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Gefangen zwischen Macht und Begierde – ‚Emilia Galotti’ begeistert in Wiehl

cn; 6. Feb 2007, 00:00 Uhr
Oberberg Aktuell
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Gefangen zwischen Macht und Begierde – ‚Emilia Galotti’ begeistert in Wiehl

cn; 6. Feb 2007, 00:00 Uhr
(cn/22.1.2007-13:50) Von Christian Neeb
Wiehl - Die neue Theatersaison des Schau-Spiel-Studios Oberberg begann am vergangenen Freitag mit der Premiere des Dramas „Emilia Galotti“ von Gotthold Ephraim Lessing direkt mit einem Paukenschlag.
[Bilder: Christian Neeb --- Drastischer Ausweg aus dem Dilemma, Vater (Gisbert Möller) und Tochter (Paula Donner) ringen um den Dolch.]

Das Drama, das von Lessing 1772 verfasst wurde, gilt bis heute als Paradeexemplar des bürgerlichen Trauerspiels - und seine tragische Thematik ist dem heutigen Zuschauer wohl nicht automatisch nahe. Denn das Stück, das im Italien der anbrechenden Neuzeit spielt, zieht die größte Spannung aus den sozialen Unterschieden der Protagonisten und der Gewalt, die der Adel noch über das Bürgertum besitzt. Diese Gewalt so auf die Bühne zu bringen, dass sie dem Zuschauer bewusst wird, war die beträchtliche Aufgabe, der sich Regisseur Raimund Binder gestellt hatte.

[Duo infernale – Prinz Gonzaga (Michael Albrecht) und der Marquese Marinelli (Sepp Kliewe).]

Der Prinz Gonzaga, wunderbar „schmierig“ und gleichsam verzweifelt gespielt von Michael Albrecht, begegnet zufällig dem Bürgermädchen Emilia Galotti, der Tochter seines Feindes, dem aufbrausenden Odoardo Galotti, gespielt von Gisbert Möller. Von heißer Liebe befallen verstößt er seine bisherige Geliebte, die Gräfin Orsina und setzt alles daran, das Mädchen für sich zu gewinnen. Doch die Hochzeit der Galotti mit dem Grafen Appiani ist bereits angesetzt.

Verzweifelt bittet der Prinz seinen Vertrauten, den Marquese Marinelli, um Hilfe. Kalt berechnend heuert dieser eine Mörderbande an, die die geplante Hochzeit des jungen Paares verhindern soll. Der Graf stirbt bei dem Überfall und die junge Emilia wird auf das Lustschloss des Prinzen gebracht.

[Verzweiflung pur – Emilia klagt der Mutter (Christel Freymüller) ihr Leid.]

Ein ausgeklügelter Plan des Prinzen und seines skrupellosen Beraters, der aber nicht die unheilvolle Zusammenkunft der Tochter mit ihrem aufbrausenden Vater vorsieht. Dieser hat, aufgestachelt von der herbeigeeilten Gräfin Orsina, der Tochter ein Messer zugespielt. Gemeinsam kommen sie dem Prinzen und seinen wollüstigen Plänen mit dem Tod Emilias zuvor.

Auf ein prächtiges Bühnenbild verzichtet Binder vollständig. Spartanisch, vor schwarzen Vorhängen und mit spärlicher Kulisse, ein Stuhl und ein Tisch müssen genügen, setzt der Regisseur nur auf die Schauspielkünste seiner Akteure. Alles andere als eine Fehlentscheidung!

[Die Gäfin Orsina (Viviane Bonfanti) stachelt Odoardo Galotti zum Mord an.]

Neben dem fantastischen Vater-Tochter-Gespann, Gisbert Möller und Paula Donner, sind es vor allem die „ätzend-scharfen“ Dialoge zwischen dem Prinzen und seinem Berater Marinelli, die den Zuschauer fesseln. Die scheinen auch wie geschrieben für das infernalische Duo Michael Albrecht und Sepp Kliewe. Mit triebgesteuertem Wahnwitz auf der einen und berechnender Boshaftigkeit auf der anderen Seite, werfen sie den Beobachter in ein Wechselbad der Gefühle.

Das brodelt aber dann am heftigsten, wenn die, deren Schicksal nur von anderen bestimmt wird, verzweifelt und verstört um den Erhalt ihrer Würde ficht. Dieser aussichtlose Kampf Emilias gegen die Verfügungen der Männerwelt, insbesondere des übergeordneten Adels spiegelt sich in jeder Mine, jeder Geste von Paula Donner. Deren schauspielerischen Leistung ist immens und garantiert dem Zuschauer ein ums andere Mal eine Gänsehaut. Getaucht wird die Szenerie in kaltes Licht, das die auswegslose Situation Emilias unterstreicht. Erst zum Schlussbild senkt sich ein roter Lichtschleier bedeutungsschwanger über die Akteure.

[Aussichtlose Lage, der Adel weist den Bürger in seine Schranken.]

Neben den wunderbaren Hauptdarstellern weiß auch die Nebendarstellerriege ausnahmslos zu überzeugen. Besonders hervorzuheben sei noch die Gräfin Orsina, gespielt von Viviane Bonfanti. Berechnende femme fatale im einen Augenblick, Gelb vor Eifersucht im anderen, zischt sie Gift und Galle und stachelt den reizbaren Vater zum Äußersten.

Dem Schauspiel-Studio-Oberberg, allen voran Regisseur Binder und seiner wunderbaren Riege an Schauspielern ist es gelungen, Lessings Meisterwerk auf seine Essenz zu reduzieren und diese auch für heutige Augen interessant und relevant zu präsentieren. Die genauen Termine zu den weiteren Vorstellungen und alle weiteren Informationen zum Schau-Spiel-Studio Oberberg gibt es im Internet unter www.theater-wiehl.de.



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