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Viel "heiße Luft" und Erkenntnisbruchstücke beim Gumbala-Ortstermin

cn; 12. Sep 2007, 00:00 Uhr
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Viel "heiße Luft" und Erkenntnisbruchstücke beim Gumbala-Ortstermin

cn; 12. Sep 2007, 00:00 Uhr
(cn/27.8.2007-22:15) Von Christian Neeb
Gummersbach - Am heutigen sechsten Verhandlungstag im Prozess um den tödlichen Unfall eines zehnjährigen Mädchens im Whirlpool des Gummersbacher Spaß-Bades machten sich die Verfahrensbeteiligten ein Bild von dem Unglücksort. Neue Erkenntnisse suchte man aber auch bei den Versuchen der Sachverständigen vergebens
[Bilder: Christian Neeb - Die beiden Richter machten sich heute, gemeinsam mit den weiteren Prozessbeteiligten, ein Bild von der Lage im Gumbala]

„Jetzt weiß ich, warum der Hades in Griechenland immer unten war“, kommentierte einer der Anwälte der angeklagten Ingenieure die Temperaturen am sechsten Verhandlungstag des Prozesses. Die Hitze in den labyrinthischen Kellergewölben, die die Technik des Bades beherbergen, war unbeschreiblich. Doch schon die schwüle Luft im Badebereich des Gumbala machte den Prozessbeteiligten sichtlich zu schaffen. Mit blauen Hygieneschuhen machte sich heute Vormittag ein großer Tross von Presse und Öffentlichkeit, gemeinsam mit dem Gericht und den weiteren Beteiligten zur Ortsbesichtigung ins Gumbala auf.

[Die Messwasserpumpe baute auch in den Versuchen wieder eine hohe Sogwirkung auf]

Nachdem zuerst der Unglücksort, der rechte von zwei baugleichen Whirlpools, in Augenschein genommen wurde, inspizierten die Richter Ulrich Neef und Dr. Peter Sommer gemeinsam mit den Angeklagten, deren Verteidigern und der Staatsanwaltschaft den restlichen Badebereich, bevor der Technikraum in Augenschein genommen wurde. Schon bei dem ersten Test, dem Betrieb des Pools mit der Luftzufuhr, war die Kappe nicht mehr zu sehen.

Bei ruhendem Wasser konnten aber alle Beteiligten das kleine Sieb umgehend erkennen, das auf Höhe der zweiten Stufe in der Wand des Beckens seit dem Unglück mit zwei Schrauben befestigt ist. „Wenn die Entnahmestelle nach DIN-Vorgaben 20 statt 44 Zentimeter unter der Wasseroberfläche gewesen wäre, wären die Überlebenschancen des Mädchens größer gewesen“, stellte Dr. Hans-Jürgen Jessen, öffentlicher Sachverständiger der IHK Berlin, gleich bei in Augenscheinnahme des Bauteils fest.



[Die Gutachter testeten, ob die ordnungsgemäß montierte Kappe problemlos abgeschraubt werden konnte]

Das Messwasser musste nach ersten Berechnungen der Gutachter mit einer Pumpe angesaugt werden, da es bei normalem Durchfluss nicht in der vorgegebenen Zeit von 30 Sekunden die Mess-Fühler erreicht hätte. Eine genaue Prüfung durch den Experten Jessen steht noch aus. Der Frage, wie stark die Pumpe eingestellt war und welche Konsequenzen diese Einstellung gepaart mit dem Fehlen der Kappe hatte, galt das Hauptaugenmerk der verschiedenen Versuche, die die Experten am Nachmittag durchführten. In mehreren Anläufen wurde mit Hilfe einer Haarfangprobe ermittelt, bei welcher Pumpleistung und unter Verwendung welchen Aufsatzes eine Perücke in die Öffnung der Messwasserentnahmestelle gesaugt wurde. Dann wurde der Kraftaufwand gemessen, der benötigt wurde um die Haare wieder zu befreien. Als die Werte des Unglückstages an der Pumpe eingestellt worden waren, bemerkte einer der Gutachter beim Griff an die Öffnung: „Der Sog ist aber ganz gewaltig.“



[Richter Dr. Peter Sommer inspizierte auch die weiteren Becken genauestens]

Nachdem die Durchführung des Experiments von einem der Anwälte als „nicht gemäß der Deutschen Industrienorm“ bemängelt worden war, schoss Richter Neef zurück: „Vielleicht ist das Mädchen ja entgegen der DIN ums Leben gekommen.“ Genau konnten die Einstellung jedoch nicht rekonstruiert werden, da das Beweisfoto der Kripo schräg von der Seite aufgenommen worden war und damit die genaue Hebelstellung nicht mehr nachvollziehbar schien. Die wichtigen Fragen, welche Abdeckung werkseitig auf der Öffnung montiert war, ob diese bei einer Wartung durch den Bauherrn des Bades ausgetauscht wurde oder unter anderen Umständen verschwand und welcher Pool denn nun verbaut wurde, konnte auch der heutige Tag nicht klären.

Der Rechtsanwalt der Badleiterin sah jedoch seine Eingangserklärung bestätigt, in der er angeführt hatte, dass selbst mit ordnungsgemäß montierter Klappe der Unfall so geschehen wäre. „Nach der Mutmaßung des Technikers, durch das erste Sieb seien die blauen Flecke der Badbesucher entstanden, hat der Erbauer des Bades eine andere Kappe geliefert.“ Bei der Haarfangprobe sei mit dieser eindeutig eine ähnliche Sogwirkung wie beim Fehlen der Kappe festzustellen gewesen. Die Verteidigung eines der angeklagten Ingenieure gab im Gegenzug zu verstehen, dass eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung eines Bußgeldes ein gangbarer Weg sei. „Das ist uns lieber als ein knalliger Freispruch“, so der Anwalt.

Bei den Proben selber verstummten aber die meisten Gespräche, denn das ruckartige Einsaugen der ganzen Echthaar-Perücke und der Entleerungsvorgang des Beckens, der in 3 Minuten und 50 Sekunden bis zur kritischen Öffnung fortgeschritten war und damit wichtige Zeit für das Kind gewonnen hätte, machten die ganze Tragik eines Unglückes deutlich, dass Höhepunkt einer Kette von Versäumnissen und Fehleinschätzungen gewesen sein muss.









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