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Statt vor Millionenpublikum in gepflegter Atmosphäre: Jazz in der Kneipe

om; 31. May 2004, 06:22 Uhr
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Statt vor Millionenpublikum in gepflegter Atmosphäre: Jazz in der Kneipe

om; 31. May 2004, 06:22 Uhr
(om/19.5.2004-13:25) Von Oliver Mengedoht
Wiehl - Ob Blues, Ragtime, Boogie Woogie oder Swing, Profis mit Jahrzehnten Bühnenerfahrung bis zu Newcomern - Musiker aus Jamaika, den USA, Österreich und Deutschland machten gestern Abend den "Jazz in der Kneipe" bei den 15. Internationalen Jazztagen zu einem Erlebnis mit hoher Unterhaltungsgarantie.
[Bilder: Oliver Mengedoht --- Rockröhre Guido Molzberger riss die Besucher im Sümpfchen mit.]

Mit sechs "Kneipen" - darunter ebenso ein französisches Bistro-Restaurant wie eine klassische Disco und ein Tanzzentrum - hatte der "Jazz in der Kneipe", wie die "Blues night" eine der Traditionsveranstaltungen der Wiehler Jazz-Tage, endlich wieder ordentlichen Zuspruch seitens der Macher, leider nicht überall vom Publikum, rein zahlenmäßig zumindest. Über ein volles Haus schon vor Beginn konnten sich die Veranstalter im Bielsteiner "Bistro Bonjour" sowie der dort auftretende Osnabrücker Thomas Gerdiken freuen. Eng, aber gemütlich ist es dort in jedem Jahr, das Repertoire des Künstlers mit Ragtime, Soul, Boogie Woogie und Blues passte auf jeden Fall auch gut in die familiäre Atmosphäre.



[Ausnahmetalent Henrik Freischlader (l.) und "Hoffi" Hoffmann von "Final Straw" im Kitty's.]

Vom "Feedback" lebt Gerdiken und so ließ er denn auch zu Beginn schon das Ende offen. "Das kommt auf das Publikum an", erklärte der Vollblutmusiker mit über 800 Konzerten und 25 Jahren Bühnenerfahrung, der 1990 im Vorprogramm von Fats Domino auftrat oder 2002 vor einem Millionenpublikum beim Tag der Deutschen Einheit vor dem Brandenburger Tor. Neben der Tastenarbeit "steppt" der studierte Pianist unter der Klaviatur mit und bringt eine gehörige Portion Humor mit.

In der "Alten Posthalterei" lud Ulli Kron zum Boogie Woogie ein, obwohl das Klavier völlig verstimmt war. "Zum Glück hatte ich noch zufällig ein geliehenes E-Piano im Auto, auch wenn ich diese Plastik-Instrumente nicht wirklich mag", erklärte er lachend dem Publikum. Aber das sei ja nun nicht zu ändern und man müsse halt das Beste draus machen, nahm er es locker.



[Vom Millionenpublikum am Brandenburger Tor ins kleine Bistro in Bielstein: Thomas Gerdiken aus Osnabrück.]

Ganz neu in der Veranstaltungsreihe präsentierte auch das Tanzzentrum Wiehl eine internationale Swing-Band, "The Uptwon Four featuring Beverly Daley" mit dem gebürtigen Österreicher Stephan Aschenbrenner (Saxophon) aus Gummersbach, der schon mit dem ATP-Trio bei den Jazz-Tagen auftrat, Werner Geck aus Iserlohn am Piano, Leonard Jones aus Chicago am Kontrabass, Hans G. Laaks aus Essen am Schlagwerk und der Sängerin Daley aus Jamaika. Traditioneller Swing und Mainstream, fetzige Titel, tiefgründige Balladen und Ohrwürmer, aber auch weniger bekannte Kompositionen der ganz Großen der Jazzgeschichte standen auf deren Programm.

Die Tanzzentrum-Betreiber Gaby und Bernd Polzin haben die Schule erst letztes Jahr übernommen und waren da zu spät, um noch in die Organisation der Jazztage zu passen, gingen aber mit dem Wunsch, sich zu beteiligen, auf Bürgermeister Werner Becker-Blonigen und Kulturkreis-Geschäftsführer Hans-Joachim Klein zu, die sie auch tatkräftig unterstützen. Klein hatte verschiedene CDs als Vorschläge mitgebracht und "wir haben uns für 'Uptwon Four' entschieden, weil man sich den Swing-Jazz auch gut anhören kann, selbst wenn man kein spezieller Jazz-Freund ist". Das Publikum dankte es, nur 30 bis 40 Prozent waren Stammkunden des Tanzzentrums, schätze Polzin, hauptsächlich seien es "Fremde". Für die erste Beteiligung waren die beiden zufrieden mit den gut 80 Gästen.



