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"Mr willen us chätt verzeêhlen" - Erzählte Geschichte aus erster Hand

lo; 15. Nov 2002, 12:17 Uhr
Oberberg Aktuell
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"Mr willen us chätt verzeêhlen" - Erzählte Geschichte aus erster Hand

lo; 15. Nov 2002, 12:17 Uhr
(lo/15.11.2002-12:15) Von Björn Loos
Oberberg - Landrat Hans Leo Kausemann stellte gemeinsam mit dem Wiehler Gronenberg Verlag das Mundart-Buch "Mr willen us chätt verzeêhlen" anhand der Aufzeichnungen des Nümbrechters Otto Kaufmann vor – Oberbergische Geschichten von Wunderheilern, Teufelswerk und lustigen Streichen.

[Bilder: Björn Loos --- Verleger Ernst Herbert Ullenboom, Landrat Hans Leo Kausemann, Übersetzerin Petra Mortsiefer, Thilo Skusa, Redakteur Ulrich Runkel stellten das Buch in der "Holsteinmsmühle" zu Nümbrecht vor (v.l.n.r.).]



Der Nümbrechter Heimatforscher Otto Kaufmann starb im Jahre 1985. In seinem Nachlass befanden sich zahlreiche Manuskripte und Tonbänder. Material, das Kaufmann während seiner jahrelangen Forschertätigkeit im Oberbergischen zusammengetragen hatte. Der Oberbergische Kreis erwarb einen Teil dieser Sammlung von Kaufmanns Erben.



Dabei stellte sich heraus, dass auf den Bändern viele Gespräche aufgezeichnet waren, die Kaufmann auf seinen Reisen durch die Dörfer des Kreises mit den älteren Bürgern geführt hatte. Die Aufnahmen waren allerdings in einer sehr schlechten Qualität. Mit dem Wiehler Thilo Skusa fand der Kreis einen Experten, der in seinem Tonstudio die Bänder mit allen Tricks der modernen Technik in mühevoller Kleinarbeit aufbesserte. Das Resultat waren 55 CD's mit einer Abspieldauer von je 60 Minuten.



Diese Aufnahmen als Basis nehmend, entschloss sich der Kreis, die umfassenden Arbeiten Otto Kaufmanns geschlossen herauszugeben. Da die Gespräche jedoch ausschließlich in Mundart – also dem jeweiligen Platt – geführt worden waren, hielt es der für das Buch verantwortliche Redakteur Ulrich Runkel für richtig, den Originaltexten eine hochdeutsche Übersetzung gegenüberzustellen.

[Verleger Ullenboom (l.) und Landrat Kausemann im Gespräch: "Mundart darf nicht verloren gehen".]



Petra Mortsiefer aus Nümbrecht übernahm diesen Part der Arbeit. Sonst als Übersetzerin für Englisch und Französisch tätig, musste sie jetzt das Platt ins Hochdeutsche übertragen. Mortsiefer: "Ich habe viel Spaß gehabt. Bei schwierigen Stellen habe ich einfach meine Eltern angerufen. Die beherrschen noch Platt."



Dass die jüngeren Leute oft nicht mehr Platt sprechen können, lag an einem gesellschaftlichen Sinneswandel in den sechziger Jahren. Zuvor war Mundart sogar noch in den Schulen gelehrt worden. Doch bald galt das einheimische Idiom als verpönnt. Der Verleger des Buches vom Gronenberg Verlag, Ernst Herbert Ullenboom, bestätigt: "Die Mundart wurde einem regelrecht ausgetrieben." In letzter Zeit findet aber eine kleine Renaissance statt. Landrat Hans Leo Kausemann ist als Herausgeber des Buches froh, dass das Platt gerettet worden ist: "Die Mundart soll den Menschen beibehalten werden." Und das wird auch ganz im Sinne Otto Kaufmanns gewesen sein. Wie bei seinen Aufnahmen zu hören ist, ermahnte er seine Gesprächspartner jedesmal, wenn sie ins Hochdeutsche verfielen: "Mr willen uns op Platt chätt verzeêhlen."



Das von der Kulturstiftung Oberberg der Kreisparkasse Köln finanziell großzügig geförderte Buch ist ab sofort für 29,60 € im Buchhandel erhältlich. Als besonderen Leckerbissen ist dem fast 400 Seiten starken Schmöker eine CD mit 20 Originalaufnahmen enthalten. Darunter auch eine echte Rarität: "Das Lied vom Brölbach". Eines der wenigen oberbergischen Mundartlieder.





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