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Mit Volldampf ins Ruhrgebiet: Bahn fährt jetzt bis nach Marienheide

lo; 11. Apr 2003, 17:14 Uhr
Oberberg Aktuell
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Mit Volldampf ins Ruhrgebiet: Bahn fährt jetzt bis nach Marienheide

lo; 11. Apr 2003, 17:14 Uhr
(lo/11.4.2003-16:50) Von Björn Loos
Gummersbach/ Marienheide - Jetzt ist auch die Gemeinde Marienheide an das Schienennetz des Verkehrverbunds Rhein-Sieg angebunden: Heute wurde die Strecke offiziell wiedereröffnet.

[Bilder: Oliver Mengedoht --- Großer Bahnhof einmal wörtlich: Landrat Hans-Leo Kausemann, Paul-Gerhard Schmitz und Uwe Töpfer geben die Strecke frei.]



Heute Mittag befuhr die Regionalbahn 25 von Gummersbach aus zum ersten Mal seit 17 Jahren wieder die etwa acht Kilometer lange Strecke bis nach Marienheide. Diese Reaktivierung ist dabei aber nur der erste Schritt in einem Drei-Stufen-Plan. Spätestens bis 2006 soll die Anbindung über Meinerzhagen bis zum Bahnhof Brügge (bei Lüdenscheid) und damit bis ins Ruhrgebiet geschaffen sein. 5,5 Millionen € hat die Reaktivierung der "ersten Phase" bis Marienheide gekostet, 90 Prozent davon trägt das Land Nordrhein-Westfalen.

[Die RB 25 am Bahnübergang in Wasserfuhr.]



Landrat Hans-Leo Kausemann begrüßte die Wiederaufnahme der Strecke, vor allem im Hinblick auf die in Zukunft zu befürchtende Verstärkung des Straßenverkehrs: "Deshalb greifen wir gerne auf die Schiene zurück." Marienheides Bürgermeister Uwe Töpfer unterstrich: "In acht Minuten kommen sie mit dem Auto nicht von Gummersbach zu uns."



"Dieser Schienenstrang hat eine Bypassfunktion", erklärte Kausemann mit Blick auf die künftige Bindung zwischen dem Großraum Köln über das Oberbergische Land bis in den Ruhrpott. Im unmittelbaren Einzugsbereich der Strecke von Rösrath bis Breckerfeld gäbe es rund 500.000 Einwohner und 200.000 Arbeitplätze. Somit sei die Region ein dynamischer Wirtschaftsraum, der auf solche preisgünstige - da schon bestehende - Bahntrassen zurückgreifen müsse.

[Der Zug war auf seiner Jungfernfahrt prall gefüllt.]



"Leider wurde lange keine gute Bahnpolitik gemacht. Die Bahn ist 40 Jahre lang vernachlässigt worden", betonte der Landtagsabgeordnete Gerd Wirth (SPD) aus dem Märkischen Kreis. Erst jetzt würden sich Streckenreaktivierungen wieder durchsetzen - mit durchschlagendem Erfolg. "Bei anderen Wiederaufnahmen sind die ÖPNV-Prognosen übertroffen worden." Der Verkehrsbund Rhein-Sieg (VRS), der gemeinsam mit dem Oberbergischen und Märkischen Kreis sowie dem Zweckverband Ruhr-Lippe (ZRL) den Anstoß für die Reaktivierung gab, rechnet mit 4.500 Kunden, die die Strecke zwischen der Kreisstadt, Marienheide bis nach Brügge täglich nutzen. Darunter sollen 2.200 Neukunden sein, die bisher nur auf das Auto zurückgegriffen haben. Weitere Vorteile laut VRS: Eine Zeitersparnis zwischen Gummersbach und Meinerzhagen (bisher nur fünfmal am Tag Busverkehr) von 20 Minuten, Richtung Norden spare man ohne den jetzigen Umweg Köln 1,5 Stunden ein.



[Der Sonderzug auf einem geraden Teilstück in der Nähe von Windhagen.]



