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Dem Sterben einen Platz im Leben einräumen

vma; 29. Jun 2014, 11:19 Uhr
Bilder: Vera Marzinski --- Prominenter Gastredner beim „3. Palliativtag Oberberg“: Franz Müntefering, der über einen würdevollen Umgang mit kranken, leidenden und sterbenden Menschen und ihren Angehörigen sprach.
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Dem Sterben einen Platz im Leben einräumen

vma; 29. Jun 2014, 11:19 Uhr
Nümbrecht – Als prominente Unterstützung kam Franz Müntefering, Staatsminister a. D., zum „3. Hospiz- und Palliativtag Oberberg“ in die Rhein-Sieg-Klinik in Nümbrecht und sprach zum Thema „Die Achtung vor dem Leben - Sterben in Würde“.
Von Vera Marzinski

Die Veranstalter – die Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik Nümbrecht, die ambulante Malteser Hospizgruppe Wiehl-Nümbrecht und Weitblick sowie der Standortlotse Nümbrecht, Horst Fasel – hatten auch zum dritten Palliativtag wieder ein informatives Programm zusammengestellt. So konnte Angehörigen und Betroffenen, medizinischem Fachpersonal und Interessierten die Themen Hospiz und Palliativmedizin nähergebracht werden. Ausgewählte Lieder steuerten Ute und Friedemann Rink als musikalischen Rahmen bei, wie das Stück „Wegbegleiter“.



Wegbegleiter und ein gutes Netzwerk sind wichtig, wenn das Sterben kommt. Franz Müntefering erzählte von den Damen des katholischen Sozialdienstes, die seine Mutter 1985 begleiteten, als sie sterbenskrank war. Damals sprach man noch nicht von Hospiz sondern von Sterbebegleitung. „Sterben ist ein Stück des Lebens“, betonte er und das Begleitung hier wichtig sei. „Es ist etwas, was alle Menschen brauchen“ und dabei solle die Individualität und Würde des Menschen erhalten werden. Er wies darauf hin, dass sich die Gesellschaft verändere und die Menschen immer länger leben würden. „Unsere Familien sind bunter und kleiner und wohnen nicht mehr zusammen“.

Es müssten neue Formen des Zusammenhaltes entwickelt werden, denn die Einsamkeit sei ein zentrales Problem. „Soziale Kontakte sind eine Voraussetzung, damit man lange stabil bleibt“. Die sei nicht nur wichtig in der letzten Lebensphase sondern auch beim Altwerden. „Ehrenämter sind eine gute Möglichkeit fit und in Kommunikation zu bleiben“. Auch auf das Thema Sterbehilfe ging Müntefering ein, ebenso auf die immer noch schlecht bezahlte Pflege.


[Die Palliativversorgung im Oberbergischen sei „befriedigend“, so Prof. Dr. August-Wilhelm Bödecker in seinem Vortrag – aber es gebe noch viel zu verbessern.]

Über „Ambulante Palliativversorgung im ländlichen Raum“ sprach Prof. Dr. August-Wilhelm Bödecker. Er gehört zu den 17 Ärzten im Oberbergischen, die eine qualifizierte Zusatzausbildung als Palliativarzt haben. Weitere 26 Kollegen verfügen über eine Fortbildung in diesem Bereich. Die Therapie am Ende des Lebens sehe anders aus und auch der Beistand sei im hohen Maße eine wichtige Aufgabe. Zwar sei auf der Übersicht der Palliativversorgung im Oberbergischen Kreis ein weißer Fleck, doch das liege auch daran, dass hier nur Praxen aufgeführt werden, die mindestens 25 bis 30 Prozent palliativ tätig seien. Kreisweit, jedoch hauptsächlich im südlichen Teil des Oberbergischen Kreises, gebe es ein hohes Engagement an palliativer Versorgung, so Bödecker. Dazu zählen nicht nur die Ärzte mit entsprechender Qualifizierung - auch Pflegedienste und ehrenamtliche Hospizgruppen. Sowie zudem die Palliativstation des Klinikum Oberberg in Waldbröl mit sechs Betten für Palliativpatienten.


[Aktiv beim 3. Palliativtag (v.l.): Dr. Markus Ebke (Chefarzt Rhein-Sieg-Klinik), Dr. Jörg Nürmberger (Oberbergischer Kreis), Prof. Dr. August-Wilhelm Bödecker, Horst Fasel (Standortlotse Nümbrecht), Franz Müntefering, Anke Bidner (Malteser Hospizgruppe Wiehl), Prof Dr. Stefan Lorenzl, Andreas de Noni (Leiter Johanniter Hospiz Wiehl), Dr. Stefan Brettner (Chefarzt Palliativmedizin Waldbröl), Michael Adomaitis (Johannes-Hospiz Oberberg Stiftung). ]

Wie wichtig die ärztliche Begleitung – auch der Angehörigen – sei, sprach Prof. Dr. Stefan Lorenzl vom Klinikum Großhadern in München an. Er ging in seinem Vortrag „Palliativmedizin bei neurologischen Erkrankungen“ nicht nur auf die Endversorgung bei Schlaganfall- oder Parkinson-Patienten ein, sondern auch auf die von Krebspatienten. In allen Fällen sei es wichtig, die Angehörigen, die teilweise jahrelang aufopfernd pflegen und dadurch oft in eine soziale Isolation geraten, im Blick zu haben. Sozialmedizinische Problemfelder, die Lebensqualität trotz fortscheitender Erkrankung und palliativmedizinische Maßnahmen beleuchtete Lorenzl.

Wie die Palliativpflege in Alten- und Pflegeeinrichtungen aussehen kann, zeigten Monika Schmidt (Pflegedienstleiterin) und Uwe Thüring (Qualitätsmanagementbeauftragter) vom Seniorenzentrum Bethel Wiehl auf. Die beiden Moderatoren des „3. Palliativtages Oberberg“, Dr. Markus Ebke (Chefarzt Neurologie Rhein-Sieg-Klinik) und Dr. Stefan Brettner (Chefarzt der Klinik für Onkologie, Hämatologie und Palliativmedizin am Kreiskrankenhaus Waldbröl GmbH) führten durch den Vormittag und fassten abschließend die wichtigsten Punkte noch einmal zusammen.

Zudem kündigten sie an, dass es auch im nächsten Jahr wieder einen Palliativtag geben werde. Denn, so schon Dr. Jorg Nürmberger, der für den Oberbergischen Kreis sprach,: „Sich mit Sterben auseinanderzusetzen ist für jeden ein Thema“. Der Palliativtag habe sich als öffentlichkeitswirksame Veranstaltung etabliert und zeige auf, wie man mit Sterbenden umgehen könne sowie die individuellen Bedürfnisse von Patienten und Angehörigen, so Nürmberger. „Wir müssen dem Sterben wieder einen Platz im Leben einräumen.“
  
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