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Fünf Jahre Partnerschaft mit Swiebodzice; Soirée polnischer Literatur

vma; 14. Apr 2005, 21:00 Uhr
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Fünf Jahre Partnerschaft mit Swiebodzice; Soirée polnischer Literatur

vma; 14. Apr 2005, 21:00 Uhr
(vma/29.11.2001-13:20) Von Vera Marzinski
Waldbröl – Ein ganz besonderes Fest gestaltete der Förderverein von Städtepartnerschaften anlässlich des fünfjährigen Bestehens der Partnerschaft mit Swiebodzice/Polen in der Mensa der Gesamtschule.

[Bilder: Vera Marzinski --- Die polnischen Schriftsteller und Moderator Hubert Wohlan stellten in kurzen Ausschnitten die Werke "Tod in Danzig", "Die Gouvernante" und "Der Teufel auf dem Kirchturm".]



Eine ganz besondere Bedeutung hatte auch der Veranstaltungsort: Vor drei Jahren probten hier Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule Waldbröl und des Lyzeums Swiebodzice für die Aufführung des Musicalprojektes „East-Side-Story“. Dieses „kulturelle 'Highlight'“, so, Gesamtschulleiter Heinz-Josef Delissen, zähle ebenso zu den Besonderheiten der Partnerschaft, wie die Ernennung der drei Ehrenbürger – Armin Fuchs, Monika Höfer und Lorenz Pevec. Für seine Deutschkurs-Schüler stellte er anlässlich dieses Festes und der Lesungen für die nächsten Unterrichtsstunde die Frage "Können Schriftsteller Brücken bauen?"

[Margaux Kier, begleitet von den "Banditen", präsentierte lyrische Chansons, die sie größtenteils der Thematik der vorgelesenen Literatur anpasste.]



Konsul Wojciech Jakubowski vom Generalkonsulat der Republik Polen in Köln, erzählte nicht nur von der neuen Richtung der Literatur in Polen nach der Wende, sondern beantwortete den Deutsch-Kursteilnehmern die Frage: "Natürlich können Schriftsteller Brücken bauen." Nicht mit der Vergangenheit, sondern mit aktuellen Themen beschäftigen sich die Schriftsteller in Polen, die hauptsächlich von der mittleren Generation repräsentiert werden.



Die Veranstaltung der besonderen Art, zu der die erste Vorsitzende des Vereins zur Förderung von Städtepartnerschaften Margit Richter die Gäste begrüßte, bot nicht nur Ansprachen, sondern auch polnische Literatur von Stefan Chwin und Marek Lawrynowicz und lyrische Chansons von Margaux Kier und den "Banditen". Leider konnte niemand aus der Partnerstadt anreisen, dennoch stellte Bürgermeister Christoph Waffenschmidt die vielen Verbindungen, die in den letzten Jahren geknüpft und intensiviert wurden, heraus. Es seien immer persönliche und herzliche Begegnungen gewesen, die letztendlich diese Städtefreundschaft ausmachten.

[Konsul Wojciech Jakubowski trug sich ins goldene Buch der Stadt Waldbröl ein - daneben Margit Richter (l.), Bürgermeister Christoph

Waffenschmidt und Roswitha Köhlert (r.).]




Im Stil eines Radiobeitrages wollte Moderator Hubert Wohlan, Leiter der Polenredaktion der Deutschen Welle, etwas zur polnischen Literatur erzählen. Doch mit den drei Minuten kam er nicht aus – dessen ungeachtet vermittelte er einen kurzen Einblick in die Entwicklung in Polen. So sei die sogenannte polnische Frage nach dem Krieg das Hauptthema gewesen. Die Stärke der polnischen Literatur liege in der Lyrik und anlässlich der Buchmesse in Frankfurt 2000 nutzte Polen die Chance als Gastland. Es erschienen zahllose Übersetzungen. Früher sei die Literatur in Polen das Gewissen der Nation gewesen, jetzt sei die Literatur davon befreit.

[Margit Richter und Heinz-Josef Delissen wussten über kulturelle Höhepunkte aus der Städtpartnerschaft Waldbröl-Swiebodzice zu berichten.]



