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Geplatzte VfL-Titelträume - Kljaic: "Unsere Dummheit kostete den Erfolg gegen Lemgo"

pl; 17. Apr 2006, 00:00 Uhr
Oberberg Aktuell
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Geplatzte VfL-Titelträume - Kljaic: "Unsere Dummheit kostete den Erfolg gegen Lemgo"

pl; 17. Apr 2006, 00:00 Uhr
(pl/2.4.2006-18:55) Von Peter Lenz
GM/Lemgo – Schluss, aus und vorbei, der VfL Gummersbach muss sich für diese Saison von allen Titelträumen verabschieden. Am Nachmittag schied die Mannschaft von Trainer Velimir Kljaic nach einer dramatischen Partie beim TBV Lemgo auch aus dem EHF-Pokal aus.
[Bilder: VfL Gummersbach/Stadionwelt --- Nach Yoons Ausfall schmeckte Denis Zakharov der Sprung ins kalte Wasser gar nicht. Gegen die Lemgoer Deckung um Volker Zerbe (11) hatte der Russe meist das Nachsehen.]

Zwar schaffte der VfL heute in der ausverkauften Lipperlandhalle einen knappen und überaus dramatischen 26:25-Sieg, aber nach der 27:29-Niederlage aus dem Hinspiel in Gummersbach zieht der TBV nicht unverdient ins Finale des Europacups ein. Dort trifft die Mannschaft von Coach Volker Mudrow nun im innerdeutschen Endspiel auf Frisch Auf Göppingen. FA setzte sich bereits gestern gegen die Franzosen aus Cretail durch.

TBV Lemgo – VfL Gummersbach 25:26 (12:14).

[Tragische Helden: Während Florian Kehrmann und Kyung-Shin Yoon im Hinspiel noch mit jeweils neun Toren für ihre Teams glänzen konnten, waren sie heute zum Zuschauen verdammt. Der TBV-Rechtsaußen zog sich in der 13. Minute nach einem Zusammenprall mit Frank von Behren einen Innenbandriss im linken Knie zu, "Nick" sah vier Minuten später den roten Karton.]

Um es vorweg zu nehmen, Gummersbach hat sich selbst um den möglichen Erfolg gebracht. Die Vorentscheidung bereits 17 Minuten vor dem Ende, als sich der bis dato starke VfL mit 20:16 klar auf der Siegerstraße befindet. In Überzahl - Lemgos Andre Tempelmeier sitzt auf der Sünderbank – leistet sich Daniel Narcisse einen Fehlpass auf Kreisläufer Robert Gunnarsson, und im Gegenzug markiert der TBV-Shooter Logi Geirsson den 17:20-Anschlusstreffer. Lemgo ist wieder voll da und schafft – wie schon vor Wochenfrist im Hinspiel - in den letzten Minuten mit einem wahren Kraftakt noch die Wende. Aber dazu später mehr.

Keine Frage, dieses Halbfinal-Rückspiel hatte alles, was zu einem echten Pokalfight gehört: Kampf, Spannung, Emotionen, Dramatik und Hektik pur. Und leider bestimmten auch einige unschöne Szenen die heutige Partie. Unrühmlicher Höhepunkt war sicherlich eine Rangelei beider Teams nach 17 gespielten Minuten: Nach einem harmlosen sportlichen Disput zwischen Kyung-Shin Yoon und Filip Jicha stürmten die anderen Spieler aufs Feld und warfen sich regelrecht ins Getümmel. Die Folge: die österreichischen Unparteiischen zeigten Yoon und Jicha die rote Karte.

[Drei Tore von Robert Gunnarsson waren einfach zu wenig, von der von Behren-Nullnummer ganz zu schweigen.]

Zu diesem Zeitpunkt führten die Gummersbacher, die mit der Überraschungsformation Narcisse auf Mitte und von Behren auf Rückraum Links begonnen hatten, mit 8:6. Lemgo hatte da bereits den ersten herben Rückschlag wegstecken müssen: Florian Kehrmann, im Hinspiel noch mit neun Treffern bester TBV-Werfer, hatte sich nach einer Abwehraktion gegen Frank von Behren einen Innenband-Riss im linken Knie zugezogen und nach 13 Minuten Spielzeit humpelnd die Halle verlassen. Andre Tempelmeier rückte auf die Rechtsaußen-Position.