[Final Straw rockten im Kitty's.]

Ebenfalls noch relativ neu im Programm ist das Kitty's, das im letzten Jahr zum ersten Mal dabei war. "Final Straw" bot hier gitarrenorientierten Blues, neu und neu interpretiert: erdig, rockig, sensibel. Die Musik ist geprägt durch den 21-jährigen Ausnahmegitarristen Henrik Freischlader, einem - trotz seiner Jugend schon weit über Oberberg hinaus bekannten und gefeierten - Vollblut-Blueser, mit einem schier unerschöpflichen Reichtum an virtuosen Melodien und Riffs gesegnet, der 1999 mit Aron Burton, dem ehemaligen Bassisten von Albert Collins, in Berlin und Köln auftrat, 2000 in amerikanischen Clubs spielte, anschließend eine Konzertserie durch ganz Europa begann und zudem in den Bands Bluescream, Fools Trouble, LASH und Pastel spielt.

Der 27-jährige Drummer Tim Dierks entlockt die Riffs mit Hilfe seines inspirativen Spiels heraus, zu einem Blues-Sound wird das Ganze verbunden durch den Orgelteppich des 53-jährigen Michael Dierks und den 49-jährigen Bassisten Wolfgang Hofmann. Interpretationen von Blues-Klassikern gemischt mit Rock-Elementen - etwa von Jimi Hendrix, Jack Bruce oder Joe Bonamassa - und eigenen Songs brachte das Quartett mit großer Spielfreude.



[Ulli Kron spielte in der Alten Posthalterei auf.]

Als Newcomer traten im Sümpfchen die "Sniffy Dogs" an und begeisterten das Publikum von Wirt Frank Schnackers. "Der Hajo war mit verschiedenen Demobändern hier und ich finde, die Oberberger haben auch eine Chance verdient", erläuterte er die Wahl der "heimischen" Band.

Die Geschichte der "Sniffy Dogs" ist kurz, aber erfolgreich. Vier Musiker aus der »Szene« finden sich und gründen eine Rock- und Blues-Band. Nach knapp zwei Jahren wurde eine CD mit Songs in deutscher Sprache produziert. Erfolgreiche Auftritte, dann gingen Schlagzeuger und Sänger. 2002 kam eine Neubesetzung, "ein perfekter Drummer stößt zur Gruppe und wie gerufen taucht ein begnadeter Blues-Sänger auf", verkündet die Band selber. In kurzer Zeit wurde ein stimmiges Repertoire einstudiert und in den angesagten Szene-Kneipen des Oberbergs und der Rheinstädte präsentiert.



["Sniffy Dogs" Leadsänger Molzberger.]

Als ausgesprochen spielfreudige Live-Band erwiesen sich die Gummersbacher und Waldbröler - Guido Molzberger am Mikrofon, Thomas Clees am Schlagzeug, "F." am Bass und Uwe E. Hombach an der Gitarre - auch im Sümpfchen und rissen die gut 80 Besucher mit ihrer guten Laune, Rock und Blues mit.

Als Dauerbrenner erweist sich offenbar die "Next Blues Generation", die schon zum wiederholten Mal in der Discothek Black Box auftrat. Bekannte Blues- und Rockstücke, angelehnt an Künstler wie Eric Clapton, Albert Collins, Buddy Guy oder Jimi Hendrix prägen das Repertoire der Familienband, in der die musikalische Früherziehung offensichtlich nicht mit Blockflöte und Triangel stattgefunden hat. Senior Hans-Werner Backhaus hat scheinbar schon immer Musik gemacht und mit Gitarre und Bühne verwachsen zu sein. Musikalischer Kopf und Leadsänger ist Klaus Backhaus, als jüngster Backhaus ist Sam für die Rhythmus-Gitarre zuständig. Frank Backhaus spielt Schlagzeug, Thomas Gläser und Jürgen Raffelsieper den Bass.

[Die Jamaikanerin Beverly Daley swingte im Tanzzentrum.]



[In der "Black Box" trat erneut die "Next Blues Generation" auf.]



[Ulli Kron bediente sich ausnahmsweise eines E-Pianos.]



[Am Bass der "Sniffy Dogs": "F.".]



[Gediegene Swing-Atmosphäre im Tanzzentrum mit "The Up Town Four featuring Beverly Daley".]



[Uwe E. Hombach (linkes Bild) und Thomas Clees (Mitte) von den "Sniffy Dogs"; Beverly Daley.]



["Final Straw"-Schlagzeuger Tim Dierks.]



[Bluesrock im Sümpfchen.]



[Beverly Daley (linkes Bild) und Stephan Aschenbrenner.]







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