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"Die Vorstufe des Himmels" wird umgebaut

mp; 18. Nov 2008, 00:00 Uhr
Oberberg Aktuell
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"Die Vorstufe des Himmels" wird umgebaut

mp; 18. Nov 2008, 00:00 Uhr
(mp/3.11.2008-16:55) Nümbrecht - Das Ernst- Christoffel- Haus wird umgebaut zur ersten Hausgemeinschaft in der stationären Pflege von Sehbehinderten und Blinden.
[Bilder: Mischa Peters --- Gruppenbild mit Dame auf der Terrasse der neuen Hausgemeinschaft im Dachgeschoss: Bernd Hombach (von links), Frank Murach, Bernhard Henn, Martin Georgi, Dr. Gero Karthaus, Theresia Marhofer, Bodo Löttgen, Klaus-Peter Flosbach, Siegfried Spanel, Dr. Jorg Nürmberger und Dieter Schaarschmidt.]

Noch wird kräftig gearbeitet am Dachgeschoss des Ernst-Christoffel-Hauses in Nümbrecht. Doch schon zum Jahreswechsel soll die neu ausgebaute Etage des christlichen Senioren- und Pflegeheims bezugsfertig sein - für die erste Hausgemeinschaft von Blinden, sehbehinderten Menschen und Senioren nicht nur in Oberberg, sondern in ganz Deutschland. Bis April sollen dann sukzessive auch die anderen Stockwerke für die Nutzung in Wohngemeinschaften umgebaut werden, so dass die jetzigen Appartements endgültig der Vergangenheit angehören werden. Eine gewaltige Umstellung für die mehr als 90 Bewohner des komplett behindertengerecht ausgebauten Hauses, von denen etwa die Hälfte erblindet ist.

[Die Vorsitzende des Oberbergischen Blindenvereins, Theresia Marhofer, die selber im Christoffel-Haus wohnt, im Gespräch mit Martin Georgi (von links), Klaus-Peter Flosbach und Bodo Löttgen.]

Zum Auftakt werden im Dachgeschoss neun bis 13 Bewohner ihre etwa 22 Quadratmeter großen Zimmer beziehen können, die dem Einzelnen als Rückzugsmöglichkeit zur Verfügung stehen, ausgestattet jeweils mit eigenem Bad. Der Rest der Wohnung ist dagegen für die gemeinsame Nutzung vorgesehen, inklusive eines knapp 90 Quadtratmeter großen Teils, der Wohnzimmer und eine großräumige Wohnküche umfasst. „Wir wollen hier ein familienähnliches Zusammenleben in kleinen, überschaubaren Wohnstrukturen ermöglichen“, sagte der Leiter der Einrichtung, Frank Murach, heute bei der Vorstellung der Umstrukturierungsmaßnahme, „so selbstbestimmt und eigenständig wie möglich, aber immer betreut durch Präsenzkräfte oder examiniertes Pflegepersonal.“

Zur Präsentation dieses „Vorhabens mit Modellcharakter“ hatten die Verantwortlichen nicht nur Bürgermeister Bernd Hombach und Kreis-Sozialdezernent Dr. Jorg Nürmberger eingeladen, eine ganze Riege an oberbergischen Bundes- (Klaus-Peter Flosbach) und Landespolitikern (Bodo Löttgen, Dr. Gero Karthaus) war nach Nümbrecht gekommen, um sich unter anderem im Rahmen einer Führung durch die Einrichtung ein Bild von der jetzigen Lebenssituation der Bewohner und den bevorstehenden gravierenden Veränderungen zu machen. Sie stellten sich im Anschluss der von Elke Knabe geführten gemeinsamen Diskussion mit dem Direktor der Christoffel-Blindenmission Deutschland, Martin Georgi, Mitarbeitern des Hauses, den Vertretern des Oberbergischen Blindenvereins, Theresia Marhofer und Bodo Isenhard, sowie Bernhard Henn und Siegfried Spanel von der Agentur für Arbeit, die die Weiterbildung Geringqualifizierter zu sogenannten Präsenzkräften unterstützt.

[Auch die Freizeitgestaltung der Bewohner soll künftig vornehmlich innerhalb der Hausgemeinschaften stattfinden.]

Der mit dem Umbau beauftragte Architekt, Dieter Schaarschmidt, der schon bei anderen ähnlich gelagerten Projekten die Planung realisiert hat, betonte, es sei immer auch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, eine bestehende Einrichtung in eine andere, neue Struktur umzuwandeln. Gleichwohl sei mit dem Umbau in eine zukunftsorientierte Wohnform eine neue, höhere Wohnqualität verbunden. Frank Murach bestätigte aber, dass man mit dem Vorhaben auch auf Skepsis und Vorbehalte bei den Bewohnern treffe. „Vieles an der jetzigen Versorgung ist ja auch durchaus bequem.“ In Zukunft sollen sich die Bewohner aber deutlich mehr einbringen. Das betrifft sowohl die Organisation des Haushalts - vom Einkauf bis zur Küchenarbeit - als auch die Gestaltung der Freizeit, indem Ausflüge oder Abendgestaltung gemeinsam abgesprochen und in der Wohngruppe realisiert werden.

Noch trifft man sich im Christoffel-Haus zu den Mahlzeiten im großen Saal im Parterre, Freizeitgestaltung wird beispielsweise im Rahmen der Beschäftigungstherapie im Untergeschoss geboten, wo im kommenden Jahr eine Hausgemeinschaft vorwiegend für Demenzkranke untergebracht wird. Heute stand dort Handarbeit auf dem Programm. Und es gefällt, wie die Aussage der 84-jährigen Gertrud Jabs belegt, die „nach schlimmen Erlebnissen aus Krieg und Vertreibung“, froh ist, im Ernst-Christoffel-Haus eine friedvolle Bleibe gefunden zu haben. „Hier ist die Vorstufe des Himmels“, sagte die frühere Gemeindeschwester in Ruppichteroth im Brustton der Überzeugung. Eine Wertschätzung der besonderen Art für die geleistete Arbeit im Haus. Gleichzeitig aber auch Verpflichtung, die Bewohner auf den Weg in ihre neue Wohnwirklichkeit mitzunehmen.



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