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Prozessauftakt beim A4-Tanklasterunglück: Witwe traf erstmals auf den Todesfahrer

bv; 27. Dec 2005, 15:40 Uhr
Oberberg Aktuell
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Prozessauftakt beim A4-Tanklasterunglück: Witwe traf erstmals auf den Todesfahrer

bv; 27. Dec 2005, 15:40 Uhr
(bv/31.8.2005-14:30) Gummersbach – Begleitet von einem enormen Medienaufgebot startete heute der Prozess gegen den mutmaßlichen Verursacher des Tanklasterunfalls am 26. August 2004, bei dem der Fahrer ums Leben gekommen und ein zweistelliger Millionenschaden entstanden war.
[Bilder: Bernd Vorländer --- Der vorsitzende Richter Peter Sommer (re.) und Richter Ulrich Neef leiten den Prozess.]

Claudia Probach-Menge ist aufgeregt. Zum ersten Mal seit dem tragischen Unglück im August des vergangenen Jahres, bei dem sie ihren Mann Alexander verlor, sitzt sie dem Angeklagten gegenüber. Mit einer Freundin hat sie vor Prozessbeginn auf einer Bank im Vorraum Platz genommen, hält ein Bild ihres Mannes vor sich und erträgt geduldig das Blitzlichtgewitter und die Kameras, die unaufhörlich auf sie gerichtet sind. „Nein“, sagt sie mit fester Stimme, „ich glaube nicht, dass es Gerechtigkeit gibt.“ Sie gehe davon aus, dass der Angeklagte sich bald seiner Freiheit erfreuen und auch wieder ein Fahrzeug lenken werde. Vor allem sei für sie unbegreiflich, dass der Mann nicht zu seinem Fehlverhalten stehe. „Ein Unfall kann geschehen, aber als ich von den Abhörprotokollen gehört habe, war ich geschockt.“.

[Begleitet von einer Freundin nahm die Frau des Opfers, Claudia Probach-Menge (re.) am Prozess als Nebenklägerin teil.]

Die Polizei hatte beim Abhören der Handys der beiden beschuldigten Brüder festgestellt, dass der zunächst geständige Rachid Assahub offenbar gelogen hatte, um seinen jüngeren Bruder Mustapha in Schutz zu nehmen. Letzterer hatte nämlich den BMW gesteuert, der in den schweren Unfall verwickelt war. Gerichtsverwertbar sind die Abhörprotokolle zwar nicht, doch konnte nach Monaten endlich geklärt werden, wer denn nun am Steuer des BMW gesessen hatte. Im Prozess hat sich Claudia Probach-Menge schräg gegenüber dem Angeklagten platziert, mustert ihn sehr oft.

[Verteidigerin Ulrike Tasic im Gespräch mit ihrem Mandanten.]

Doch Mustapha Assahub hockt zusammengesunken auf seinem Stuhl, blickt ständig nach unten, sucht hin und wieder visuellen Halt bei seiner Anwältin. Ulrike Tasic ist fernseherprobt, spielt bei „Barbara Salesch“ mit und gibt sich in Gummersbach reserviert und zurückhaltend. Nein, man wolle außer der Feststellung, dass Mustapha den Wagen gelenkt habe, zum jetzigen Zeitpunkt keine Äußerungen zur Sache machen, erklärt die rothaarige Verteidigerin auf Anfrage des Gerichts. Auch auf Seiten der anklagenden Staatsanwaltschaft führt eine Frau das Regiment. Susanne Berghoff ist Tasic’ Gegenspielerin. Sie klagt Assahub der fahrlässigen Tötung, des Fahrens unter Drogeneinfluss und ohne Führerschein an.

[Susanne Berghoff vertritt die Anklage im Wiehltalbrückenprozess.]

Mit Anklage und Verteidigung hatte das Schöffengericht am ersten Verhandlungstag wenig Probleme. Der vorsitzende Richter Peter Sommer ging mit einer klaren und straffen Führung in den Prozess, hakte akribisch bei den ersten Zeugenbefragungen nach, wollte jedes Detail ganz genau wissen. Nur einmal wurde er fuchsteufelswild, als ihm die Unruhe im Gerichtssaal zu groß wurde, herrschte er die zweite Verteidigerin wütend an. Dann war wieder Ruhe und zielgerichtetes Arbeiten angesagt.

Was am ersten Tag deutlich wurde, war die Tatsache, dass bei der Unfallaufnahme und Spurensicherung offensichtlich auch Pannen geschehen sind. Es habe so etwas wie „blinder Aktionismus“ vorgeherrscht, berichtete ein Polizeibeamter.

[In sich versunken, den Blick meistens zu Boden gesenkt, präsentierte sich zumeist Mustapha Assahub.]

Bei der Spurensuche etwa waren Reste von Lackpartikeln nicht gesichert worden, und dass die beiden Verdächtigen, Mustapha Assahub und sein Bruder, nach deren Festsetzung sowohl an der Unfallstelle als auch später im Krankenhaus Kontakt hatten, war so nicht geplant.

Spannend dürfte der morgige Verhandlungstag werden, wenn Zeugen gehört werden, die den Unfall gesehen haben. Prozessbeobachter vermuten, dass die Verteidigung des Angeklagten versuchen werden, dort einzuhaken. Bislang ist nämlich noch nicht zweifelsfrei geklärt, welches der beiden Fahrzeuge – der Tanklastzug oder der BMW – zunächst das andere berührt hat und somit das Unglück auslöste.

Vieles ist in diesem Prozess noch unklar, nur eines steht schon fest: Vor dem Amtsgericht ist als Höchststrafmaß lediglich eine vierjährige Freiheitsstrafe möglich.

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