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Neue Attraktion im Freilichtmuseum: Seilerei von 1890 eingeweiht

om; 2. May 2001, 21:23 Uhr
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Neue Attraktion im Freilichtmuseum: Seilerei von 1890 eingeweiht

om; 2. May 2001, 21:23 Uhr
(om/2.5.2001-17:30) Lindlar - Seit gestern ist es soweit: Im Oberbergischen werden wieder Seile in Handarbeit hergestellt.

[Bilder: Oliver Mengedoht --- Idyllisch liegt die Seilerei in der Ortsgruppe Oberlingenbach des Freilichtmuseums.]



"Ich hatte eine tolle Zeit in Hagen, es hat viel Spaß gemacht", denkt Sabine Eischeid an die Zusammenarbeit mit dem Westfälischen Freilichtmuseum Hagen zurück. Dort hatte sie einige Wochen lang das Handwerk der Seilerei in Grundzügen von Christa Hackmann erlernt - schließlich sollte das neue Schätzchen des Bergischen Freilichtmuseums nicht nur untätig herumstehen: Die alte Seilerei Schaukowski aus Wipperfürth.

[So entsteht ein Seil: Christa Hackmann (oberes Bild rechts) und Sabine Eischeid machen es vor.]



Die wurde gestern von Landrat Hans-Leo Kausemann offiziell eingeweiht. Die 1890 erbaute Seilerei wurde 1986 von Hildegard Schaukowski an das Museum vermacht, zwei Jahre lang abgerissen und in Oberlingenbach neu aufgebaut. Doch durch die industrielle Produktion gibt es heute viele Berufsbilder nicht mehr, auch Seiler gibt es fast nur noch in Küstennähe.



"Aber in Hagen ist die Seilerei mit ihren Produkten ein Renner", wusste Museumsdirektor Hans Haas und wandte sich an seinen westfälischen Kollege Dr. Michael Dauskardt. "Der hat sofort Hilfe zugesagt", dankte Haas. In Hagen ist die Seilerei das längste Gebäude des Museums, "vom Spinnen des Rohmaterials über Litzen bis hin zum fertigen Seil machen wir dort alles", erläuterte Dauskardt.



Spezialisiert habe man sich auf Springseile, Taue würden nicht gemacht, "weil wir die Industrienorm nicht erfüllen können". Zudem gebe es Seilknoten als Schlüsselanhänger, wie jetzt auch in Lindlar. "Hanf ist ja nicht nur zum Rauchen, sondern auch um Seile zu machen, Takelagen für Segelschiffe, in NRW wurde es viel im Bergbau und der Landwirtschaft benutzt." Heute sei es sehr stark vom Kunststoff verdrängt worden, wegen der besseren Haltbarkeit - "früher war also nicht immer alles besser", so Dauskardt. Das Verfahren zum Drehen der Seile an sich sei aber bis heute annähernd gleich geblieben.

[Mit dem Leitholz werden die einzelnen Hanfstränge zusammengeführt.]



Und das erklärten Sabine Eischeid und Christa Hackmann am praktischen Beispiel. Vier Hanffasern werden an die Haken und den Bock gespannt, dann heißt eskräftig krubeln. Der zweite Seiler muss die Fasern mit dem Leitholz zusammenführen, damit sie sich schön regelmäßig zusammendrehen. Zwei Mann - oder in dem Fall Frauen - sind dabei mindestens nötig.



Wenn das Seil fertig "geschlagen" ist, kann man den Seiltrick aus Tausendundeiner Nacht vorführen: Das Seil steht von selbst hoch, es muss erst zwei Tage "abhängen" und "absterben", bis es wieder weich und geschmeidig wird. Dann kann man es auch in kleine Stücke schneiden, ohne dass es sich sofort wieder aufdreht.



Dass ausgerechnet Sabine Eischeid mit dem alten Handwerk vertraut wurde, ist ein Zufall: Sie wurde vom Sozialamt in eine Arbeitsstelle im Freilichtmuseum vermittelt, wo ihr die Arbeit sichtlich Spaß macht.



Der Ursprung der Seilerei liegt in Thorn an der Weichsel - von dort kam der Seilermeister Alex Schaukowski 1880 ins Bergische, mietete ein kleines Grundstück am Wipperfürther Pottweg, der heutigen Ringstraße, und baute dort 1884 eine 56 Meter lange Seilerbahn.

[Wie aus Tausendundeiner Nacht: Direkt nach dem "Schlagen" sind die Seile noch recht straff und fest, lassen sich "aufstellen" wie beim arabischen Seiltrick.]



1888 brannte diese Seilerei aber schon ab, die Schaukowskis errichteten zwei Jahre später eine neue, günstiger gelegene in der Nähe des Bahnhofs in der Hochstraße 65, heute die Lenneper Straße 7. Mitsamt Wohnhaus erwarben sie das Lnd vom ehemaligen Lindlarer Bürgermeister Wilhelm Hofstadt. Die neue Seilbahn am Weinbach war mit 54 Metern etwas kleiner als die alte, verfügte dafür aber über ein Packhaus, wo die Produkte gelagert und weiterverarbeitet werden konnten und die Seilergesellen wohnten. Der Verkauf wurde im Wohnhaus abgewickelt.



Der Versand geschah damals vor allem per Bahn, seltener durch die Post. Abgerechnet wurde nach Gewicht oder nach Stückzahl, erläuterte Dr. Josef Mangold, stellvertretender Leiter des Freilichtmuseums. "Kaum ein Betrieb kam damals ohne Seile und Kordeln aus, der Absatz florierte."



Bis in die 60-er Jahre hinein war die Seilerei in Betrieb, zuletzt als Vorwerk für die industrielle Teppichproduktion in Wuppertal. Erst 1972 meldete Ernst Schaukowski im Alter von 88 Jahren die Firma ab. 1986 wechselte sie in den Besitz des Freilichtmuseums.

[Neueste Errungenschaft des Freilichtmuseums ist die Seilerei Schaukowsky aus der Nachbarstadt Wipperfürth.]



Das Bergische Freilichtmuseum Lindlar ist in der Sommersaison (Mai bis Oktober) dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, am Wochenende von 10 bis 19 Uhr, in der Wintersaison (November bis April) dienstags bis sonntags von 10 bis 16 Uhr.

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