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Kunst aus der Todeszelle - >Raum< für Kunst & Kultur kämpft für Anthony Graves

vg; 5. Mar 2003, 17:17 Uhr
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Kunst aus der Todeszelle - >Raum< für Kunst & Kultur kämpft für Anthony Graves

vg; 5. Mar 2003, 17:17 Uhr
(vg/5.3.2003-16:45)Von Vera Giese
Gummersbach-Derschlag - Seit inzwischen fast elf Jahren sitzt der Afroamerikaner Anthony Graves, wie inzwischen feststeht unschuldig, in Texas in der Todeszelle – Eine Ausstellung mit seinen Gedichten und Bildern in einer Derschlager Galerie soll nicht nur finanziell bei der Wiederaufnahme des Prozesses helfen, sondern auch Solidarität bekunden.
[Bilder: privat --- Solche und ähnliche Bilder malt Anthony Graves in der Todeszelle und sie werden ab kommenden Samstag in der Galerie >Raum< für Kunst & Kultur in Derschlag zu sehen sein.]



Das Schicksal des 38-Jährigen sorgt längst nicht nur in den USA für Empörung, sondern auch hier in Oberberg nehmen Menschen Anteil an Graves Situation. Um ihm einen neuen und gerechten Prozess zu ermöglichen engagiert sich nun die Galerie >Raum< für Kunst & Kultur mit einer Ausstellung von Bilder, die Anthony Graves selbst gemalt hat und einem viertägigen Programm für den inhaftierten Familienvater. Alle Gedichte und Bilder die Graves während seiner Haft angefertigt hat, um den Mut nicht zu verlieren und die nun in Derschlag ausgestellt werden, können erworben werden und der Erlös kommt dem Verurteilten zu Gute, damit der Prozess neu aufgerollt werden kann.



Anthony Graves wird am am 22. August 1992 des Mordes beschuldigt und verhaftet. Ihm wird zum Verhängnis, dass er von einem jungen und unerfahrenen Pflichtverteidiger vor Gericht vertreten wird, der nicht verhindern kann, dass Graves zum Tode verurteilt wird. Inzwischen ist der wahre Täter gefasst. Er gestand den fünffachen Mord an einer texanischen Familie und entlastet damit Graves. Doch der Staat Texas denkt nicht an eine Freilassung, sondern besteht weiterhin auf der Gültigkeit der Rechtskraft und dem damals gefällten Urteil. Lediglich die Wiederaufnahme des Verfahren könnte Graves vor der Todesspritze bewahren, doch dafür fehlen ihm die finanziellen Mittel.

[Marina Vorländer, Anthony Graves deutsche Betreuerin, hat mit ihm bereits in dieser Besucherzelle gesprochen.]



Weltweit bemühen sich Freunde und Gegner der Todesstrafe um Graves Rehabilitierung. Eine von ihnen ist Marina Vorländer aus Wiehl, die auch die Ausstellung in der Galerie organisiert hat. Seit 2001 betreut sie Anthony Graves und steht mit der amerikanischen Betreuerin Bonnie Caraway in Kontakt. Eher zufällig ist sie mit diesem Fall in Berührung gekommen. "Eine Freundin hat mich vor gut einem Jahr zu Weihnachten gebeten ihr eine Adresse von Amnesty International abzunehmen, mit denen man mit Todeskandidaten in Kontakt tritt", erklärt Vorländer. Dass sie ausgerechnet an solch eine Tragödie geriet war vorher nicht klar. Im vergangenen Jahr besuchte sie Graves persönlich. "Ich war erstaunt über diese warmherzigen und lebendigen Augen", versichert Vorländer. Es sei nicht dieser bereits tote Ausdruck den man bei so viel anderen Todeskandidaten erlebe und die scheinbar schon mit allem abgeschlossen haben, wenn sie einen aus der kleinen Zelle durchs Plexiglas anschauten. Bei Anthony Graves überwiege die Hoffnung.



