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Verhaltene Freude nach Verfahrenseinstellung

mp; 7. Feb 2009, 00:00 Uhr
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Verhaltene Freude nach Verfahrenseinstellung

mp; 7. Feb 2009, 00:00 Uhr
(mp/23.1.2009-14:30) Von Mischa Peters
Gummersbach - Wie erwartet, hat das Gummersbacher Amtsgericht heute das Verfahren gegen zehn der vierzehn Angeklagten im „Lustreisenprozess“ gegen Auflage eingestellt.
[Bild: Mischa Peters --- Der Vorsitzende Richter Ulrich Neef verkündete heute den Einstellungsbeschluss.]

Für zehn der vierzehn Angeklagten im sogenannten „Lustreisenprozesses“ vor dem Gummersbacher Amtsgericht ist das Verfahren beendet. Wie nach der Entwicklung an den zurückliegenden Prozesstagen (OA berichtete) nicht anders zu erwarten, wurde heute Morgen das Verfahren gegen Werner Becker-Blonigen, Hans-Otto Dick, Horst Esser, Norbert Heß, Karl-Siegfried Noss, Wolfgang Oberbüscher, Raimund Reuber, Gregor Rolland, Heinz-Willi Schwamborn und Peter Thome gemäß § 153a Abs. 2 StPO eingestellt. Die Verhandlung gegen die ehemaligen Geschäftsführer und Aufsichtsratsvorsitzenden der Gasgesellschaft Aggertal und der Bergischen Energie und Wasser GmbH, Günter Schibbe, Wilhelm Heikamp, Hermann Opitz und Dr. Klaus Blau, wird hingegen mit der Beweisaufnahme weitergeführt.

Die Verfahrenseinstellung für die zehn Angeklagten ist mit der Auflage verbunden, bis zum 30. April einen Betrag an die Staatskasse zu überweisen, der den jeweils entstandenen Reisekosten in doppelter Höhe entspricht (Übersicht siehe unten). Der Vorsitzende Richter Ulrich Neef sagte zu der Entscheidung des Gerichts: „Die Angeklagten haben im Verfahren ihr Bedauern über die getätigten Reisen geäußert, zudem wird das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung, das zunächst bestanden hat, durch die Geldzahlung beseitigt.“ Die Stellung der Angeklagten im öffentlichen Leben habe sie nicht vor einem öffentlichen Gerichtsverfahren bewahrt, ihre Stellung schließe eine Einstellung des Verfahrens gegen sie aber auch nicht aus. Über eine Einstellung sei im Übrigen „in öffentlicher Hauptverhandlung“ und nicht hinter verschlossenen Türen „verhandelt und eben nicht gehandelt worden“, hieß es in einer späteren Mitteilung des Gerichts.

[Verhalten war die Freude bei Wolfgang Oberbüscher, Gregor Rolland, (von rechts) und Co. nach der erwarteten Verkündung der Verfahrenseinstellung.]

Bei den zehn Angeklagten war die Freude über die Einstellung des Verfahrens eher verhalten. Zwar zeigte man sich erleichtert über das Ende des Prozesses, nach wie vor fühlen sich die Betroffenen aber durch die Eröffnung der Hauptverhandlung unverhältnismäßig an den Pranger gestellt. Vor allem die Frage der Vergleichbarkeit zu anderen ähnlich gelagerten Fällen - die Staatsanwaltschaft Köln hatte die überwiegende Mehrzahl der insgesamt rund 1.300 Ermittlungsverfahren gegen die Mitglieder von Gremien örtlicher Gasversorgungsunternehmen schon vor Eröffnung einer Hauptverhandlung eingestellt - wurde in Frage gestellt. „Ich bin froh, dass das Ganze nun zu Ende ist“, sagte Reichshofs Bürgermeister Gregor Rolland, „aber es sind noch viele Fragen offengeblieben.“ Beispielsweise, warum die Angeklagten in Gummersbach den doppelten Satz ihrer Reisekosten zahlen müssen, während in den oben genannten Fällen zumeist die Hälfte der angefallen Kosten eingefordert worden sei.

Der Wiehler Bürgermeister Werner Becker-Blonigen meinte nach dem langen Weg vom Beginn der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bis hin zu den insgesamt vier Verhandlungstagen im Pfarrheim: „Wir hätten uns viel Zeit und Nerven sparen können.“ Man habe keine reelle Chance gesehen, die „eigene rechtliche Sicht in einem offenen Abwägungsprozess einzubringen“. Die Richtung eines etwaigen Urteils sei insofern vorgezeichnet gewesen. Daher habe sich die Frage, ob man das Ganze nicht durch die Instanzen juristisch durchfechten sollte, zwar gestellt, sei aber wegen der dann drohenden dauerhaften Belastung wieder verworfen worden.

In einer gemeinsamen Stellungnahme der Verteidiger der Angeklagten Becker-Blonigen, Dick, Esser, Noss, Reuber, Rolland, Schwamborn und Thome wurde der Einstellungsbeschluss begrüßt. Es habe sich gezeigt, dass die Gremienfahrten „nicht pauschal verurteilt werden dürfen“. Es komme auf die Einzelheiten wie „den Anlass der Fahrt, deren inhaltliche Ausgestaltung oder den Teilnehmerkreis“ an. Die Rechtslage sei zudem hochstreitig, „die Aufklärung hätte einen Ermittlungsaufwand erfordert, der in keinem angemessenen Verhältnis zum Tatvorwurf gestanden hätte“. Angesichts der vier abgetrennten weiterlaufenden Verfahren werden Gericht, Staatsanwaltschaft und die verbliebenen Verteidiger um eine entsprechende rechtliche Würdigung indes kaum herumkommen.


Im Einzelnen müssen die Angeklagten folgende Beträge an die Staatskasse überweisen: Werner Becker-Blonigen (6.800,84 €), Hans-Otto Dick (6.800,84 €), Horst Esser (8.295,96 €), Norbert Heß (8.295,96 €), Karl-Siegfried Noss (8.121,32 €), Wolfgang Oberbüscher (1.495,12 €), Raimund Reuber (6.800,84 €), Gregor Rolland (6.800,84 €), Heinz-Willi Schwamborn (13.554,38 €), Peter Thome (6.800,84 €).

Siehe auch:
Lustreisen-Prozess: Von Geldbußen, Taktik und Gesichtswahrung
Das vorgezogene Plädoyer der 14 Anwälte
Justiz-Novum: Lustreisen-Prozess im kirchlichen Eiskeller
Kommentar: Wenn die Vernunft auf der Strecke bleibt

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