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"Zauberland" im Altenother Wald

vma; 20. Jul 2001, 10:46 Uhr
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"Zauberland" im Altenother Wald

vma; 20. Jul 2001, 10:46 Uhr
(vma/20.7.2001-10:40) Von Vera Marzinski
Bergneustadt-Altenothe - Zwei Wochen Kindergarten unter freiem Himmel brachte den Kindern die Natur näher und eröffnete ganz neue Spielwelten.

[Bilder: Oliver Mengedoht --- Selbstgebackenes Stockbrot überm Lagerfeuer, war nur eins der vielen besonderen Erlebnisse für mehr als 40 Kinder aus Bergneustadt.]



Oben auf dem Berg im Altenother Wald stehen zwei große Zelte und etwas verteilt: vier ganz unterschiedliche Sammelplätze oder auch Wohnlager, mit Windschutz aus Ästen und alten Weihnachtsbäumen. An einem Baum lehnt eine Sonne aus Holz auf einem Stock – hier haust die "Sonnen"-Gruppe. Etwas weiter im Wald leuchtet eine Sternschnuppe und an einer Wäscheleine hängen hier die Jacken der Kinder. "Der Wind, der bläst den ganzen Tag, doch nur wenn er will" singen etwa zehn Kinder mit "Sternschnuppen"-Gruppenleiterin Irmgard Schieck.

[Fleißge Helfer fürs Mittagessen - am Tag zuvor sammelten die Kinder die Eier im Hühnerstall.]



Ganz in der Nähe ihres Lagers haben sie eine alte Gardine zwischen die Bäume gespannt und darunter aus Ästen und anderen Materialien aus dem Wald eine Hexenhütte gebaut. Die hatte sie Vanessa zu ihrem sechsten Geburtstag gewünscht. Im Kindergarten Zauberland werden die Geburtstage nach den Wünschen der Kinder gefeiert, erklärt Kindergarten-Leiterin Sigrid Hausmann. So hatten die Kinder am Tag zuvor Hexenbesen gebastelt und das brachte Vanessa auf die Idee mit der Hexenhütte.



Die Kinder nehmen alles zum Spielen, was sie finden können. Eine alte, kaputte Flasche entfacht bei Ihnen Entsetzen über den Müll im Wald, inspiriert sie aber außerdem zu einem Rollenspiel. An den Scherben könnte man sich schneiden, überlegen sie. So räumen sie mit den Helferinnen feinsäuberlich die Glasreste weg und spielen anschließend "Krankenlager".

[Ganz bei der Sache sind die "Zauberland"-Kinder, auch ohne die üblichen Spielmaterialien.]



"Nach dem Frühstück gehen die Kinder meist zu Rollenspielen über", stellt Sigrid Hausmann fest. Die unterschiedlichsten Gruppierungen entstehen so. Die Kinder sollen in den zwei Wochen ohne das übliche Spielmaterial auskommen und mit der Natur in Einklang leben. Das dies gelingt, konnte die Leiterin des Johanniter Kindergartens "Zauberland" nur bestätigen. Stundenlang können sie die Kühe beobachten, auf der Wiese nebenan oder auch die Heuschrecken im Gras. Fünf Kinder schleppen plötzlich einen dicken Baumstamm an und eine kleine Gruppe schnitzt Stöcke für das Stockbrot. "Ein einziges Pflaster musste bisher ausgegeben werden", so Sigrid Hausmann.

["Der Wind der bläst den ganzen Tag, doch nur wenn er will" singen etwa zehn Kinder mit "Sternschnuppen"-Gruppenleiterin Irmgard Schieck.]



Bereits zum vierten Mal zog der Bergneustädter Kindergarten "Zauberland" in den Privatwald der Familie Hausmann und die Räumlichkeiten in der Talstraße 67 waren, wie schon im letzten Jahr, für zwei Wochen verwaist. Etwa 40 Kinder und neun Mitarbeiter aus den Gruppen "Wolken", "Sonne", "Sternschnuppe" und "Regenbogen" hausen dann jeden Vormittag im Wald bei Altenothe. Vor vier Jahren startete das Ganze mit zwei Tagen im Wald. Ein Jahr später schlugen die Kinder und Mitarbeiterinnen schon für eine Woche ihr Lager im Wald auf und seit letztem Jahr sind es zwei Wochen.

[Einige Kinder probierten sich spaßeshalber an Kampfsport-Posen.]



Etwa die Hälfte der Kinder ist mit dabei, ein großer Teil ist schon im Urlaub. Es werde überlegt, die Zeit im Wald eventuell zu verlegen, so Sigrid Hausmann, allerdings wäre dies auch ein schöner Urlaubsersatz für die Kinder, die nicht mit ihren Eltern wegfahren könnten. Auch weitere Besuche im Wald über das Jahr verteilt seien geplant. Dann zwar nicht für so eine lange Zeit, aber auch im Herbst, Winter und Frühjahr gäbe es viel für die Kleinen zu sehen und zu entdecken. Wie der Maulwurf, der morgens schnell über den Weg robbte, sich einbuddelte und sehnsüchtig von allen zurückerwartet wurde. Dazu legten sich die Kinder auf den Boden und versuchten möglichst leise zu sein – doch der Maulwurf zeigte sich nicht mehr.



Oder auch die Dreijährige, die einen Regenwurm über ihre Hände gleiten ließ und ihn durch die Lupe genau begutachtete. Im nahen Laubwald wurde die Rinde von Eiche, Buche und anderen Bäumen ertastet und so konnte das neu kennengelernte buchstäblich "begriffen" werden. "Ich meine ich bekomme ein anderes Kind wieder", kommentierte eine Mutter die Aktion im Wald. "Meine Tochter spielt plötzlich mit Kindern, die sie vorher doof fand und ist wie ausgewechselt." Veränderungen stellt auch Sigrid Hausmann immer wieder fest. So konnte bei einem Jungen die Angst vor Schnecken abgebaut werden, wobei die Eltern mit ins Gespräch genommen wurden.



[Alles was im Wald gefunden wurde konnten die Gruppen für ihren Lagerbau verwerten.]



Eine Umstellung von Funktionsorientiert auf Situationsorientiert habe vor etwa sechs Jahren im Johanniter-Kindergarten "Zauberland" stattgefunden, erklärt Kindergartenleiterin Sigrid Hausmann. Dies sei zwar mehr Aufwand und nicht immer vollständig durchführbar, aber es gelänge teilweise sehr gut und die Kinder würden dadurch doch ausgeglichener. Gerade bei der zunehmenden Zahl verhaltensgestörter Kinder sei dies eine gute Möglichkeit, durch Spiel das Miteinander friedlicher zu gestalten. Leider sind im Einzugsgebiet des Kindergartens nicht mehr viele Kinder und so sind für dieses Jahr noch zwölf Plätze frei. Auch für das nächste Jahr können noch Kinder angemeldet werden unter (0 22 61) 4 36 63.







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