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Evaluation der Selbstsicherheits-Trainings: Ergebnis spricht für die Kurse

sl; 5. May 2002, 04:08 Uhr
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Evaluation der Selbstsicherheits-Trainings: Ergebnis spricht für die Kurse

sl; 5. May 2002, 04:08 Uhr
(sl/3.5.2002-18:35) Von Simone Liebelt
Oberberg – Heute Morgen haben Vertreter der Kreispolizeibehörde, der Kreis-Volkshochschule und der Uni Dortmund die Evaluation der Selbstsicherheitstrainings für Mädchen und Frauen vorgestellt: In 92 Prozent aller Fälle konnte ein Angriff nach Absolvieren eines Trainings erfolgreich abgewehrt werden.

[Bilder: Oliver Mengedoht --- Landrat Hans-Leo Kausemann und Ministerialdirigent Salmon (Mitte) gedachten vor Beginn der Veranstaltung der Opfer des Erfurter Amokläufers.]



Über der Präsentation der Ergebnisse lag heute Morgen ein dunkler Schatten: In einer Schweigeminuten gedachten die Teilnehmer der Opfer des Amoklaufes in Erfurt. Ein 19-Jähriger hatte 13 Lehrer, zwei Schüler, einen Polizisten und sich selbst getötet. Diese Tat, die sich vor einer Woche am Gutenberg-Gymnasium ereignete, versetzte ganz Deutschland in Trauer und stellte erneut die Frage nach den Ursachen und ob die Medien wirklich so viel Schuld haben.



In gewisser Weise kam diese Tat den Autoren der Evaluation sogar zu Gute. „In diesen Tagen wird die Brisanz der Prävention besonders deutlich“, erklärte Verena Bruchhagen von der Universität Dortmund bedrückt. Auch mache der dieser Fall deutlich, wie wichtig Netzwerke sind, die in einem solchen Fall sofort greifen könnten. Landrat Hans-Leo Kausemann bezeichnete den heutigen Tag, an dem in Erfurt von den Opfern Abschied genommen wurde, als einen wahren Volkstrauertag und bat die Besucher zu einer Gedenkminute.



Ministerialdirigent Norbert Salmon vertrat den Innenminister des Landes NRW, Dr. Fritz Behrens, der sich in Erfurt befand. „Dieses Ereignis macht deutlich, wie Gewalttaten das Leben unschuldiger Menschen zerstören kann.“ Fragen nach dem Warum würden sich jetzt aufdrängen, doch niemand könne die wahren Gründe heraus bekommen. Viele Dinge spielten dabei eine wichtige Rolle, wie zum Beispiel das soziale Umfeld, eine nicht intakte Familie oder eine geringe Selbstachtung.



Doch es konnte auch über etwas Erfreuliches berichtet werden, nämlich die Ergebnisse der Evaluation, die im Herbst 1999 begonnen und jetzt beendet wurde. Mit Hilfe eines Fragebogens ermittelten die Kreispolizeibehörde Gummersbach und die Kreis-Volkshochschule den Erfolg von Selbstsicherheitstrainings für Frauen und Kinder. Insgesamt 1.075 Fragebögen wurden an alle weiterführenden Schulen des Kreises geschickt, wobei 578 zurück kamen. Über diese Rücklaufquote von 54 Prozent freute sich Bruchhagen: „Dies haben wir mitunter auch den Lehrerinnen an den Schulen zu verdanken, die den Schülerinnen sehr geholfen haben.“

[Ministerialdirigent Salmon vertrat den Innenminister des Landes, Dr. Fritz Behrens, da dieser an der Trauerfeier in Erfurt teilnahm.]



Das Konzept des Landes NRW steht auf drei Beinen: der Prävention, dem Training und der Evaluation. Doch vor knapp drei Jahren mussten dieses Konzept und die verantwortlichen Personen, also Trainerinnen, auf den Prüfstand, da sich die Frage nach der Qualität stellte. Nach einer rund zweijährigen Prüfzeit konnte jetzt der Erfolg des Konzeptes festgestellt werden.



