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Unsere Sicherheit ist ihr Job

db; 25. Dec 2013, 10:00 Uhr
Bilder: Daniel Beer, Archiv (2) --- Durch die Nacht mit Carmen Schmidt und Thomas Heidt.
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Unsere Sicherheit ist ihr Job

db; 25. Dec 2013, 10:00 Uhr
Oberberg – Was erleben Oberbergs Polizisten im tagtäglichen Einsatz? – Oberberg-Aktuell hat sich an einem Samstagabend mit in den Streifenwagen gesetzt.
Von Daniel Beer

Die explosiven Einsätze der Fernseh-Autobahnpolizei haben wenig mit der Realität zu tun. Und auch im Großstadtrevier vernebelt die Kiez-Romantik den Blick auf das echte Leben. Die Erlebnisse des Bochumer Duos Toto und Harry gaben da schon einen besseren Einblick in den Alltag der Ordnungshüter. Doch wie sieht die Arbeit der Polizei im Oberbergischen Kreis aus? Was für Geschichten stecken hinter den zahlreichen Meldungen, die täglich in den Medien veröffentlicht werden. Oberberg-Aktuell hat zwei Polizisten eine Nachtschicht lang begleitet und ihnen über die Schulter geschaut:
    
Samstagabend, 21:45 Uhr: Gleich ist Schichtwechsel auf der Gummersbacher Polizeiwache. Ich begleite in dieser Nacht Thomas Heidt, 53, Dienstgruppenleiter und seit 1981 bei der Polizei. Und Carmen Schmidt, 37, seit 1999 Polizistin. Im Pausenraum trinken beide noch einen Kaffee, schließlich kann es eine lange Nacht werden. Unter anderem findet in Bergneustadt ein Großereignis statt. 

In der Zelle macht bereits ein Betrunkener seinem Unmut lautstark Luft. Er ist sozusagen regelmäßiger Gast. Wenig später wird ihm ein Arzt eine Blutprobe entnehmen und entscheiden, ob der Zelleninsasse ins Krankenhaus muss. Bevor jemand aber in die Zelle kommt, wird er gründlich durchsucht - zum Schutz der Polizei und des Inhaftierten. Denn gefährliche Gegenstände können überall versteckt sein, weiß Schmidt. „Wir hatten auch schon Rasierklingen in Rasterlocken“, erzählt sie. Für Heidt sind nach eigener Aussage aber oft die unangenehmen Gerüche das größte Problem. „Ich kann so was nicht gut riechen“, gibt er zu. 

Beide ziehen sich vor Schichtbeginn um und holen ihre Ausrüstung. Dazu gehört standardmäßig die Dienstwaffe Walther P99. Eine Pistole, die auch James Bond bei einigen seiner Einsätze trug. Im Gegensatz zum berühmten Geheimagenten ist der Schusswaffengebrauch für einen Polizeibeamten nur das allerletzte Mittel. Der Schlagstock, offiziell eigentlich Einsatzmehrzweckstock genannt, wird hingegen häufiger und in der Regel zur Verteidigung benutzt. „Ein Schlag damit tut sehr weh“, sagt Heidt, „meistens reicht das Schnappen, um den Stock auszufahren, aber schon als Abschreckung aus.“  

23:05 Uhr: Es geht in den Streifenwagen. Rufzeichen 11/21. Nach ein paar Minuten wird von der Zentrale ein Wildunfall in der Nähe von Lützinghausen gemeldet. Beim Eintreffen ist der Unfallfahrer bereits weg. Das Reh liegt tot im Straßengraben. Schmidt markiert die Stelle mit Farbspray. Ein Jäger wird sich schnellstens um die Beseitigung des Tieres kümmern. 



Das Einsatzgebiet der Gummersbacher Streifen umfasst neben der Kreisstadt noch Bergneustadt, Wiehl, Engelskirchen und Marienheide. Wie viele Streifenwagen in dieser Nacht genau unterwegs sind, möchte Heidt nicht verraten. Er sagt aber: „Noch sind es genug.“    


[Greis im Einsatz: So warnte die Polizei Anfang des Jahres vor der Überalterung der Beamten.]

