssen viele Fragen beantwortet werden. Gutachter untersuchen das Gelände auf Nutzungsmöglichkeiten, die Stadt versucht Fördermittel zu erhalten und die Bürger fragen sich, warum nichts passiert. "Das fragen sich die Bürger wirklich. Immerhin ist Steinmüller schon seit zwei Jahren nicht mehr da", so Hübner. "Aber es ist ein sehr komplexe Thema, bei dem sehr viel beachtet werden muss." Mit der heutigen Vorstellung der aktuellen Situation wolle die Stadt den Bürgern zeigen, was sie schon getan habe - zuletzt hatte ein solches Pressegespräch zu diesem Thema im März letzten Jahres stattgefunden (wir berichteten). Hübner: "Leider sind das alles Dinge, die der Bürger von außen nicht sieht."



Bahnhof und Steinmüllergelände als Einheit sehen

[Steinmüller: Einst der größte Arbeitgeber im Oberbergischen, heute nur noch eine Industriebrache.]



Mit dem Anfang 2000 begonnenen "Moderativen Werkstattverfahren" sind erste Aussagen und Alternativen hinsichtlich des Steinmüllergeländes und des Bahnhofsumfeldes formuliert und diskutiert worden. Es wurde deutlich, dass beide Standorte aufgrund ihrer unmittelbaren Nachbarschaft im Rahmen der zukünftig zu konkretisierenden planerischen Auseinandersetzungen als Einheit zu betrachten sind.



Die Firma Babcock hat als Grundstückseigentümerin die WestLB-Tochter ICM mit einer Studie zur Markt- und Standortsentwicklung beauftragt. Dabei spielt der EInzelhandel als Zukunftsziel eine große Rolle. Einzelheiten der Studie sind der Stadt aber nicht bekannt. Im Auftrag des Oberbergischen Kreises erarbeitet das Büro Junker und Kruse zur Zeit ein regionales Einzelhandelskonzept. Darüber hinaus ist das Büro beauftragt, in Varianten ergänzende Aussagen über die Verträglichkeit von zusätzlichen Einzelhandelsnutzungen sowie die Möglichkeit einer Querung der Bahntrasse zu erarbeiten. "Da die Bahnlinie Gummersbach-Brügge reaktiviert werden soll, können wir die Schienen nicht einfach rausreißen", erklärte Hübner. Es müsse aber eine Verbindung zwischen Innenstadt und Steinmüllergelände geben. "Ansonsten ist ein Teil über kurz oder lang tot."



Büros, Freizeit, Dienstleistung und Einzelhandel



Ein wichtiges Gutachten ist das LEG-Gutachten. 1999 hat die Stadt mit finanzieller Unterstützung durch die Landesregierung die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) mit der Erstellung einer technisch-städtebaulichen Bestandsaufnahme beauftragt. Auch sollten die Nutzungs- und Verwertungspotenziale ermittelt werden. Die Ergebnisse wurden noch vor den Sommerferien vorgelegt. Das Gutachten ergab, dass das bestehende Planungsrecht stark mit der industriellen Nutzung abgestimmt ist. Daher sei für das Umsetzten neuer Nutzungen, auch in Teilbereichen eine Neuaufstellung eines Bebauungsplanes erforderlich.

[Ungenutze Werkshallen und eine nicht mehr zeitgemäße und verbrauchte Infrastruktur sind das Problem für die Stadt.]



Nach Ansicht der LEG lasse sich das Gebiet wie folgt einteilen: Im nördlichen Teil könnten Büronutzungen und nicht störendes Gewerbe entstehen. Der zentrale Bereich lasse sich gut für Freizeit, Dienstleistungen und Einzelhandel nutzen. Für letzters müsse es aber eine Anbindung an die Innenstadt geben. Im südlichen Bereich könnte über eine mögliche Wohnnutzung nachgedacht werden. Dies sei eine Mischnutzung, die für eine innerstädtische Entwicklung angedacht sei. Auch hier ist Vorraussetzung, dass der zentrale Bereich an die Innenstadt angebunden wird.



Schiefer Turm von Pisa in Gummersbach?



Eine industriehistorische Grobrecherche ergab, dass im Laufe der 125-jährigen Firmenentwicklung weite Teile des Gelämdes zum räumlichen Wachstum aufgeschüttet worden seien. Insbesonders ältere Ablagerungen trügen ein erhebliches Unsicherheitspotential in sich. Hübner: "Es könnte sein, dass sich unter den Stoffen, die zur Aufschüttung genutzt wurden, Altmüll befindet." Auch sei nicht klar, ob der Untergrund Gebäude tragen könnte. "Nachher haben wir dort ein Gebäude, das aussieht wie der schiefe Turm von Pisa", gab Hübner zu bedenken.



Auch das innere Verkehrserschließungssystem sei nicht für die Überführung in ein öffentliches System geeignet. Laut LEG ist hier eine komplette Neuerstellung nötig. Die Abwassersituation wurde nur zumTeil untersucht, aber es bestünde ein ein erheblicher Sanierungsstau. Die sonstigen Versorgungssysteme sind in einer zentralen Struktur organisiert. Für eine Neunutzung seien aber Sanierungs- beziehungsweise Neubaumaßnahmen erforderlich.