Beispiele für diesen "Dammbruch" seien auch die beiden Autoren Chwin und Lawrynowicz, so Wohlan. Kurze Ausschnitte aus den deutschen Übersetzungen von Stefan Chwins "Tod in Venedig" ("Hanemann" in Polen) und "Die Gouvernante" ("Esther" in Polen) sowie Marek Lawrynowiczs "Der Teufel auf dem Kirchturm" las Wohlan und stellte den beiden Autoren Fragen zu den Büchern und ihrer Lebensgeschichte. Auch in polnischer Sprache wurden den Gästen Textpassagen zu Gehör gebracht: die beiden Autoren lasen aus ihren Originalwerken und so kam die Melodie der Sprache noch dazu.



In "Tod in Danzig" schreibt Stefan Chwin über das brennende Danzig, Heimatlosigkeit und Verlust. Die Konfrontation des menschlichen Individuums mit den Gefahren der Zeit steht im Mittelpunkt des Romans. Die Geschichte nimmt ihren Anfang kurz vor Ausbruch des Krieges, als der Anatomie-Professor Hanemann eine persönliche Tragödie erlebt: Tod in Danzig ist eine Geschichte, die vom Zusammenstoß der polnischen und der deutschen Kultur erzählt. Bei der "Gouvernante" geht es um die Farben der Sprache. Nietzsche erscheint als dunkle Figur im Hintergrund.



Stefan Chwin, 1949 in Danzig geboren, ist Literaturhistoriker, Essayist, Literaturkritiker, Prosaist. Er hat das Studium der Polonistik an der Universität Danzig abgeschlossen. Marek Ław-rynowicz wurde am 11.8.1950 in Warschau geboren und verbrachte seine Kindheit zunächst in Miedzeszyn, dann in Falenica bei Warschau. 1976 schloß Ławrynowicz das Studium der Polonistik an der Warschauer Universität ab. Beide Autoren setzen sich mit jener Zeit auseinander, die Ende des Zweiten Weltkrieges folgte. Bei Chwin bleibt ein Deutscher nach dem Krieg in Danzig und Lawrynowicz berichtet von seiner Familie, die Lemberg verlassen musste und in Breslau neu anfangen musste.

[Hubert Wohlan von der Deutschen Welle (re.) führte die Moderation und Diskussion - hier beim Gespräch mit Stefan Chwin.]



In "Der Teufel auf dem Kirchturm" vermittelt er, wie sich Menschen fühlen, die auf einem Zug sitzen und in ein ganz neues Leben fahren. Er zog mit den Eltern die Wohnung einer Frau Gebauer – man wies sie dort ein. Die Problematik etwas in Besitz zu nehmen, was anderen gehörte kam besonders deutlich in der Textpassage heraus, in der Lawrynowicz über den Spiegelschrank der Frau Gebauer berichtet – was Hubert Wohlan in Waldbröl auch vorlas. Frau Gebauer war Schneiderin und so musste Lawrynowicz ständig daran denken, wie viele Leute sich in diesem Spiegel schon angeschaut hatten und empfand sie so noch als anwesend. "Der Teufel auf dem Kirchturm" ist ein Schelmenroman mit tragisch-komischen Zügen.



Lyrische Chansons, ganz auf die Thematik der beiden Autoren abgestimmt boten Margaux Kier und ihre beiden Musiker - Dietrich Thomas(Klavier) und David Plate (Gitarre). Ob ein melancholisches "Liebeslied" oder die "Reise nach Tomacov" – die Sängerin präsentierte brillant die Stimmungen in musikalischer Form. Liebe und Lieblosigkeit, alt und neu, diesseits und jenseits der Grenze. Margaux erzählt und verführte an die Orte dieser leidenschaftlichen Geschichten und die Banditen bereiten einen perfekten Klang- und Stimmungsteppich dafür.

[Mit einem Augenzwinkern schreibt Marek Lawrynowicz die Geschichte seiner Familie und las in Waldbröl aus der polnischen Fassung des Romans.]



Zu diesem literarischen Erlebnis in Wort und Musik hatte der Partnerschaftsverein in Zusammenarbeit mit den Waldbröler Buchhandlungen, dem Arbeitskreis "Lieber lesen", dem "WKT" und der Gesamtschule eingeladen. Unterstützt wurde das Ganze vom Generalkonsulat der Republik Polen in Köln, dem IGNIS e.V. Europäisches Kulturzentrum in Köln und dem Land NRW zu denen Roswitha Köhlert die Kontakte geknüpft hatte. Eine gelungene Veranstaltung in guten Atmosphäre und einer hervorragenden Programm-Komposition.



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