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Weltreisende Blasmusiker mit erlesenem sinfonischem Sound

age; 6. May 2005, 00:00 Uhr
Oberberg Aktuell
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Weltreisende Blasmusiker mit erlesenem sinfonischem Sound

age; 6. May 2005, 00:00 Uhr
(age/24.4.2005-8:00) Gummersbach - Das Gebirgsmusikkorps Garmisch-Partenkirchen der Bundeswehr war im Theater Gummersbach zu Gast – für einen guten Zweck.
[Bericht: Andreas Vollberg, Bilder: Bernd Pütz --- Nicht weniger als 33 Konzerte mit verschiedenen Klangkörpern der Bundeswehr verdankt Marienheide und sein Umkreis der nimmer müden Initiative des ehemaligen Kreistagsabgeordneten Heinz Siemerkus. Kraft seiner vielfältigen, zudem erstaunlich bestandsfähigen Kontakte konnte er der langjährigen Orchesterparade nun einen prominenten Debütanten einreihen: das Gebirgsmusikkorps Garmisch-Partenkirchen.]



Im voll besetzten Bühnenhaus freute sich der Vorsitzende des Fördervereins Seniorenzentrum St. Mariä-Heimsuchung Marienheide, Dr. Heribert Oberhoffer, in einigen animierten Begrüßungsworten auf ein Highlight unter den deutschen Musikkapellen.

Wie zu den alljährlichen Marienheider Kirchenkonzerten mit dem Kammerorchester des Musikkorps betraute Siemerkus den von ihm gegründeten und bis vor einem Jahr geleiteten Förderverein mit der Veranstaltung des Benefizkonzerts, ebenso den Caritasverband für den Oberbergischen Kreis e. V. Und auch die Kreissparkasse Köln konnte in konstruktiver Verbundenheit erneut für eine finanzielle Unterstützung gewonnen werden.

Und nicht weniger temperamentvoll konnte Landrat Hagen Jobi als Schirmherr der Veranstaltung mit freudiger Genugtuung auf eine markante personelle Verbindungslinie von den Soldatinnen und Soldaten „unter dem Edelweiߓ zu unseren bergischen Landen hinweisen: auf den musikalischen Leiter Oberstleutnant Christoph Scheibling, Wipperfürther des Jahrgangs 1969, Marienheider Konzertgängern in bester Erinnerung durch das hochrangige Dirigat dreier Gastspiele des Kammerorchesters.

[Edelweiß und Lyra zieren das Emblem des traditionellen Garmischer Verbandes, Flexibilität in Repertoire und Besetzung hat man sich programmatisch auf die Fahnen geschrieben, wenn es jährlich etwa 160 Einsätze in der bayerischen Domäne neben Tourneen und Einladungen zu internationalen Militärmusikfestivals zu absolvieren gilt. ]

„Fördern durch Fordern“, lautet eine Formel der verantwortungsbewusst geschmacksbildenden Programmgestaltung, von der mit Bedacht zumal das musikalische Profil der ersten Konzerthälfte inspiriert schien. Denn diese stand im Zeichen der so genannten sinfonischen Blasmusik, die Maestro Scheibling mal gentlemanlike und didaktisch-informativ, mal flunkernd humorvoll einführte. „Wenn Sie sich unsere Homepage-Adresse notieren wollen, folgen Sie nach dem Konzert einfach unserem Bus!“.

[Exquisit und erlesen, ja seriös und diszipliniert die Dirigier- und Orchesterkultur. Vor dem eigentlich Sinfonischen der „Marsch Herzog von Braunschweig“: runder Wohlklang allenthalben, ein reiches, kraftvolles Volumen mit homogenem Schliff und wattiertem Timbre. ]

Keinerlei Allüren des kraftmeierisch Teutonischen, zu edler orchestraler Tonkunst stilisiert; dort wie im wienerisch betulicheren „Kaiser Franz Josef I. Rettungs-Jubel-Marsch“ von Johann Strauß und in den späteren Zugaben (Kaiserjäger und Oberbayern) entfaltete sich eine fein nuancierte Behandlung der Trio-Teile, in ihnen eine Gesangsmelodik, gestützt durch sensible Piano- und Legato-Werte. Auch im Marschrepertoire verspürte man eine nicht zu unterschätzende Facette von Lyrik und Sentiment.

