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Jugendzentrum gegen Gewalt - 'Das könnten wir Profis nicht besser machen'

om; 22. May 2000, 23:40 Uhr
Oberberg Aktuell
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Jugendzentrum gegen Gewalt - 'Das könnten wir Profis nicht besser machen'

om; 22. May 2000, 23:40 Uhr
(om/22.5.2000-23:15) Gummersbach - "Was Besseres könnten wir als Profis auch nicht machen", beurteilte Jugendamtsleiter Michael Mertens die Aktion "Gegen Gewalt" einer im Oktober gegründeten Arbeitsgruppe des Jugendzentrums Innenstadt und der Stadtteilkonferenz...
(om/22.5.2000-23:15) Gummersbach - "Was Besseres könnten wir als Profis auch nicht machen", beurteilte Jugendamtsleiter Michael Mertens die Aktion "Gegen Gewalt" einer im Oktober gegründeten Arbeitsgruppe des Jugendzentrums Innenstadt und der Stadtteilkonferenz. Auf einer Pressekonferenz im Jugendzentrum erklärte Helga Auerswald, Vorsitzende des städtischen Jugendhilfeausschusses, zusammen mit den beteiligten Jugendlichen, dass "wir ein Zeichen gegen das Weghören und -sehen bei kriminellen Übergriffen setzen wollen, öffentlichkeitswirksame Aktionen durchführen und die Zivilcourage überprüfen wollen".






[Bild: Mengedoht/Die Jugendlichen, JZ-Leiterin Kohl (l.) und Helga Auerswald (r.) mit dem neuen Transparent]





Die 16-jährige Tamara Nobis erinnerte an den Beginn der Aktion, als die Stadtteilkonferenz auch Jugendliche zum Thema Gewalt eingeladen und dazu dann mit dem Jugendzentrum eine Arbeistgruppe egbildet hatte. Sie habe sich dort angeschlossen, "weil es so extrem geworden ist in letzter Zeit". Besonders am Busbahnhof käme es schonmal zu Prügeleien zwischen zwei Gruppen, "das habe ich schon mehrfach gesehen, häufig nach der Schule, drinnen ist es eigentlich selten". Was Tamara dabei besonders stört, ist, "dass manchmal Leute mitreingezogen werden, die gar nichts damit zu tun haben, bloß um sich Respekt zu verschaffen, cool zu sein".



Weiter ging es im Herbst letzten Jahres mit Plakaten vom "Weißen Ring" mit dem Vogel-Strauß-Motiv, die in der Fußgängerzone aufgehängt wurden und einer Fragebogenaktion im November. am 20. November hatten sich die Jugendlichen erneut mit einem Stand vor der Alten Vogtei aufgebaut, um die Ergebnisse zu präsentieren. "Wir haben auch ziemlich viel über das Wort Gewalt gesprochen - Gewalt fängt ja nicht für jeden auf der gleichen Stufe an", erläuterte Jugendzentrumsleiterin Karin Kohl. Die letzten Aktionen der Gruppe waren das Faltblatt "Hinsehen. Handeln. Hilfe holen!", eine Beteiligung am Comicwettbewerb zum Thema vom Landschaftsverband mit dem Entwurf von Natasha Lenz (16) und Tamara sowie die Bemalung der Litfass-Säule am Rathaus. Sie wurde mehrsprachig mit Sprüchen gegen Gewalt ("Große Fäuste - kleiner Verstand") bemalt, berichtete Shaid Pervaz-Montoya (18). Auch Lisa, Anna, Cindy und Nadine sowie zwei Sozialarbeiter waren an den Aktionen beteiligt, ebenso die ehemalige Praktikantin Christa.



VIELE NEUE AKTIONEN DER GRUPPE



Das neueste sind die Aufkleber mit dem (vor Gewalt) zerrissenen Globus für den Comicwettbewerb und der Aufschrift "Augen auf! Gewalt kann jeden treffen" und ein ebenso gestaltetes Transparent; "das wollen wir an der Brücke am Rathaus aufhängen", erklärte Alina Gense (17). "Anschließend soll eine Wanderausstellung durch alle Gummersbacher Schulen ziehen, die immer ergänzt wird", berichtete Gonca Kaymak (15), begonnen werde mit der Realschule Steinberg. Die Idee sei bei einem Treffen mit Lehrern entstanden. Ferner, so Gonca, solle mit der Radiowerkstatt des Katholischen Bildungswerkes eine Hörfunksendung für den Bürgerfunk auf Radio Berg produziert werden.



Was ist das Ziel der Jugendlichen? "Wenn wir die Menschen etwas zum Nachdenken bekommen, werden sie vielleicht etwas abgeschreckt", hofft Tamara. "Die Gewalt etwas hinunterzuschrauben", ergänzte Shaid. "Wenn Jugendliche selbst auf ein Thema aufmerksam machen", kam Jugendamtsleiter Mertens zu Hilfe, "habe ich die Erfahrung gemacht, dass es besser klappt". Im Jugendzentrum selbst, so Tamara, würden sich einige schon ruhiger verhalten, andere auch nicht mehr kommen. Mertens: "Da auch noch Schulen beteiligt sind, versprechen wir uns von der Aktion wirklich eine präventive Wirkung." JZ-Leiterin Karin Kohl bestätigte, dass das Verhalten der Mitmachenden abfärbe. "Etwas Besseres, als dass unsere Besucher sich für das eigene Haus einsetzen, kann uns gar nicht passieren." Tamara gibt zu, dass sie erst alle ausgelacht hätten, "aber seit den ersten Presseberichten nehmen die mich ernst".



ANLASS SIND OFT MISSVERSTÄNDNISSE ODER ÄUSSERLICHKEITEN



Das Kommissariat Vorbeugung der Polizei und der Bezirksbeamte hätten die Aktion ebenso begleitet und unterstützt wie der Förderverein des JZ, erklärte Kohl. Gewalt bedeute auch nicht nur, "sich die Rübe einzuschlagen", sondern beginne mit ganz kleinen Dingen. So habe sich einmal die afrikanische Freundin eines Türken mit einem anderen Afrikaner lautstark unterhalten. Das habe der Türke als Streit fehlinterpretiert und es sei schließlich wegen dieses Missverständnisses zur Prügelei gekommen - "und so etwas ist kein Einzelfall".



Gonca und Tamara geben an, oft bei Streits einzugreifen. Einmal, erinnert sich Tamara, habe sie einem kleinen Jungen geholfen, der bloß wegen anderen Aussehens im Bus verhauen wurde: "Der blutete schon, da habe ich mir den Älteren geschnappt und aus dem Bus geworfen." Als sie einen Lehrer darauf angesprochen habe, habe der nur gesagt, "der Kleine ist auch ein bisschen gestört". Das, empört sich Tamara, sei doch wohl kein Grund, gleich zuzuschlagen. Aber das passiere immer öfter, dass man mehr wegen Äußerlichkeiten fertiggemacht werde als wegen einer Pöbelei.







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