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Der Winter, der ein Frühling sein will

vs; 8. Jan 2014, 17:02 Uhr
Bilder: Fenja Jansen --- Tief Xaver bescherte winterliche Verhältnisse zu Nikolaus, danach blieb der Winter aus. Schnee in der Gummersbacher Fußgängerzone sucht man derzeit vergeblich.
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Der Winter, der ein Frühling sein will

vs; 8. Jan 2014, 17:02 Uhr
Oberberg - Kälterekorde in den USA, aber unsere Gefilde scheint der 'General' vergessen zu haben - Doch die milden Temperaturen schaffen auch Probleme.
Von Valentin Stumpe

Der Kalender sagt, es ist Winter, unser Gefühl geht in Richtung Straßencafe. Das Thermometer pendelte sich in den vergangenen Tagen bei etwa zehn Grad ein. Der Winter macht einen auf Frühling und Minusgrade sind nicht in Sicht. Lag an Nikolaus noch Schnee und ließen winterliche Temperaturen Weihnachtsstimmung aufkommen, ist davon derzeit rein gar nichts mehr zu spüren. Stattdessen Vogelgezwitscher. So bleibt der dicke Schal immer häufiger im Schrank hängen, während die ersten Cafés die Tische wieder nach draußen stellen.


[Rosemarie Clever hätte es gerne kälter. ]

Die einen freut es, die anderen sind enttäuscht. Rosemarie Clever aus Gummersbach zum Beispiel vermisst den „echten“ Winter: „Natürlich sind die freien Straßen gerade für Autofahrer sehr angenehm und auch für uns ältere Leute sicherer. Den Schnee vermisse ich trotzdem und die Temperaturen passen überhaupt nicht zum Januar. Jetzt ist die richtige Zeit für Kälte und Schnee.“ Familie Hoberg aus Morsbach hingegen freut sich über die frühlingshaften Temperaturen. „Gerade mit kleinen Kindern ist es doch schön, wenn es nicht so kalt ist und die Sonne scheint.“ Aber bevor es in Strömen regnet, stellen die Eltern zweier Kinder klar, hätten sie auch lieber Schnee – milde Temperaturen hin oder her.

Wer denkt, der gemäßigte Winter schadet den Geschäften, weil Schlitten, Schneeanzüge und Pullover zu Ladenhütern werden, liegt aber daneben. „Die Winterartikel verkaufen sich wider Erwarten recht gut, besonders jetzt, wo wir nochmals reduziert haben“, weiß Volker Simstich, Geschäftsführer von Karstadt in Gummersbach. Ein besonders wichtiger Faktor seien zudem die Straßenverhältnisse. Während man bei Schneefall und glatten Fahrbahnen lieber daheim bleibe, lockten Sonnenstrahlen, milde Temperaturen und saubere Straßen die Menschen in die Stadt.


[Familie Hoberg genießt die milden Temperaturen.]

Die Straßenverhältnisse kommen auch der Eissporthalle Wiehl zugute. Hier werden viele Besucher aus der weiteren Umgebung registriert. Alleine am vergangenen Sonntag zählte man 1.440 Besucher. „Das ist wirklich eine sehr ordentliche Zahl.“, freut sich Eismeister Jürgen Eisbach. Die ist aber nicht nur den freien Straßen zu verdanken. Bei Temperaturen um die zehn Grad bietet die Eisporthalle nun einmal die einzige Gelegenheit zum Schlittschuhfahren weit und breit. Generell macht der vorzeitige Frühling dem Wintersport in der Region einen Strich durch die Rechnung. Am Blockhaus in Reichshof steht zwar der neue Schlepplift parat, ohne Schnee bleibt dieser aber genauso arbeitslos wie die ehrenamtlichen Loipen-Spurer.

„Wir warten natürlich sehnsüchtig auf den Schnee und hoffen auf einen Wintereinbruch im Februar oder März“, erklärte Katja Wonneberger, Leiterin der Kurverwaltung Reichshof. „Aber schneelose Wintermonate sind im Oberbergischen ja nicht so ungewöhnlich.“



Skeptisch blickt die Landwirtschaft auf die milden Temperaturen. Welche Auswirkungen die Winter-Wärme auf die Pflanzen hat, könne man noch nicht abschätzen, hieß es von Seiten der Landwirtschaftskammer Oberberg: „Wenn die Temperaturen aber lange so mild bleiben und die Pflanzen bereits keimen, könnte ein späterer Wintereinbruch den Trieben empfindlich schaden.“ Mit durchgehend mäßigen Temperaturen steige zudem die Gefahr, im kommenden Sommer mit mehr Schädlingen wie Mäusen oder Insekten kämpfen zu müssen.




[Bild: Jutta Gelhausen --- OA-Leserin Jutta Gelhausen staunte nicht schlecht, als sie gestern Bienen in ihren Christrosen entdeckte.]  

Wenig zu kämpfen haben indes die Städte und Kommunen. Anstatt mit Streufahrzeugen und Schneeschiebern Eis und Schnee zu Leibe zu rücken, können sich die städtischen Mitarbeiter beispielsweise um die öffentlichen Grünanlagen kümmern. Die Städte freut es: Das gelagerte Salz kann für den kommenden Winter aufbewahrt werden und auch die Heizung muss derzeit keine Höchstleistungen vollbringen – das spart Energiekosten. „Im Großen und Ganzen gleichen sich die Kosten allerdings über den Verlauf des gesamten Winters aus“, dämpft Siegfried Frank, Sprecher der Stadt Gummersbach, allzu große Hoffnungen auf Einsparungen.

„Die unüblichen Temperaturen sorgen dafür, dass bei uns Haselsträucher zu blühen beginnen, obwohl dies sonst erst Ende Februar oder Anfang März geschieht“, erklärt Regionalforstamtsleiter Günter Dieck. Sollten nun auch Bäume erste Triebe entwickeln, könnte dies fatal sein, wenn sie anschließend zurückfrieren und austrocknen. Das Regionalforstamt stellt zudem fest, dass Kleinpilze derzeit weiterwachsen und besonders Laubbäume schädigen können. „Ein positiver Aspekt ist dabei jedoch, dass dadurch die Quartiere von Borkenkäfern überwuchert werden, was gut für den heimischen Wald wäre“, so der Leiter des Regionalforstamtes, der sich nichtsdestotrotz noch einen richtigen Winter wünscht.

Tatsächlich ist die Chance, dass der milde Winter nahtlos in den Frühling übergeht, laut Meteorologen gering: Ab Februar sollen die Temperaturen dann doch noch in den Minusbereich schliddern. Und vielleicht kommt ja dann der – von manchen heiß erwartete – Schnee.
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