[Deutlich zu sehen: Der Steinmüller-Komplex in der rechten Bildhälfte ist tatsächlich genauso groß wie die Gummersbacher Innenstadt.]



Die LEG kommt zu dem Schluss, dass eine rentierliche Entwicklung des ehemaligen Steinmüllergeländes mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht möglich ist. Aus Sicht der Stadt seien die in diesem Gutachten dargestellten Nutzungsoptionen im Einzelhandel äußerst kritisch zu hinterfragen. Die Empfehlungen resultierten aus einer Betrachtung der "Marktgängigkeit". Dieses und die anderen Gutachten haben die Stadt bis jetzt rund eine Millionen Mark gekostet. "Da sind aber noch die Kosten enthalten, die in den nächsten Monaten auf uns zu kommen", erklärte Hübner.



Aus allen Betrachtungsweisen könne abgeleitet werden, dass sich hier für die Stadt Gummersbach die einmalige Chance eröffne, in unmittelbarer Nachbarschaft zur gewachsenen Innenstadt eine nachhaltige und zukunftsorientierte Stadtentwicklung zu vollziehen.



Aktuelle Handelsfelder der Stadt



Rat und Verwaltung haben ihre Absicht dokumentiert, im weiteren Entwicklungsprozess zur Reaktivierung der Flächen eine aktive/gestaltende Position einnehmen zu wollen. Die Ergebnisse des moderativen Werkstattverfahrens zum Bahnhof Gummersbach sollen, soweit möglich, in die weiteren Überlegungen mit einbezogen werden.



Gegenüber der Firma Babcock und potenziellen Projektentwicklern und Investoren werden die beschäftigungs- und stadtentwicklungspolitischen Zeilvorstellungen der Stadt deutlich herausgestellt. Jedoch werden von der Stadt Gummersbach konsensuale Lösungen mit der Grundstückseigentümerin und potenziellen Investoren angestrebt. Die Stadt schließt eine Mischnutzungsstrukutur in den beiden Bereichen Bahnhof und Steinmüllergelände aber nicht aus. Insbesondere werde großen Wert auf die Scahffung neuer Arbeitsplätze gelegt. Im Hinblick auf den neuen Einzelhandel müssten die Effekte auf die Innenstadt gründlich überprüft werden und eine Abwägung der Chancen und Risiken erfolgen.

[Im März 2000 hatten Kämmerer Dr. Klaus Blau (l.) und Baudezernent Ulrich Stücker erstmals die Gedankenspiele zum Steinmüller-Gelände der Öffentlichkeit vorgestellt.]



Die Komplexität der anstehenden Entscheidungen kann am Beispiel des Einzelhandels verdeutlicht werden. Unter anderem müssen folgende Aspekte mitbedacht werden: die Aussage des in Arbeit befindlichen Einzelhandelsgutachtens für den oberbergischen Kreis; die kritische Bestanfsaufnahme der Situation des innerstädtischen Einzelhandels; die Bewertung der Expertenempfehlungen aus dem LEG-Gutachten und weiteren Untersuchungen sowie die Entwicklung und Zuweisung einer neuen stadtentwicklungsploitischen Rolle für den bisherigen "dritten Pol Bismarckplatz".



Noch sechs bis acht Monate werden benötigt.



Bezogen auf die Bahnflächen in Gummersbach haben Stadt und Land ausdrücklich die Entwicklung der unmittelbar angrenzenden Flächen des Steinmüllergeländes im Blick. In die anstehenden Gespräche zwischen Stadt und Bahn soll daher auch die Firma Babcock mit einbezogen werden. Aus Sicht der Stadt ist die Problematik der Nutzung im Bahnhofsbereich eng mit der Frage nach der Reaktivierung der Strecke Gummersbach-Brügge und damit die Anbindung an das Eisenbahnnetz in Richtung Norden und Osten verbunden.



Absichten der Verwaltung ausdrücklich unterstützen

[Förderanträge sollen eingereicht werden, da eine neue Nutzung des Steinmüller-Komplexes sehr teuer werden wird.]



Als weiteren Schritt wird die Stadt Gummersbach Förderanträge einreichen, da die Reaktivierung sehr viel Geld kosten wird. Wenn alle diese Sachen abgeschlossen sind, kann damit begonnen werden zu überlegen, wie das Gelände genutzt werden soll. Bis alle Fragen geklärt sind, rechnet die Stadt mit einem Zeitraum von sechs bis acht Monaten.



Der städtische Hauptausschuss, der sich heute ebenfalls mit dem Thema befasst hat, hat beschlossen, die "Absichten der Verwaltung ausdrücklich zu unterstützen". Außerdem appelierte der Ausschuss nachdrücklich an die Firma Babcock, "diesen Weg mitzugehen, um mittelfristig durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze die Arbeitslosigkeit in Gummersbach zu senken".

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