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Fisch sucht Fahrrad oder: Spielregeln einer Singleparty

vg; 6. Jan 2003, 21:44 Uhr
Oberberg Aktuell
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Fisch sucht Fahrrad oder: Spielregeln einer Singleparty

vg; 6. Jan 2003, 21:44 Uhr
(vg/6.1.2003-21:30) Von Vera Giese
Wipperfürth – Einmal im Monat findet im Wipperfürther Kesselhaus eine Singleparty statt, auf der man dann neurotischen 15-Jährigen, gewinnorientierten Möchtegern-Don-Juans und noch aller Hand anderen skurrilen Figuren über den Weg laufen kann.

[Bilder: Mareike Aumüller.]



"Eine Frau hat einen Mann so nötig wie ein Fisch ein Fahrrad" - dieser Spruch scheint längst in der Mottokiste verschwunden zu sein. Heute gilt: "Ich bin nicht allein, also bin ich." Deswegen bekommen auch immer häufiger erst 15-jährige Mädchen psychotische Wahnvorstellungen darüber, dass sie eines Tages im Alter von 70 einsam und alleine sterben und einen die eigenen Haustiere - besonders gerne Katzen - anknabbern könnten, weil einen ja niemand vermisst. Und diese neurotischen Ausbrüche treiben dann die dem Barbie-Stadium erst vor kurzen entwachsenen Mädels immer wieder auf die Suche nach dem Traumprinzen - und wo geht dies leichter als auf einer Singleparty?

Aber auch das starke Geschlecht steht der vor Einsamkeit vergehenden Frauenwelt in nichts nach, nur mit dem Unterschied, dass ein Mann nie zugeben würde, dass ihn die Suche nach einer festen Bindung auf eine Singleparty treibt. Für ihn geht es einzig und allein um die Ökonomie des "Anbaggerns", denn wo kann man einfacher "heiße 'Chicks' abgreifen" als auf einer Singleparty? Der kleinst möglichste Einsatz mit der maximalen Gewinnausbeute lockt das männliche Geschlecht auf solche Partys, wie zum Beispiel das Kesseltreiben im Kesselhaus in Wipperfürth am vergangenen Samstag.

Das Schlimme ist nur, Single-Männer wirken meist nicht im geringsten anziehend auf die Frauen. Die Tatsache, dass sich viele weibliche Wesen in Männer in einer festen Beziehung vergucken liegt nicht etwa an dieser bescheuerten "Die-Früchte-aus-Nachbars-Garten-Theorie", sondern einfach nur daran, dass man dem vermeintlich starken Geschlecht die Verzweiflung oft ansieht.

Wer jedoch glaubt, dass auf Singlepartys alle Schikanen des Kennenlernens aus dem Weg geräumt seien, der irrt. Auch auf solchen Partys kann dem möglichen Glück lediglich auf die Sprünge geholfen werden. Das Problem des perfekten ersten Satzes an den oder die Auserkorene besteht weiterhin und das ist scheints schriftlich per Briefchen genauso schwer wie von Angesicht zu Angesicht.



"Hi, mein Name ist Kai und in meiner Freizeit beobachte ich gerne Vögel"



Dabei sollte jedoch bedacht werden, so frustrierend es auch ist, dass es meist keine Rolle spielt was man sagt, sondern wer es sagt. Ein gewisser James Bond konnte beispielsweise in seinem neusten Film beweisen, dass ihm selbst dann die Frauen zu Füßen liegen, wenn er behauptet Ornithologe zu sein. Man stelle sich dies einmal im realen Leben vor: "Hi, mein Name ist Kai und in meiner Freizeit beobachte ich gerne Vögel."

Sprüche wie "Ich habe meine Telefonnummer vergessen, kann ich deine haben?" oder "Ich glaube, deine Eltern waren Diebe und haben Sterne vom Himmel gestohlen und dir in die Augen gesetzt" sind aber mindestens genauso lächerlich und jeden dieser originellen Sätze hat eine Frau mindestens schon zehn Mal gehört. Um ernsthaft eine Chance zu haben bedarf es ein wenig Kreativität seitens der Männerwelt, denn die Frauen möchten sich einzigartig vorkommen, auch wenn sie sich mit Betreten der Party selbst zu einer Nummer gemacht haben.



Das Kesselhaus hat auch diesem Problem einen Riegel vorgeschoben. Wenn man sich die Nummer, die jeder am Eingang erhält und dann irgendwo am Körper anklebt, der auserwählten Person gemerkt hat, muss nur noch ein Briefchen an diese Nummer adressiert werden. Das besondere im Kesselhaus: Die Briefe sind bereits vorgedruckt und man muss nur noch das entsprechende ankreuzen.

Es kann gewählt werden zwischen:

"Ich schreibe dir weil,

- Du mir gefällst

- Deine Augen und Dein Lächeln ...

- ich dich gerne kennenlernen möchte"

und noch vielen weiteren sinnvollen Sprüchen. Natürlich darf auch die eigene Liebesnummer nicht fehlen, damit die oder der Angeschriebene vor einem Treffen, dass natürlich auch bereits auf dem Zettel festgelegt wurde, das Objekt noch überprüfen kann.

Prinzipiell sollte jeder Besucher einer Singleparty bedenken, dass man die Gäste meist in drei Gruppen unterteilen kann. Die Personen aus der ersten Fraktion treten meist in Rudeln auf und man erkennt sie daran, dass sie nahezu die gesamte Zeit an der Theke stehen und sich wahnsinnig darüber amüsieren, wenn sie es wieder geschafft haben, mit gefälschten Briefen das pure Entsetzen in die Augen der Partygästen zu treiben. Besonders beliebt bei den Scherzbriefen, sind vermeintlich schwule Pärchen. Dafür nehmen sie einfach die Nummern von zwei Kerlen und schreiben in deren Namen gegenseitig Briefchen und vereinbaren ein Treffen - zum Brüllen komisch, aber leider nur für die Vertreter der Gruppe eins.



Anhänger der zweiten Fraktion sind vornehmlich weiblich und kommen gerade aus einer verkorksten Beziehung und wollen auf solch einer Party ein wenig das Ego aufbauen. Diese Frauen werden zwar jeden Brief am DJ-Pult gewissenhaft abholen, sie jedoch nie beantworten, geschweige denn ein Treffen vereinbaren. Und dann gibt es natürlich noch die dritte Gruppe, die mit wirklichen Interessen auf die Singleparty kommt, aber auch bald keine Lust mehr am Briefe schreiben hat, weil sie entweder von Gruppe eins auf den Arm genommen oder von Gruppe zwei ignoriert wird.

Wer dies akzeptiert und mit nicht all zu großen Hoffnungen auf eine Singleparty geht, der kann dort eine Menge Spaß haben. Im Kesselhaus findet solch ein "Event" jeden ersten Samstag im Monat unter der Überschrift Kesseltreiben statt. Gute Musik gibt es dort alle Mal zu hören und wer weiß, vielleicht können alle Probleme, die eine Singleparty mit sich bringt, wahres Liebesglück gar nicht behindern...



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