Ein Kurs ist aus sechs Bausteinen zusammengebaut: 1. „Der Überfall ist geplant.“ Hier geht es um die Aufklärung. 2. „Der Täter sucht sich das Opfer aus.“ Die Teilnehmerinnen lernen ein sicheres Auftreten. 3. „Der Angriff mit Worten.“ In einem Rollenspiel lernen die Mädchen, „Nein“ zu sagen. 4. „Der Angriff.“ Hier geht es darum, den Stress zu bewältigen und das Gelernte korrekt und ohne Schock abzurufen. 5. „Der körperliche Angriff“ - hier kommt die Selbstverteidigung zum Tragen. 6. „Die Situation nach einer Vergewaltigung“ - die Mädchen erhalten Hilfe und werden über Rechte und Anzeigen informiert.



Beantworten sollten die Mädchen nicht nur Fragen zu den Delikten und den Örtlichkeiten, sondern auch zu organisatorischen Dingen. So kam es zum Beispiel auf die subjektive Einschätzung von Gefahren, die Trainingsleitung, aber auch auf die Mitarbeit der Polizei an. Durch solche Fragen wollten sich die Autoren auch ein Bild über das Anzeigenverhalten vor und nach einem Training machen.



Die Ergebnisse:



Die Ergebnisse sind durchweg positiv. Nach der Teilnahme an eine dreitägigen Selbstsicherheitstraining haben sich folgende Zahlen ergeben. 906 Delikte waren es vorher, nachher „nur“ noch 386. Dies ist ein deutlicher Rückgang, der die Beteiligten sehr positiv gestimmt hat. „Spitzenreiter“ bei den sozialen Örtlichkeiten sind Freizeit (519 zu 225) und Schule (308 zu 129). Eigentlich hatten die Autoren einen anderen Bereich vorne erwartet. Bruchhagen: „Eigentlich hatten wir gedacht, dass es während eines Praktikums zu vielen Delikten kommt, da die Mädchen ihre gewohnte Sicherheit verlassen. Aber dies hat sich keineswegs bestätigt.“



Bleibt festzuhalten, dass sich die Zahl der Delikte in einigen Fällen mehr als halbiert hat. Nach einem Training, so das Ergebnis der Überprüfung, konnte in 92 Prozent aller Fälle eine Straftat verhindert werden. Lediglich in acht Prozent aller Fälle kam es zu einem Delikt.

[Freddy Müller (KPB), Monika Büttner und Angela Pfister (VHS; linkes Bild) haben die Selbstsicherheitstrainings unter die Lupe genommen; Verena Bruchhagen von der Uni Dortmund stellte die Ergebnisse heute Morgen vor.]



Das Fazit:



„Das Konzept kann als sehr erfolgreich angesehen werden“, schlussfolgerte Bruchhagen. Mit an diesem Erfolg beteiligt ist auch die große Resonanz, die die Kurse bei den Mädchen und Frauen finden. Dies sei aber nur durch ein flächendeckendes Angebot möglich, so Bruchhagen weiter. Monika Büttner von der Kreis-Volkshochschule machte deutlich, dass die Schule der richtige Ort ist, um solche Kurse durchzuführen. „In den Erwachsenen-Kursen bekommen wir nicht alle Frauen, da es auch einige gibt, die sehr schüchtern sind oder meinen, sie bräuchten einen solchen Kurs nicht. In den Schulen aber erreichen wir alle Mädchen und Frauen.“



Die Verantwortlichen wollen die Evaluation nicht ungenutzt im Raum stehen lassen. Sie wollen etwas aus ihr heraus holen. Durch die Untersuchung konnten Schwächen aufgezeigt werden. Büttner: „Wir können jetzt an einigen Kursen noch feilen oder sie in andere Altersgruppen verlegen.“



Die komplette Untersuchung, die in Zusammenarbeit mit der Uni Dortmund entstanden ist, ist auf rund 200 Seiten auf Papier gebracht. Interessierte finden neben dem sachlichen Aspekt auch Tabellen und Grafiken, die die ganze Untersuchung veranschaulichen und belegen.

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