Damit aber noch nicht genug für die Mudrow-Truppe. Nach den beiden Verlusten von Kehrmann und Jicha gesellte sich in Spielminute 16 mit Markus Baur aufgrund einer Oberschenkel-Verletzung der dritte Stammspieler zu den TBV-Ausfällen. Kein Wunder also, dass selbst VfL-Trainer „Velko“ Kljaic nach dem Abpfiff keineswegs den Verlust von „Nick“ Yoon für das Ausscheiden verantwortlich machte – auch wenn der Südkoreaner im Hinspiel mit neun Treffern bester Gummersbacher war. „Unsere eigene Dummheit hat uns um den Erfolg gebracht“, sollte der sichtlich verärgerte VfL-Coach nach dem Ausscheiden von sich geben.

[Auch Daniel Narcisse hatte gegen die starke Lemgoer Deckung - zwischenzeitlich wurde "Air France" sogar an die ganz kurze Leine genommen - einen schweren Stand. Nur drei Tore sprechen für sich.]

Bis zur Pause hatten die Gummersbacher souverän und konzentriert ihren Stiefel runter gespielt. Denis Zakharov hatte zunächst die Yoon-Position eingenommen. Zwar erwies dieser sich damit als überfordert, aber Kljaic hatte bekanntlich gar keine Alternative in Sachen Linkshänder. Mit konsequentem Abschluss gaben die Blau-Weißen den Ostwestfalen erst gar nicht die Möglichkeit zu den immer brandgefährlichen Gegenstößen. Zudem stand mit Christian Ramota der klar bessere Keeper im Tor der Gummersbacher. Lemgos Schlussmann Carsten Lichtlein hatte bereits nach 13 Minuten entnervt den Platz für Jörg Zereike geräumt – was sich vor allem im zweiten Durchgang auszahlen sollte.

Zunächst aber bestimmten weiter die Oberberger das Geschehen. Gudjon Valur Sigurdsson, Denis Zakharov und Daniel Narcisse sorgten fünf Minuten vor dem Pausenpfiff gar für eine Fünf-Tore-Führung (13:8). Die Hausherren gönnten sich in Form der grünen Karte eine Auszeit, was vom Erfolg gekrönt war. Zweimal der überragende Logi Geirsson, der die Lücke auf der linken Rückraum-Position von Rot-Sünder Jicha perfekt füllte und der am Ende sogar zum Pokalhelden avancierte, Andre Tempelmeier und Sebastian Preiß verkürzten zur Halbzeit wieder auf zwei Tore.

[In der Deckung wussten die Gummersbacher dagegen über weite Strecken zu überzeugen. Einzig Lemgos Goalgetter Logi Geirsson bekam man nie in den Griff. Und genau dies sollte am Ende den Ausschlag bedeuten.]

Nach dem Seitenwechsel waren aber erstmal wieder die Gummersbacher am Zug. Keineswegs beeindruckt von der hektischen ersten Hälfte, behielten die VfL-Cracks auch ohne Yoon den Überblick. Der treffsichere Sigurdsson mit seinem achten Tor beim achten Versuch, Michael Hegemann, der nun phasenweise als Rechtshänder im linken Rückraum agierte, und Robert Gunnarsson mit dem wohl schönsten Tor des Tages, einem Rückhand-Fallwurf vom Kreis, legten für den VfL auf 17:13 vor.

Bis zum 20:16 (42.) hielt der Vier-Tore-Vorsprung. Es folgte das erwähnte ungenutzte Gummersbacher Überzahl-Spiel. Nach dem 18:21 durch Michael Binder hatte VfL-Kapitän Francois-Xavier Houlet gleich zwei Mal die große Chance zum 22. Gummersbacher Tor, aber beide Male fand er in TBV-Keeper Zereike seinen Meister. Als dann auch noch Zakharov per Zeitstrafe aus dem Spiel genommen wurde, nutzten die zwar arg dezimierten, aber cleveren Hausherren die Gunst der Stunde. Tempelmeier und Zerbe gliechen acht Minuten vor Schluss zum 21:21 aus.

[Mister Zuverlässig: Bis auf einen Strafwurf leistete sich Gudjon Valur Sigurdsson bei seinen elf Toren keine einzige "Fahrkarte".]

