Archiv

Grunzende Elfen und griesgrämige Feen - Premiere eines "sommer.nachts.traum"

cn; 25. Dec 2007, 16:48 Uhr
Oberberg Aktuell
ARCHIV

Grunzende Elfen und griesgrämige Feen - Premiere eines "sommer.nachts.traum"

cn; 25. Dec 2007, 16:48 Uhr
(cn/28.7.2007-12:45) Von Christian Neeb
Wiehl - Gestern Abend feierte im Schau-Spiel-Studio Oberberg die Komödie "sommer.nachts.traum" nach Shakespeares bekannter Vorlage in der Neufassung von Jörn Kolpe eine gelungene Premiere.
[Bilder: Christian Melzer.]

„Ich finde nichts komisch daran, wenn zwei Leute durch den Wald rennen und der eine dem anderen auf einmal sagt, dass er ihn nicht mehr liebt“, macht Regisseur Jörn Kolpe klar. Der junge Schauspieler, der gerade seine Ausbildung an der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München beendet hat und nun ein Engagement am Stadttheater Lübeck angenommen hat, kehrt für die Inszenierung des „sommer.nachts.traum“ zu seinen Wurzeln ins Schau-Spiel-Studio in Wiehl zurück .

In Athen sollen die Hochzeitsglocken läuten, denn Theseus, Herzog der Stadt will beim nächsten Neumond Hippolyta, die Königin der Amazonen heiraten. Da wird ihm das Schicksal des Liebespaares Hermia und Lysander angetragen. Hermias Vater hat seine Tochter schon Demetrius versprochen und auch der Fürst entscheidet, dass das junge Glück nicht von Dauer sein darf, obwohl Demetrius, jetzt vor Liebe zu Hermia blind, eigentlich die schöne Helena liebte. Hermia und Lysander beschließen gemeinsam die Stadt zu verlassen, um dem Schicksal Tod oder Kloster zu entgehen. Ihr Weg führt sie, gefolgt von der eifersüchtigen Helena und Demetrius, in den Wald vor der Stadt. Dort trifft sich auch die Schauspielgruppe um Squinze und Zettel, die gemeinsam das Stück „Die höchst klägliche Komödie und der höchst grausame Tod des Pyramus und der Thisbe“ für die Hochzeit ihres Fürsten proben.

Was die sterblichen Liebenden und Spielenden nicht wissen, ist das sie geradewegs in die Auseinandersetzung zwischen Feen und Elfen, dem König Oberon und seiner Königin Titania hineinstolpern. Oberon und sein Gehilfe Puk richten mit dem Saft einer Wunderblume nicht nur ein wahres Gefühlschaos unter den Liebespaaren an, sondern bringen auch Titania dazu, sich in den zum Esel verwandelten Schauspieler Zettel zu verlieben. Doch im Gegensatz zur Originalvorlage hat Kolpe Charaktere und Handlung nun stark an seine Vision des Sommernachtstraum angepasst. Puk ist in seiner Version des Stückes nicht treuer Untergebener Oberons, sondern mächtiger Rebell, der seinen Fürsten überwältigt und am Ende selbst das von ihm fabrizierte Chaos auflöst. Nach dem die Paare sich in der rätselhaften Nacht doch noch gefunden haben, kann die dreifache Hochzeit in Athen mit der Vorstellung der Schauspieler gefeiert werden.

Einen entzauberten Shakespeare wollte Jörn Kolpe auf die Bühne bringen, der den Mendelsonschen Schleier lauschiger Waldnächte und kichernder Elfen ablegt und in die tieferen Schichten des Stoffes eindringen, die Pforte ins Unterbewusste öffnen. Das Spiel mit den enttäuschten Erwartungen gelingt. Schon der zerstückelte Titel hebt die einzelnen Komponenten hervor und so wird aus dem romantischen Traum einer lauen Sommernacht ein fiebriger Wahn im Labyrinth des Waldes, ein Sommernachtstraum 2.0. Das Surreale ist immer präsent in Kolpes Version des Bühnenklassikers. Angefangen bei dem spartanischen Bühnenbild, das sich als Holzwand mit Klappen präsentiert, durch die die Akteure auf die Bühne treten, bis hin zu den Kostümen, die irgendwo zwischen Neo-Barrock und Punk pendeln.

Ebenso zeitlos präsentiert sich das Stück in seiner neuen Form, den es behandelt die uralten Themen von Liebe, Haß und Eifersucht. Kolpe schafft es in seiner Fassung des Stückes, die Gratwanderung zwischen Komik und Tragik zu einem Wechselbad der Gefühle werden zu lassen. Die bedrückend echt gespielten Beziehungshakeleien, besonders Angi Voßköhler als Helena leidet zum Herzzerbrechen, wechseln sich nahtlos mit den urkomischen Passagen der Schaustellergruppe ab, die im Spiel im Spiel zu Höchstformen auflaufen. Absoluter humoristischer Höhepunkt der „tragische Selbstmord“ Pyramus, der in japanischer Sprache den Harakiri verübt, dabei übersetzt und von einer Ausdruckstänzerin untermalt wird.

Unterstrichen wird die straffe Inszenierung von der bedrohlichen Musik aus der Feder Benjamin E. Hilbigs, die gemeinsam mit grunzenden Elfen und zischenden Feen den Wald vom verträumt, moosigen Plätzchen zum dunken, unheimlichen Labyrinth werden lassen. Der Wald als Labyrinth ist bei Kolpe aber nicht nur um die Protagonisten herum, sondern auch in ihnen. Die Gefühle die von einer Sekunde von Liebe in Hass umschlagen sind auch Ausdruck des Verirrtseins, dem sich die Sterblichen immer wieder stellen müssen. Unterstützt wird Kolpe in seiner Inszenierung von seinem jungen, hochwertigen Ensemble, das den Rollen starken Ausdruck verleiht. Genial sind vor allen Dingen Dominik Pruß, dem mit seiner charismatischen Ausstrahlung die Rolle des Nick Zettel auf den Leib geschrieben scheint und Eva Oberbusch, die der Rolle des Puks ganz neue Facetten entlockt.

Wenn am Ende bei dem Lied „Ich hatt 'nen Traum“ aus Oberon wieder Theseus wird, erwachen alle wieder aus ihrem „sommer.nachts.traum“ und das Leben geht scheinbar wieder seinen normalen Gang. Bis die Schauspieler mit einem Grunzen wieder zu den Elfen werden und die Zuschauer auf und vor der Bühne mit der Frage zurück lassen: „Wach ich, oder träume ich noch?“

Weitere Bilder unter www.wiehl.de.





WERBUNG