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Ohne Grafikrechner künftig kein Abitur

fn; 20. Jan 2014, 13:10 Uhr
Der klassische Taschenrechner hat in den Schulen ausgedient. Ab dem kommenden Schuljahr wird ein 100 € teurer Grafiktaschenrechner benötigt.
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Ohne Grafikrechner künftig kein Abitur

fn; 20. Jan 2014, 13:10 Uhr
Oberberg - Per Erlass hat das Schulministerium ab dem kommenden Schuljahr eine Pflicht zur Nutzung von Grafiktaschenrechnern in der Oberstufe eingeführt - Experten zweifeln allerdings an der Notwendigkeit der 100 € teuren Geräte.
Von Fabian Nitschmann

Gute Bildung ist oftmals eine teure Angelegenheit. Schulbücher, Stifte, Hefte, Blöcke, von einem stabilen und rückenfreundlichen Rucksack ganz zu schweigen. Für Schüler in Nordrhein-Westfalen wird diese Liste nun um ein bis zu 100 € teures, verpflichtend anzuschaffendes Gerät erweitert: einem Grafiktaschenrechner.

Wer an einer Schule in Nordrhein-Westfalen das Abitur machen möchte, kommt mit einem gewöhnlichen Taschenrechner ab dem kommenden Schuljahr nicht mehr aus. Stattdessen muss es künftig ein Grafiktaschenrechner (GTR) mit großem Display sein, der einem bei der Berechnung von Graphen jeglicher Art behilflich ist, diese sogar visuell darstellen kann und auch bei Matrizen, Statistiken oder komplizierten Gleichungssystem ein treuer Helfer ist.


Das Schulministerium begründet diesen Schritt mit einer erheblichen Erweiterung der unterrichtlichen Möglichkeiten, die durch die teuren Wunderrechner möglich sei. Vor allem die schnelle Visualisierung und der kreative Umgang mit mathematischen Fragestellungen werden gelobt.

Eine Einschätzung, die der Philologenverband NRW nicht teilen kann.  "Welcher Mehrwert kommt dabei herum, wenn Schüler in vielen Bereichen die Lösungen präsentiert bekommen, ohne den Weg zum Ergebnis zu erfahren? In der Mathematik ist gerade das Verständnis der Knackpunkt", sagt etwa Peter Silbernagel, Vorsitzender des Verbandes und selbst Mathematiklehrer, gegenüber der Rheinischen Post.

Am Hollenberg-Gymnasium in Waldbröl werden Grafikrechner schon seit mehreren Jahren in der Oberstufe genutzt. Und vor allem die Schüler zeigen sich zufrieden. „Der Rechner ist im Unterricht sehr hilfreich, da man viele Rechnungen schneller durchführen und sich auf spätere Schritte konzentrieren kann“, sagt etwa Charline Stangier. Die 18-Jährige steht kurz vor dem Abitur und hat sich im Rahmen des Leistungskurses Mathematik ausgiebig mit dem GTR beschäftigt.

Dass durch die Nutzung des modernen Rechners der Weg zur Lösung nicht mehr vermittelt wird, kann Stangier nicht bestätigen. „Wir lernen erst den normalen Rechenweg und der kurze Weg auf dem Taschenrechner wird uns erst am Ende gezeigt. Bei manchen Aufgaben müssen wir jeden Schritt ausführlich notieren, da hilft einem der GTR nicht“, so die Abiturientin.

Unabhängig davon, wie nützlich der Taschenrechner für den Schulalltag im Mathematikunterricht ist, lässt sich am gewaltigen Preis wenig deuteln. Doch glaubt man Prof. Dr. Andreas Büchter vom Mathematischen Institut der Universität Köln, dann könnten 2,99 Euro reichen. „Es gibt Apps, die leistungsfähiger sind“, behauptete der Mathematiker gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger. Statt einem Grafikrechner könnte für Büchter also ein Tablet oder ein Smartphone samt günstiger App die Lösung für das Problem darstellen.

Diesem Vorschlag stellte sich das Schulministerium allerdings schon bei der Erstellung des neuen Erlasses entgegen: „Es muss gewährleistet sein, dass in Prüfungssituationen die Schülerinnen und Schüler mithilfe des eingesetzten digitalen Werkzeugs nicht auf unerlaubte Hilfsmittel zurückgreifen können.“ Eine solche Prüfungssituation wäre mit Tablet oder Smartphone wohl kaum herzustellen. Darüber hinaus sollte nicht grundsätzlich vom Besitz eines Smartphones oder eines Tablets mit den nötigen technischen Voraussetzungen ausgegangen werden. Ein Neukauf solcher Geräte würde für betroffene Eltern wohl deutlich teurer werden, als die im Raum stehenden 100 €.
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