"Auch vor diesem Hintergrund sind wir sicher, dass die Strecke von den Bürgern in Oberberg angenommen wird", sagt VRS-Marketing-Chef Dr. Wilhem Schmidt-Freitag. Wichtig dabei sei, einheitliche Tarife und eine engere Verknüpfung zwischen Bus und Bahn einzuführen. Zwischen VRS und ZRL sollen dazu die Übergangstarife abgeschafft werden. Schon vorher wird die OVAG ihr Busangebot bis zum Fahrplanwechsel am 15. Juni 2003 vollständig an den Bahnfahrplan anpassen.



[Auch hier großer Bahnhof: Im Gummersbacher Brauhaus fand eine Podiumsrunde statt.]



Die beiden beteiligten Kommunen stehen der Streckenerweiterung positiv gegenüber. Gummersbachs Bürgermeister Paul-Gerhard Schmitz: "Das ist der erste Schritt zu einer kurzen Verbindung ins Ruhrgebiet, von der wir und auch Marienheide sehr profieren werden." Marienheides erster Bürger Töpfer meinte dazu: "Wir sind bald an alle Mittel- und Oberzentren der Region angeschlossen. Dazu werden die Schulpendler einen großen Vorteil durch die Schienenanbindung bekommen." Marienheide würde zudem auch als Naherholungsgebiet attraktiver.

[Von Wasserfuhr aus fuhr der Zug Richtung Kotthausen weiter.]



Kritik erntet der Bahnsteig der Haltestelle Marienheide. Bekanntlich befindet sich das Gelände, das an den Bahnsteig angrenzt, in Privatbesitz. Trotz positiver Signale von Seiten der Gemeinde konnte man sich mit Besitzer noch nicht darüber einigen, ob die angrenzenden Parkplätze zum "Park and Ride" genutzt werden dürfen. Außerdem gibt es nur einen ziemlich schmalen, seitlichen Zugang zur Bahn. "Es kann nicht angehen, dass der Eigentümer des Parkgeländes nicht zwei Stellplätze zugunsten eines attraktiven Bahnsteigzugangs wegfallen lässt", kritisiert auch Gerd Mansel vom VCD (Verkehrclub Deutschland) Oberberg. Laut Töpfer sollen aber erneute Gespräche zwischen der Deutsche Bahn AG und dem Grundstückseigentümer stattfinden, um das Problem zu lösen.



[Gerd Wirth (Landtagsabgeordneter aus dem Märkischen Kreis) mit dem offiziellen Schild der Eröffnungsfahrt.]



Dass die nachbarschaftliche Schützenhilfe zwischen Gummersbach und Marienheide nicht über alle Grenzen geht, zeigt sich bei der Diskussion über einen weiteren Haltepunkt auf der Strecke zwischen den beiden Kommunen: Während Schmitz gegen eine Nebenstation ist ("Die Strecke lebt von wenigen Haltepunkten. Man muss ja nicht an jedem Haus anhalten."), weist Töpfer darauf hin, dass er den im Regelbetrieb vorgesehenen Zwischenstopp - mit finanzieller Hilfe des Landes - am liebsten in Kotthausen sähe.

Ab dem 20. April werden die Talent-Züge stündlich von Köln-Hansaring bis nach Marienheide und zurück fahren. Vom 1. bis zum 4. Mai sind allerdings noch einige Baumaßnahmen nötig, die Auswirkungen auf den Zugverkehr haben. Vom 1. bis zum 3. Mai werden im Bahnhof Gummersbach Weichen und Gleise erneuert. Die Fahrgäste müssen dann zwischen Dieringhausen und Marienheide in Busse umsteigen. Am 4. Mai wird ein Stellwerk in Betrieb genommen, bis 12 Uhr können keine Züge ins Oberbergische fahren. Ab Porz/Gremberghoven fahren Busse bis Marienheide.

[Podiumsdiskussion im Brauhaus (v.l.n.r.): Marienheides Bürgermeister Uwe Töpfer, Paul-Gerhard Schmitz (Bürgermeister Gummersbach), Dr. Harald Albuschkat (Ministerialrat NRW), Moderator Karsten Sander, Landrat Hans-Leo Kausemann, Landtagsabgeordneter Gerd Wirth, VRS-Marketingleiter Dr. Wilhelm Schmidt-Freitag und Rainer Graichen (Geschäftsführer Deutsche Bahn Rheinland).]

[Ein Blick aus dem Cockpit Richtung Marienheide.]



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