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Schlimmer Verdacht: Baumriese grundlos gefällt?

bv; 11. Feb 2014, 16:14 Uhr
Bilder: Nils Hühn - Ein Mammutbaum wurde in Hülsenbusch bereits gefällt, möglicherweise aufgrund eines fehlerhaften Gutachtens.
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Schlimmer Verdacht: Baumriese grundlos gefällt?

bv; 11. Feb 2014, 16:14 Uhr
Gummersbach – Sachverständiger kommt zu dem Urteil, dass die Expertise einer Fachfirma grob fehlerhaft war – Mammutbäume waren und sind „vital und gesund“ - Bürgerverein Gummersbach hält erste Untersuchung monatelang unter Verschluss.
Von Bernd Vorländer

Eine Geschichte ohne Happyend - die Baumfällaktion in Gummersbach-Hülsenbusch dürfte für genügend Sprengstoff in den kommenden Wochen sorgen. Noch vor kurzem hieß es, dass die Bäume unheilbar krank seien und eine Fällung somit nicht umgangen werden könne. Basis für diese Sichtweise war die entsprechende Expertise einer Fachfirma vom Niederrhein. Letztere war vom Oberbergischen Kreis als kompetent empfohlen worden, nachdem es bereits vor einigen Jahren zu Diskussionen gekommen war, ob die Bäume durch herabfallende Äste eine Gefahr darstellten und erhaltenswürdig seien. Gummersbachs Bürgermeister Frank Helmenstein schaltete sich als Mittler ein, der Verein Mammutbaum e.V., der Gummersbacher Bürgerverein und die Partei Bündnis90/Grüne entschlossen sich, das Gutachten zu finanzieren. Der Bürgerverein bekundete, bei einem positiven Bescheid eine Baumpatenschaft übernehmen zu wollen. Hinter den Kulissen wurden vom Oberbergischen Kreis Fördergelder in Aussicht gestellt, falls die Erhaltenswürdigkeit der Bäume vom Gutachter bescheinigt würde.


[Viele Bürger fragen sich jetzt, welche Gründe es gab, die erste Expertise zum Zustand der Bäume bis heute geheim zu halten.]

Bis zu diesem Sachstand aus dem Frühjahr 2013 ist die Angelegenheit eindeutig, im Anschluss wird es einigermaßen dubios. Klar ist, dass die Fachfirma vom Niederrhein bis zum Sommer des vergangenen Jahres die beiden Baumriesen untersuchte und anschließend die Ergebnisse im Oktober 2013 dem Bürgerverein Gummersbach zuleitete. Dort tat sich dann aber erst einmal rein gar nichts, die Mit-Finanziers des Gutachtens erhielten keine Nachricht. Geheime Verschlusssache. Mehr noch, plötzlich standen die „Baumretter“ vor vollendeten Tatsachen, als sie von empörten Bürgern darauf aufmerksam gemacht wurden, dass einer der Mammutbäume Ende Januar gefällt worden war. „Warum hat man uns nicht einmal über das Gutachten informiert, wer hat das zu verantworten?“, ist Grünen-Stadtverordneter Fritz-Lothar Winkelhoch empört.

Auch beim Verein Mammutbaum ist man entsetzt. „Man hat das Gefühl, da wird gemauert - warum auch immer“, meint denn auch Mammutbaum-Sprecher Hans-Joachim Nieder. Erst vor wenigen Tagen erhielten Winkelhoch und Nieder vom Bürgerverein ein Duplikat des „Firmen-Gutachtens“, mit dem Verweis, dass diese Expertise der Geheimhaltung unterliege. Offenbar war es nicht gewollt, dass die dort gemachten Feststellungen der Öffentlichkeit und Fachleuten zur Prüfung zugeleitet werden könnten.


Inzwischen gibt es aber doch eine gutacherliche Einschätzung, die zu einem völlig entgegengesetzten Urteil kommt. „Ich habe fassungslos vor den Bäumen gestanden. Der eine war, der andere ist hochgradig standsicher“, sagt Dr. Hans-Joachim Schulz, staatlich vereidigter Sachverständiger für Garten- und Landschaftsbau aus Waldbröl, der unter anderem die bundesweiten Baumkontroll-Richtlinien verantwortet und an mehreren Universitäten als Lehrbeauftragter tätig ist.  „Der noch stehende Baum ist altersbedingt vital und gesund“, ist die eindeutige Aussage von Schulz.

Das Gutachten der Firma vom Niederrhein sei fachlich geradezu hanebüchen. „Ich habe so etwas noch nicht erlebt“, fehlen Schulz die Worte. Einen Fäulnisbefall, wie von der Fachfirma an dem gefällten Mammutbaum festgestellt, gebe es nicht. Es sei offenbar ohne Fachwissen um die baumspezifischen Eigenheiten des Mammutbaumes agiert worden. Bei der Nutzung technischer Hilfsmittel, die Dr. Schulz als „völlig überflüssig“ und kostentreibend bezeichnet, habe man unsachgemäß gearbeitet. Zudem seien die Kostenkalkulationen „maßlos überhöht“.


[Nach Ansicht eines Waldbröler Sachverständigen sind die Bäume vital, gesund und hätten lediglich einiger Pflege bedurft.]

Der Waldbröler Sachverständige kommt zu einem eindeutigen Urteil. Die erste Expertise „bleibt jeden belastbaren Beweis ihrer Behauptungen und Mutmaßungen schuldig. Es muss die Frage erlaubt sein, wie Mammutbäume hunderte von Jahren alt wurden, ohne dass es Baumpfleger der vorliegenden Art gab.“ Die Abholzung sei ein Jammer, denn Mammutbäume besäßen das genetische Potential mehrere tausend Jahre alt zu werden. Es hätte lediglich einiger tausend Euro bedurft, um die zwar ungepflegten, aber gesunden Bäume in Gummersbach-Hülsenbusch auf Vordermann zu bringen. Um den noch stehenden Baum in Hülsenbusch zu schützen sieht es Dr. Schulz als sinnvoll an, wenn sich jetzt die Stadt Gummersbach und der Oberbergische Kreis einschalten würden. Es gebe die Möglichkeit eines Einzelbaumschutzes oder die Erklärung zum Naturdenkmal.

Es bleiben zahlreiche offene Fragen. "Die Menschen in Hülsenbusch und Umgebung sind einfach nur wütend und aufgebracht", sagt Winkelhoch. Die neuen Erkenntnisse dürften den Ärger weiter befeuern.
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