Als besonderes bemerkenswert empfand sie auch die Rolle, die Graves im Gefängnis übernommen hat. "Es ist die selbe verantwortungsvolle Rolle, die er bereits als Kind in seiner Familie übernommen hat, als sein Vater sehr früh verstarb", erläutert die Wiehlerin. Er sei das Oberhaupt und spende jedem Trost. Normalerweise bezahle der Staat die Anwaltskosten bei solch einem Fall, damit der Fall nochmals vor Gericht gehe. Aber bei Graves weigert sich Texas aus irgendeinem Grund und da Amerika ein Land der großen Summen sei, bräuchte man schon zwischen einer halben und einer ganzen Millionen Dollar, um die Kosten zu decken, versichert Vorländer. "Außerdem ist es in den USA sehr schwer, wenn man einmal verurteilt ist, das Recht zugesprochen zu bekommen, dass alle Beweise nochmals vorgelegt werden dürfen."

[In der Galerie >Raum< für Kunst & Kultur befindet in Derschlag werden nicht nur die Bilder und Gedicht von Anthony Graves ausgestellt, auch der größte Teil des rahmenprogrammes finden in den Räumlichkeiten statt.]



Natürlich wird auch die Ausstellung und die Vortragsreihe in der Derschlager Galerie lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein sein, aber es ist ein Zeichen der Solidarität. Hier das Programm an den einzelnen Tagen:

 

Samstag 8. März 18:30 Uhr >Raum< für Kunst & Kultur



Eröffnungsansprache: Walter Mittler, Amnesty-Vertretung, Gummersbach

Höhepunkt: Bonnie Caraway, amerikanische Betreuerin von Anthony Graves, Texas

Sie erzählt aus ihrem Leben mit Anthony Graves, für den sie kämpft, nachdem ihr Sohn

aus einem Gefängnis in Texas als anerkannt unschuldig entlassen wurde.

Deutsche Übersetzung: Frederike Kaemper, Gummersbach

Gitarren-Solo: Erik Zimmermann, Wiehl



Sonntag 9. März 10 Uhr Evangelische Kirche Wiehl

Familien-Gottesdienst mit Pastor Mehlau & Bonnie Caraway "The voice of Anthony"



Sonntag 9. März 15 Uhr >Raum< für Kunst & Kultur



Sumit Bhattacharyya, USA-Experte Amnesty, Stuttgart. Er berichtet über die verhängnisvolle Situation unschuldig Verurteilter.



Anschließend Podiumsdiskussion mit: Sumit Bhattacharyya, Bonnie Caraway,

Thorsten Konzelmann, SPD, Derschlag, Gabriele Krüper, Stadtanzeiger, Gummersbach,

Walter Mittler, Pastor Ralf Peters, evgl. Kirche Wiehl, Rita Sackmann, CDU, Gummersbach, Friedrich Söhnchen, B90-Die Grünen, Wiehl

Leitung und Übersetzung: Marina Vorlaender, dt. Betreuerin von Anthony Graves, Wiehl



Freitag 14. März 20 Uhr >Raum< für Kunst & Kultur



"POEMS" Lesung aus Anthony Graves gleichnamigem Gedichtband

Englische Version: Stephen Appleton, Köln

Deutsche Version: Peter Fieseler, Köln

Künstlerische Leitung: Claudia Maria Brinker, Rezitatorin, Engelskirchen

Dt. Übersetzung des Gedichtbandes: G. Pühler, M. Vorlaender, P. Kasten, Wiehl



Samstag 15. März 17 Uhr >Raum< für Kunst & Kultur



Lars Äke Augustsson, Schriftsteller, Autor soziokultureller Literatur, Stockholm

Schwerpunktthema unter anderem Todesstrafe. Er kennt Anthony Graves persönlich; berichtet über dessen privates Umfeld und die eigene Intuition, sich diesem Thema zu widmen.

Übersetzung - Frederike Kaemper, Wiehl

 

Sonntag 16. März 11 Uhr >Raum< für Kunst & Kultur



Jazz-Matinee mit "beer, wine and tears" Bernt Laukamp & Band, Engelskirchen

Deutsche Politik und Todesstrafe - Möglichkeiten und Taten

Christa Nickels, Menschenrechtsbeauftragte des Deutschen Bundestages, Berlin

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