[Eine Säule der Literatur für sinfonisches Blasorchester bilden bearbeitete Klassiker. Auf diesem Terrain profilierten sich die musikalischen Gebirgsjäger mit der Ouvertüre zu Richard Wagners Frühwerk „Rienzi“. ]

Bemühte sich dessen Titelfigur, seines Zeichens römischer Volkstribun, vergeblich um einen Dialog mit der Adelskaste, so war die Interpretation durch Scheibling und seine Mannschaft zweifellos von Erfolg gekrönt. Gebetsduktus, Hymnus, plakative Dramatik und zündende Partien im italienisch-französischen Opernfahrwasser ohne Leerläufe. Klangfarbliche Schattierungen durch den Klangapparat und die Anlage jeweiliger Arrangements auch in den zwei illustrativen Originalkompositionen: „Navigation Inn“ des Londoners Philip Sparke (geb. 1951). In grotesker Pointierung wird ein Treffen angelsächsischer Brass Bands in Nähe eines Gasthauses geschildert, ferner „El Golpe Fatal“ von Dirk Brossé (geb. 1960), effekt- und stimmungsgeladenes Szenario eines lateinamerikanischen Stierkampfs. Dies war übrigens ein Paradebeispiel eines Werks der zeitgemäßen und hochwertigen gehoben-konzertanten Unterhaltungsmusik.

Mit unerschütterlicher Konzentration und gesteigerter Spielfreude schöpften die knapp 50 Virtuosen aus einer Fundgrube der atmosphärischen Reize: Holzbläser-Eskapaden etwa der Klarinetten und Saxophone, spanische Kolorismen und Impressionismen in Melodik und Harmonik, perkussive Extravaganzen bis hin zu Shell chimes und Trillerpfeifsignalen, Bissiges von gestopften Trompeten, quirlende Ostinati, geschärftes Tutti zur Agonie des tödlich getroffenen Tieres und Schlusselegie mit ersterbendem Decrescendo.

Vor der Pause machte der polyglotte Streifzug sodann Station auf dem Balkan. Mit nunmehr wieder gezügeltem Furor und einem erstklassigen Klarinettensolo fegte Franz Listzs populärer Ungarische Rhapsodie Nr. 2 über die Bretter.

Leichtere, nicht weniger pikante Köstlichkeiten standen auf dem zweiten Teil der musikalischen Speisekarte. „Blauer Enzian“, ein Marsch des langjährigen Orchesterkollegen Ernst Hoffmann, stimmte ein auf Jazziges, Volkstümliches, Internationales - gleichsam Prüfsteine für die in ihrem Aufgabenkatalog festgeschriebene Vielseitigkeit der Musiksoldaten aus dem Olympiaort in Zugspitznähe.

[Im „Summer Waltz“ von Eckhard Kopetzki pulsierten rasche Swingrhythmen zum Marimbaphon-Solo des Hauptfeldwebels Thomas Engelstädter. ]

Big-Band-Allusionen eines „Salute to American Jazz“, einem Potpourri im Arrangement des legendären Sammy Nestico, wurzelten in der blassinfonischen Opulenz der großen Klangbatterie. Sei es in imposanten Solo-Passagen des neunköpfigen Trompetenregisters oder einer breiten Palette von Holzbläser-Kombinationen. Sei es in harmonischen Kunstgriffen wie ausgedehnten Akkordparallelen in fülligen Stimmkopplungen. Böhmisch-mährischer Einfluss mit einschlägigen Walzer- und Polkatakten. So stellte sich die Kulisse für „Solisten Capriolen“, einmütig geblasen von drei Trompeten-Solisten aus dem begleitenden Orchester dar.

Eine Nostalgiewelle mag sich hier besonders innerhalb der gut 100-köpfigen Fraktion Wipperfürther Landsleute im Publikum geregt haben. Stammte dieses reizvolle Charakterstück doch aus der Feder des als WDR-Sinfoniker, Starsolist, Wipperfürther Musikzugleiter und Talenteschmied unvergessenen Trompeters Franz Willy Neugebauer.

Und britisch-irisch-schottisch, ferner bayerisch-alpenländisch ging’s zu beim offiziell finalen Abschiedsliederpotpourri von „Amazing grace“ bis „Sag‘ beim Abschied leise Servus“.

[Besetzungsclous: drei Alphörner an der hinteren Saalwand, sodann die unter den diversen Kleinbesetzungen des Orchesters unverkennbar spezialisierte „Stub’n Musi“, last not least der klatschmarschgekrönte Vokaleinsatz „Auf Wiederseh’n in Garmisch-Partenkirchen“.]

Nach anerkennenden Worten des Stabführers auch fürs Publikum - der finanzielle Erlös kommt der Arbeit des Marienheider Seniorenzentrums zugute - überraschte ihn der Fördervereins-Vorsitzende mit einem Präsent der besonderen Art: einer Portätzeichnung seiner neun- und siebenjährigen Töchter Jacqueline und Juliette, nach Passfoto-Vorlagen lebensecht gezeichnet vom Heier Graphiker Klemens Köchling, die Heinz Siemerkus bei Scheiblings Gattin Susanne heimlich beschafft hatte. Feierlich verklang die gemeinsam intonierte Nationalhymne. Und alsbald rüstete sich die hellgrau uniformierte Musikerschar, ausgestattet mit Marienheider Marschverpflegung, zur nächtlichen Heimreise gen Süden.

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