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Romeo und Julia nach dreißig Jahren Ehe
(vma/22.4.2002-22:35) Von Vera Marzinski
Wiehl - "Es war die Lerche!" - auch nach mehr 30 Jahren Ehe sind sich Romeo und Julia in Ephraim Kishons gleichnamigem Theaterstück immer noch nicht einig, ob die Nachtigall oder die Lerche sie in der Hochzeitsnacht aus ihren süßen Träumen geweckt hat das Schau-Spiel Studio Oberberg zeigt dies seiner neusten Inszenierung.

"Romeo und Julia" die als "Schönste Liebestragödie der Weltliteratur" bezeichnete Tragödie von Shakespeare. Zwei Liebende, deren Elternhäuser zerstritten sind und die sich dennoch heimlich trauen lassen doch das Schicksal meint es nicht gut mit ihnen, denn sie begehen Selbstmord: Er, weil er glaubt, dass sie tot ist und sie daraufhin, weil er ihretwegen den Freitod wählte. So grausam William Shakespeare es enden ließ Ephraim Kishon wendete die Tragödie zum heiteren Trauerspiel. Irgendwann einmal schrieb Ephraim Kishon auf einen Zettel: "Scheidungsprozess von Romeo und Julia" und malte sich aus, was passiert wäre, wenn Romeo und Julia miteinander alt geworden wären.

"Es war die Lerche" von Ephraim Kishon - für diese Inszenierung konnten der Vorstand und der künstlerische Leiter des Schau-Spiel-Studios die Regisseurin Estera Stenzel aus Köln gewinnen. Die drei hervorragenden Schauspieler stammen aus den Reihen des Schauspielstudios. Herausragend hier sicherlich Angela Harrock, die sowohl als schwerhörige, schwatzhafte 85-jährige Amme mit ausgeprägter Mimik überzeugt, als auch als "krasse" schnöselige 14-jährige Tochter Lucretia und natürlich als die Julia im Alter von 43 Jahren ihre Rollen auf das Köstlichste ausspielt.
Mit großer Einfühlsamkeit kreiert ihr Romeo, Sepp Kliewe, seinen Part. Nicht nur als der weniger wohlhabende Balettlehrer, der seine Ehefrau nur in der Hochzeitsnacht beglückte, sondern auch als dementer alter Pater mit unverhohlenen grabbeligem Sexinteresse, gewinnt Kliewe die Sympathie des Publikums. Angela Harrock und Sepp Kliewe genießen die Rollen, ihre Spielfreude ist von der ersten Szene an sichtbar: sie singen, tanzen, toben, streiten und lachen - sind einfach nicht aufzuhalten.

Und schließlich ist da noch "Willi" Jörn Wollenweber -, der als William Shakespeare die erhabene Sprache auf die Bühne bringt. Der Sündenbock als Schöpfer der beiden literarischen Gestalten. Wollenweber gibt diese Rolle mal zerknirscht, mal reichlich abgehoben einfach virtuos und hochgradig gelungen. Als Schürzenjäger möchte er sich mit Tochter "Luci" aus dem Staube machen, doch erst will er sein Werk auf Renaissance-Weise vollenden. Sollen sich Romeo und Julia doch gegenseitig vergiften. Nur die entziehen sich zum Glück oder zu ihrem Unglück noch einmal ihrem literarischen Schicksal.

Das Eheleben steht im Mittelpunkt des Stückes. Ein Zyklus mit konstruktiven und destruktiven Seiten. Die Ehepartner brauchen keine Fragen mehr zu stellen, so wie Julia vor dem Einkauf auf dem Markt, denn die Routine ist nach 30 Jahren so sehr eingekehrt, dass die Antwort sowieso immer gleich ausfällt. Aber auch der schöne Schein darf nicht zerstört werden. Findet man in der Ehe nicht das, was man herbeisehnt, so sucht man sich andere Dinge wie Romeo seine Lisa. Nicht etwa eine andere Frau. Nein, eine einfache rote Wärmflasche, die jedoch die Eifersucht von Julia entflammen lässt.

Und auch sonst ist es um ihr Eheleben so schlecht bestellt, dass es sogar William Shakespeare persönlich aus seinem Grab holt: "Das schönste meiner Liebesdramen habt Ihr zu einem lächerlichen Possenspiel zerpflückt", zürnt der große Dichter. Die anmutige Julia ist nunmehr eine um ewige Jugend ringende Hausfrau und verkniffene Nörglerin geworden. Resigniert ist der einst holde Jüngling Romeo, der um seine Geliebte kämpfte und nun seine Familie mit dem dürftigen Gehalt eines fünftklassigen Ballettlehrers ernährt. Ephraim Kishon zeichnet in seiner unnachahmlichen ironisch-zynischen Art den endlosen Streit eines Ehealltags um Geld, Abwasch und die Kardinalfrage: Liebst Du mich eigentlich noch? Und immer noch ist die Frage der beiden aus der Hochzeitsnacht nicht geklärt: War es die Lerche oder die Nachtigall, die vor dem berühmten Balkon gesungen hat?

Mit Estera Stenzel ist hier eine Regisseurin am Werk, die beweist, dass sie ihr Handwerk gut kennt einen weiteren Beweis wird sie am 1. Juni 2002 mit "Der Kreidekreis" von Klabund in Wiehl auf die Bühne bringen. Die Diplom-Schauspiellehrerin ist Dozentin für Grundlagen, Ensemblearbeit und Szenenstudium am "theater der keller". Hier können Studentinnen und Studenten eine dreijährige Ausbildung absolvieren, die einen sehr betonten Werkstatt-Charakter hat. Mit "Es war die Lerche" ist ihr eine durch-und-durch gelungene Inszenierung gelungen.

Der Autor des Stückes - Ephraim Kishon - gehört zu den erfolgreichsten Autoren satirischer Literatur. Die Weltauflage seiner Bücher liegt bei über 41 Millionen. Er schrieb mehr als sechs Theaterstücke, die außer in Israel auch in anderen Ländern aufgeführt wurden. Im August 1924 wurde Kishon in Ungarn geboren und, wie er selbst sagt, "neugeboren" 1949 in Israel. Das Stück "Es war die Lerche" entstand 1974 und wurde im gleichen Jahr am Habimah-National-Theater in Tel Aviv in der Regie des Autors uraufgeführt, während es schon 1975 am Schauspiel-Haus-Zürich seine deutsche Erstaufführung erlebte.

Das heitere Trauerspiel von Ephraim Kishon in der Inszenierung des Schau-Spiel-Studios Oberberg ist nach der Premiere am 19. April noch zu sehen am
-Mittwoch, 24. April
-Freitag, 26. April
-Samstag, 27. April
-Sonntag, 28. April
-Mittwoch, 29. Mai
-Mittwoch, 5. Juni
-Freitag, 7. Juni
-Samstag, 8. und
-Sonntag, 9. Juni,
jeweils um 20 Uhr in der Aula der Grundschule Wiehl, Warthstraße 1.
Kartenvorverkauf: Wiehl-Ticket, Rathaus, Bahnhofstraße 1, 51674 Wiehl, Tel.: 02262/99-285, Fax: 02262/99-185.