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Zwischenruf: Was jetzt zu tun ist, VfL

bv; 30. Apr 2018, 13:52 Uhr
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Zwischenruf: Was jetzt zu tun ist, VfL

bv; 30. Apr 2018, 13:52 Uhr
Gummersbach – Der Handball-Bundesligist steckt mitten im dicksten Abstiegsschlamassel, wird aber das rettende Ufer erreichen und könnte eine erfolgreichere Zukunft haben, wenn man jetzt die richtigen Entscheidungen trifft.
Nein, niemand muss in die Kirche gehen, um für den blau-weißen Handball-Bundesligisten zu beten. Die Kreisstädter werden sich retten - irgendwie. Fast ist man geneigt, Vergleiche mit Fußball-Dino Hamburger SV zu ziehen. Auch dieses Urgestein ist Meister darin, dem Tod in schöner Regelmäßigkeit von der Schippe zu springen. Dabei ist die Ausgangslage für den VfL noch um etliches besser. Ein Heimsieg gegen Aufsteiger N-Lübbecke, und die Abstiegssorgen dürften Vergangenheit sein. Das bekommen die Spieler von Trainer Denis Bahtijarevic hin, am Ende die „Todeszone“, die den sportlichen Super-GAU in der zweiten Liga bedeuten würde, hinter sich zu lassen. Ende gut - alles gut? Mitnichten. Der handballbegeisterte Fan wie der geneigte Beobachter erleben ein sportliches Desaster, das sich derzeit in sieben Siegen und sage und schreibe 23 Niederlagen manifestiert. Das Bundesliga-Überleben ist nur deshalb gegeben, weil sich andere Vereine mit wesentlich geringerem Etat zwar mühen, am Ende aber noch einen Hauch schwächer sind.


Wo liegen die Gründe? Es wäre zu einfach, die Entwicklung an der geradezu unheimlichen Verletzungsmisere festzumachen. Natürlich wiegt der Ausfall eines Simon Ernst schwer, er war schließlich der Kopf der Mannschaft. Oder das Handicap eines Florian Baumgärtner, der aufgrund seiner Fußverletzung nie in einen Rhythmus gekommen ist und sichtlich gehemmt spielt. Was wirklich schwer wiegt: Das Team ist ohne inneren Kompass zusammengestellt worden. Viele Akteure verfügen zwar über adäquate individuelle Stärken, mit ihrem Nervenkostüm steht es jedoch nicht zum Besten. Dem VfL fehlen „Anführer“ auf dem Spielfeld, für die es ein ganz besonderer Ansporn ist, wenn der Wind von vorne bläst, breite Schultern, die mit allen Wassern gewaschen sind und sich Respekt verschaffen.

Worauf es künftig ankommt? Der VfL Gummersbach benötigt ein sorgsam austariertes Spielergerüst, in dem es nicht nur auf sportliche Qualitäten, sondern auch auf Charakterstärke und Führungsqualitäten ankommt. Es bedarf eines Konzepts, mit dem junge Talente an die Bundesliga herangeführt werden. Dass ein Linkshänder der erfolgreichen A-Jugend eher bei einem Zweitligisten vor Anker geht, als die Kärrner-Tour in Richtung erste Liga auf sich zu nehmen, darf so nicht mehr passieren.

Und, wenn man wirklich Erstliga-Handball in der Kreisstadt präsentieren will, muss man sich finanziell anders aufstellen. Die sportlich Verantwortlichen bewegen sich in den engen Grenzen eines Budgets, das in nicht unerheblichem Maße durch die Wolkenkuckucksheime der Vergangenheit beschnitten wird. Immer noch siebenstellig sind die Verbindlichkeiten, immer noch wird man von plötzlichen Geldforderungen überrascht - wie vor wenigen Wochen. Aufgeben sollte man die Hoffnung nach einem Hauptsponsor. Wenn nicht ein Wunder geschieht, wird kein Mister X um die Ecke biegen, der nur darauf wartet, beim VfL Gummersbach viel Geld zu lassen.

Etwas anderes ist zielführender: Der VfL hat immer noch Aushängeschilder in seinen Reihen, die auch Überzeugungskraft besitzen. Dieses Pfund sollte man nutzen - nämlich die Wirtschaft in der Region zu überzeugen, noch intensiver in den blau-weißen Bundesligisten zu investieren. Oberberg hat wirtschaftliche Potenz, die SCHWALBE arena ist ein Schmuckkästchen, die Fans sind angesichts der schwierigen sportlichen Lage außergewöhnlich. Das Feld ist eigentlich bereitet: Jetzt müsste gesät werden, damit man in einigen Jahren ernten kann. Nur sollte man jetzt entschlossen und konzeptionell vorangehen - und die Region mitspielen, nicht irgendwie, sondern intensiv.
  
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