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Grandiose Premiere der Jubiläums-Eigeninszenierung „Anatevka“

pl-sl; 28. Nov 2003, 06:22 Uhr
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Grandiose Premiere der Jubiläums-Eigeninszenierung „Anatevka“

pl-sl; 28. Nov 2003, 06:22 Uhr
(pl-sl/16.11.2003-17:20) Von Peter Lenz und Simone Liebelt
Gummersbach – Tosende Beifallstürme gestern Abend im Gummersbacher Bühnenhaus: Das Theater der Stadt Gummersbach hatte zusammen mit der Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt zur Premiere der Eigeninszenierung von „Anatevka“ eingeladen.
[Bilder: Oliver Mengedoht --- Mit der zweiten Auflage von "Anatevka" konnte das Theater Gummersbach gestern Abend eine gelungene Premiere feiern.]

„Wenn ich einmal reich wär, fiedl didl didl di …“ – Wer kennt es nicht, dieses weltberühmte Lied aus dem Musical Anatevka? Gestern jedenfalls wurde das Stück den Besuchern im bis auf den letzten Rang voll besetzten Gummersbacher Bühnenhaus nochmals eindrucksvoll zurück in den Sinn gebracht. Reich waren zwar nicht die jüdischen Bewohner des russischen Dorfes in dem Musical, aber umso reicher beschert wurden gestern die Zuschauer bei der Premiere der erneuten Eigeninszenierung der Stadt Gummersbach – finanziell ermöglicht und eingeladen durch die Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt, die das Stück von Jerry Bock präsentiert.

[Tevje, der Milchmann, lebt im russischen Dorf Anatevka und will drei seiner fünf Töchter mit wohlhabenden Männern verheiraten.]

Fast zehnminütiger Applaus, nachdem der Vorhang gefallen war – keine Frage, die jüngste Gummersbacher Inszenierung bedeutet eine weitere kleine Sternstunde für das Bühnenhaus-Theater. Auch wenn man mit Superlativen vorsichtig umgehen muss, gestern fielen sie en masse – und zwar zu Recht! „Das war grandios, mitreißend, stimmungsvoll, unter die Haut gehend – einfach toll“, schilderte Bürgermeister Paul-Gerhard Schmitz seine Eindrücke bei der anschließenden Premierenfeier – und erntete hierfür breite Zustimmung.

[Im WIrtshaus gibt der Fleischer Lazar Wolf (links) seine Hochzeit mit Tevjes ältester Tochter Zeitel bekannt.]

Wir schreiben das Jahr 1905 und befinden uns im kleinen Dörfchen Anatevka in Russland. Traditionen und der jüdische Glauben werden unter den Bewohnern groß geschrieben. Dazu gehört auch, dass der Vater den zukünftigen Ehemann für seine Tochter aussucht beziehungsweise eine Heiratsvermittlerin diese Aufgabe übernimmt. Doch um 1905 wird Russland zwar noch von einem Zaren regiert, aber Veränderungen machen sich im Land breit, die auch das kleine Dorf Anatevka nicht verschonen werden.

Der Milchmann Tevje, gespielt von Franz Wyzner, muss für seine siebenköpfige Familie sorgen und will gleichzeitig seine Töchter, fünf an der Zahl, verheiraten. Kurz vor dem Sabbat verliert sein Pferd ein Hufeisen, und Tevje muss seinen Karren alleine ziehen. Auf dem Weg nach Hause trifft er auf Perchik, einen jungen Studenten aus Kiew, der aber neumodische Gedanken und Ideen hat. Er soll Tevjes Töchtern Unterricht geben.

Währenddessen hat Jente, die klatschsüchtige Heiratsvermittlerin des Dorfes, Golde, Tevjey Frau, darüber informiert, dass der Fleischer Lazar Wolf ein Auge auf ihre älteste Tochter Zeitel geworfen hat. Und damit beginnen für Tevje die Probleme, weil er sich zwischen den Traditionen und dem - zu diesem Zeitpunkt – neumodischen Gedanken der Liebe entscheiden muss.

Zwar stimmt Tevje einer mit Lazar Wolf zu und gibt dem wohlhabenden Fleischer auch seine Hand darauf, doch er lässt sich von Zeitel erweichen, sie mit Mottel, dem Schneider des Dorfes, zu verheiraten. Allerdings muss er sich schon einiges einfallen lassen, seine Frau davon zu überzeugen. Und so erzählt er ihr von einem Traum, in dem ihm ihre Großmutter Zeitel erscheint und verdeutlicht, dass Mottel der richtige für Zeitel ist. Auch bei seiner anderen Tochter Hodel ist es nicht viel anders. Sie liebt den Studenten Perchik, und beide verloben sich heimlich. Da Perchik an der „Weltveränderung“ mitwirken will, geht er zurück, wird aber verhaftet. Schweren Herzens entschließt sich Hodel, ihm nach Sibirien zu folgen und dort zu heiraten.

