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Leserbriefe als Reaktion auf das OA-Interview mit Rainer Lessenich

Red; 26. Jun 2008, 17:38 Uhr
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Leserbriefe als Reaktion auf das OA-Interview mit Rainer Lessenich

Red; 26. Jun 2008, 17:38 Uhr
(Red./26.6.2008) Helmuth Gaentzsch, Heinrich Vetter und Karl Heinz Klementz äußern sich kritisch zum Thema IHK-Zwangsmitgliedschaft.
Zunächst meint Herr Lessenich, wenn es die Kammern nicht gebe, müsste man sie erfinden. Da hat er völlig recht, nur mit dem Unterschied, dass es freiwillige Kammermitgliedschaften geben müsste statt der unseligen Zwangsmitgliedschaften (nicht "Pfichtmtliedschaften“, wie Herr Lessenich sagt). Denn jeder ist gezwungen, Mitglied zu sein und Zwangsbeiträge zu zahlen; ansonsten wird er bestraft, sogar mit Haft, wie es ja schon geschehen ist. Pflicht ist immer ein Soll, Zwang ist Zwang und mit strafrechtlichen Sanktionen verbunden.

Wenn Herr Lessenich von Vernetzung spricht mit der Politik, Behörden, und Verwaltungen dann hat er auch völlig recht. Die Vernetzung aufgrund des Zwangs ist jedoch nichts weiter als unerfreulicher Filz, Vettern- und Klüngelwirtschaft. Der kleine Mittelständler hat gar nichts davon. Im Gegenteil, er wird massiv benachteiligt und muss dies obendrein noch finanzieren und alimentieren mit Milliardenbeträgen im Jahr für sinnlose Selbstverwaltung und Bürokratie der Kammern (...). Diese Herren sollten einmal wahrnehmen, dass etwa 90 Prozent der Mittelständler die IHK-Zwangsmitgliedschaft als überflüssig und als fünftes Rad am Wagen ablehnen.


Diplom Volkswirt Helmuth Gaentzsch, Köln

Was der scheidende IHK-Geschäftsführer Rainer Lessenich Ihnen im Interview sagte, ist für mich mal wieder sehr aufschlussreich! Seine Aussage, „Wenn es die Kammern nicht gäbe, müsste man sie erfinden", kommt mir sehr bekannt vor. Er stammt vom DIHK e. V., dem Berliner Verein der Zwangskammern.

Warum es eine heftige Diskussion um die Zwangsmitgliedschaft zu seiner Kammer gibt, das möchte ein Kammerfunktionär natürlich nicht gerne genau hinterfragt wissen. „Die Kammern können und müssen sich als Service-Unternehmen so attraktiv machen, dass sie keinen Mangel an freiwilligen Mitgliedern haben. Oder sie laufen Gefahr, überflüssig zu werden", schrieb Jürgen Möllemann in seinem 2003 erschienenen Buch "Klartext". Als „kostenverursachende Hemmschuhe und Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahmen für Funktionäre“, so haben schon Günter und Peer Ederer die Zwangsmitgliedschaften zu Berufskammern sehr treffend beschrieben.

Die Wahlbeteiligungen zu IHK-Vollversammlungen betragen in Deutschland fast nirgends mehr über 10 Prozent. Hier nur ein paar Beispiele: in Köln zuletzt 9 Prozent, in Nürnberg 7,7 Prozent, in München zuletzt genau 6,27 Prozent und in Berlin zuletzt 2007 knappe 4,5 Prozent Wahlbeteiligung. Wer uns Unternehmern heute - allein angesichts solcher Zahlen - noch immer erzählen möchte, solch eine Zwangskammer sei "Die Selbstverwaltung der Wirtschaft" oder Ähnliches, der gibt sich höchstens noch der Lächerlichkeit preis!

„Niemand darf gezwungen werden, einer Vereinigung anzugehören", so heißt es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UN/ Artikel 20 (2)). 19 der derzeit 27 EU-Staaten kommen übrigens ohne Zwangsmitgliedschaften zu Handelskammern bestens zurecht. Als zum Beispiel Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt vom Kammerzwang persönlich betroffen und verärgert war, schrieb er dazu in der ZEIT eine Kolumne mit der passenden Überschrift: „Schluss mit dem Schwachsinn.“

Angesichts der Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der zwangsrekrutierten Kammermitglieder den Zwang strikt und sehr berechtigt ablehnt, sollte wirklich schnellstens Schluss mit diesem Schwachsinn gemacht werden.


Heinrich Vetter, Meerbusch


Herr Lessenich verabschiedet sich mit 63 Jahren von seiner Tätigkeit bei der IHK, der Übergang in den Ruhestand wird ihm wohl leicht fallen. Statt die Basis der IHK, nämlich die Zwangsmitgliedschaft, bloß zu erwähnen, hätte Herr Lessenisch doch lieber mal darüber reden sollen, dass über 90 Prozent der Selbständigen die heutige Basis der IHK strikt ablehnen. Das sind die Selbständigen, die unsere Wirtschaft in Schwung halten und dieses Zwangs-Geschwür lieber heute als morgen los wären...

Karl Heinz Klementz, Meerbusch

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