Eine Auszeit der Gummersbacher zeigt keine positive Wirkung – im Gegenteil: Überhastet schließt Frank von Behren ab - und kassiert postwendend sogar noch eine Zeitstrafe, nachdem er Geirsson an den Hals gegangen war. Zwar kann Sigurdsson zweimal in Unterzahl mit seinen Treffern zehn und elf wieder für den VfL vorlegen, aber jeweils im Gegenzug der Ausgleich durch Zerbe und Geirsson – 23:23 bei noch dreieinhalb Minuten Rest.

Spätestens als Michael Hegemann, der pikanter Weise in der kommenden Saison beim TBV auflaufen wird, mit seinem Wurf weit über das Ziel hinaus schießt, und Geirsson mit Tor Nummer zehn zum 24:23 trifft, ist zweieinhalb Minuten vor Ultimo die Kuh vom Eis. Eine Zeitstrafe gegen Volker Zerbe und die offene Manndeckung gegen die TBV-Angreifer bringt Gummersbach zwar noch die Treffer zum 26:24 (Houlet, Hegemann und Spatz), aber der letztendlich verdiente Lemgoer Einzug ins EHF-Cupfinale gerät nicht mehr in Gefahr, Michael Binder erlöst das tobende Publikum Sekunden vor Schluss.

[Konnte heute im Angriff keinerlei Akzente setzen: "Franz" von Behren.]

Trainerstimmen:

Velimir Kljaic:
„Yoon hin oder her, es ist alles unsere eigene Schuld. Wenn man bei drei Toren Vorsprung aus einer Überzahl nichts macht, dann muss man einfach von Dummheit sprechen. Glückwunsch aber an den TBV Lemgo. Wir hatten es heute in der Hand, aber am Ende fühle ich mich ein bisschen wie ein Osterhase. Wir haben Lemgo Geschenke gemacht und so hat es am Ende nicht ganz gereicht. Leider haben wir in der entscheidenden Phase der zweiten Halbzeit nicht mehr die Ruhe gehabt und zu schlecht abgeschlossen, zudem ärgere ich mich, dass wir es nicht verstanden haben, richtig in der Abwehr gegen Geirsson zu stehen.“

Volker Mudrow: In Durchgang eins haben die Schiedsrichter das Spiel dominiert. So überragende Spieler wie Yoon und Jicha durften nicht mehr mitwirken, das ist schade. Dann mussten wir auch noch den Ausfall von Florian Kehrmann verkraften. Als Geschenk nehme ich die Partie allerdings nicht an, dafür haben wir viel zu sehr gekämpft. Es war ein dramatisches Spiel, aber ich habe der Mannschaft gesagt, dass sie geduldig spielen müssen, dass unsere Chance noch kommen würde. Das haben wir geschafft und dementsprechend bin ich natürlich glücklich.

VfL Gummersbach

Christian Ramota (1.-47. / 11 Paraden)
Steinar Ege (47.-60. / 4 Paraden, darunter ein Siebenmeter)

Kyung-Shin Yoon (Rot in der 17. Min.)
Frank von Behren
Francois-Xavier Houlet (3/1)
Denis Bahtijarevic (n.e.)
Daniel Narcisse (3)
Alexander Mierzwa (n.e.)
Ian Marko Fog (n.e.)
Robert Gunnarsson (3)
Michael Spatz (2)
Michael Hegemann (2)
Gudjon Valur Sigurdsson (11/3)
Denis Zakharov (2)

TBV Lemgo

Jörg Zereike (13.-60.)
Carsten Lichtlein (1.-13.)

Daniel Stephan (1)
Andre Tempelmeier (2)
Sebastian Preiß (1)
Christian Schwarzer
Asgeir Örn Hallgrimsson
Max Ramota
Volker Zerbe (3)
Florian Kehrmann (3)
Michael Binder (2)
Markus Baur (2/1)
Logi Geirsson (10/2)
Filip Jicha (1 / Rot in der 17. Min.)

Zuschauer: 3.700.

Schiedsrichter: Gerhard Reisinger und Christian Kaschütz (Österreich).

Beste Spieler: Gudjon Valur Sigurdsson, Christian Ramota (1. Halbzeit); Logi Geirsson, Jörg Zereike (2. Halbzeit).

Spielfilm: 0:2 (3.), 5:4 (11.), 6:7 (13.), 6:10 (21.), 8:13 (25.), 10:14 (29.), 12:14 (Halbzeit) – 13:17 (36.), 15:17 (40.), 17:21 (47.), 21:21 (52.), 22:23 (55.), 24:23 (58.), 25:26 (Endstand).

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