Doch dann wird das Dorf von den Unruhen erfasst. Russische Soldaten führen Hetzkampagnen durch und zerstören im Auftrag des Zaren während der Hochzeitsfeier von Zeitel und Mottel Haus und Hof von Tevje. Kurze Zeit später erreicht Anatevka die Nachricht, dass alle jüdischen Familien das Dorf innerhalb von drei Tagen verlassen müssen. Auch Tevje und seine Familie sind davon betroffen…

Die Solisten des Stückes, allen voran Franz Wyzner alias Tevje, überzeugen auf der Bühne durch ihr schauspielerisches Können und nehmen das Publikum mit auf eine Zeitreise ins Jahr 1905. Am Beispiel von Tevje werden die Veränderungen im Land, politisch und gesellschaftlich, eindrucksvoll deutlich gemacht. Wenn er eine solche Entscheidung zu treffen hat, wird die Bühne in blaues Licht getaucht und die Darsteller halten in ihren Positionen inne. Und immer wieder taucht der Fiedler auf, eine Figur, die die Schlüsselszenen des Musicals verdeutlichen soll.

Drei Stunden Musical und ein schweres Thema. Aber sowohl die Schauspieler, als auch der Chor des Theaters Gummersbach und das Orchester der Städte Remscheid und Solingen lassen auf vielfältige Weise die Zeit vergehen. Während der Umbauphasen ist es das Orchester, das mit einer entsprechenden Musik die Spannung aufrecht erhält, den Besucher aber auch zum Nachdenken anregt. Im Stück sorgen vor allem die musikalischen Einlagen für Begeisterung. So wissen die Solisten zum Beispiel durch ihr Können zu überzeugen, denn das eine oder andere Lied geht unter die Haut. Der Chor, entweder direkt auf der Bühne oder hinter den Kulissen versteckt, untermalen das Stück und stellen gleichzeitig den Zusammenhalt der jüdischen Bewohner von Anatevka dar. Kurzum eine gelungene Inszenierung, die begeistert, zum Nachdenken anregt und durch ihre mehr als gelungene Umsetzung eines Musicals nach Joseph Stein überzeugt.

25 Jahre Eigenproduktionen des Theaters der Stadt Gummersbach sind eng verbunden mit 25 Jahren musikalische Leitung durch Gus Anton und Inszenierungen von Siegfried Grote. Als Männer der ersten Stunde, die die Eigenproduktionen mit ins Leben gerufen haben, kann sich das Duo zahlreiche Erfolge auf die Fahne schreiben. Hier nur exemplarisch erwähnt „Madame Butterfly“ von 1992. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sie Theatergeschichte für Oberberg geschrieben haben, wobei ihr Ruf weit über die Kreisgrenze hinaus reicht.

„Sie haben aus dem Gummersbacher Theater eine Bühne gemacht, deren Bretter die Welt bedeuten“, so Schmitz. Zum Dank überreichte Bürgermeister Schmitz Siegfried Grote die kleine Stadtmedaille in Gold. „Dir kann ich sie heute leider nicht mehr geben, weil Du sie natürlich schon hast“, zwinkerte Schmitz in Richtung Gus Anton. Auf eine Flasche Champagner der Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt aber konnte sich dann auch der Kapellmeister freuen – passend zur grandiosen Premiere eben.

[Lazar Wolf mit der Heiratsvermittlerin Jente - gespielt werden die beiden von Wolfgang Krupp und Ulrike Busch-Ebel.]

Und denen, die gestern diese absolut sehenswerte Inszenierung nicht sehen konnten, seien die weiteren Vorstellungen ans Herz gelegt:

- 16. November, 16 Uhr (Anrecht N und Freiverkauf
- 21. November, 20 Uhr (Anrecht G und Freiverkauf)
- 28. November, 20 Uhr (Anrecht L und Freiverkauf)
- 4. Dezember, 20 Uhr (Anrecht C und Freiverkauf)
- 10. Dezember, 20 Uhr (Anrecht S und Freiverkauf)

[Bekamen tosenden Beifall: Tevje und Golde, gespielt von Franz Wyzner und Sarah Both.]

Die Solisten:

- Tevje: Franz Wyzner
- Golde: Sarah Both
- Zeitel: Katrin Glaser
- Hodel: Daniela Bosenius
- Chava: Doreen Ziegler
- Mottel: Boris Leisenheimer
- Lazar Wolf: Wolfgang Krupp
- Perchik: Lars Schmidtke
- Fedja: Björn Bobach
- Jente: Ulrike Busch-Ebel
- Der Fiedler: Brigitte Grote
















[Siegfried Grote (rechts) bekam im Rahmen der Premierenfeier von Bürgermeister Paul-Gerhard Schmitz (Mitte) im Besein von Gus Anton die kleine Stadtmedaille in Gold überreicht.]









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