Anfang des Jahres warnte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) vor einem bevorstehenden Personalmangel. Im Oberbergischen Kreis werden laut GdP bis 2020 insgesamt 16 Polizisten weniger als derzeit (etwa 330) zur Verfügung stehen. Das Durchschnittsalter der Beamten liegt bei rund 50 Jahren. Die Arbeitsbelastung der einzelnen Polizisten steigt gleichzeitig. Derzeit werden von der Landesregierung jährlich rund 1.400 Auszubildende eingestellt. Das könnte jedoch zu wenig sein, wenn die geburtenstarke Jahrgänge bald in Pension gehen. Mangelndes Interesse an einer Laufbahn bei der Polizei sieht Heidt aber nicht als Gefahr. 

23:36: In Gummersbach wurde ein 17-jähriges Mädchen von ihrer Mutter vor Tür gesetzt und hat aus Verzweiflung die Polizei angerufen. Schmidt versucht, das heulende Mädchen zu beruhigen. Heidt klingelt an der Tür. Die Mutter öffnet und ist der Meinung, ihre Tochter würde schon irgendwo unterkommen: „Ich will sie heute Nacht nicht hier haben.“ Da das Mädchen aber noch minderjährig ist, muss die Mutter sie wieder reinlassen. Den Grund für den Streit wollen beide nicht sagen.

Immer häufiger muss die Polizei zu Einsätzen in Privathaushalten. Zwar habe häusliche Gewalt nicht zugenommen, sagt Schmidt, wohl aber die Zahl der Meldungen. Ein neues Gesetz soll eigentlich die Opfer schützen. Wenn die Polizei gerufen wird, stellt sie automatisch Strafanzeige und kann den Täter sogar für zehn Tage der Wohnung verweisen. Bei der Beurteilung der Situation braucht es aber Fingerspitzengefühl. Heidt: „Man darf sich da auch nicht instrumentalisieren lassen.“ Bei ausländischen Mitbürgern gebe es zudem oft ein Problem mit Unterschieden im Werteverständnis bei Mann und Frau.

Und auch die sozialen Medien wie Facebook sorgen mitunter für zusätzliche Arbeit. So melden sich zum Beispiel besorgte Angehörige, wenn sie im Internet Nachrichten eines Bekannten lesen, die auf einen möglichen Suizidversuch hindeuten könnten. Die Polizei muss dem dann nachgehen. Schmidt: „Die traurigen Botschaften darf man nicht ignorieren.“


[Ein trauriger Eintrag auf Facebook kann mitunter zu einem Polizeieinsatz führen.]

0:25: Die Großveranstaltung in Bergneustadt ist für die Polizei zum Glück ereignislos zu Ende gegangen. Die letzten Besucher machen sich auf den Heimweg. Nach einem kurzen Abstecher nach Wiedenest dreht der Streifenwagen wieder Richtung Gummersbach.

0:46: An einer Straßenkreuzung in Hackenberg rast ein Motorradfahrer mit hoher Geschwindigkeit vorbei. Heidt nimmt die Verfolgung auf. Der Motorradfahrer fährt vorbei an der Aggertalsperre Richtung Dümmlinghausen. Heidt versucht dranzubleiben. Zwischenzeitlich stehen 140 Stundenkilometer auf dem Tacho. Bewusst wird auf Blaulicht und Martinshorn verzichtet. Der Motorradfahrer hat den Polizeiwagen wohl nicht bemerkt. „Wir wollen ihn nicht noch aufschrecken“, erklärt Heidt, denn das wäre zu gefährlich.

In einem Wohngebiet kann der Raser schließlich vor seinem Zuhause gestellt werden. „Allgemeine Verkehrskontrolle“, sagt Schmidt und bittet um die Papiere des jungen Mannes. Es folgt eine kurze Belehrung über die hohe Geschwindigkeit. Eine Strafe droht dem Motorradfahrer nicht, da die genaue Geschwindigkeit nicht gemessen wurde. Er gelobt aber auch so Besserung. Heidt ist dennoch skeptisch: „Die lernen es oft erst dann, wenn etwas passiert. Dann ist es aber schon zu spät.“         

1 Uhr: Eine andere Streifenwagenbesatzung meldet über Funk die Festnahme eines randalierenden Mannes. Für Thomas Heidt und Carmen Schmidt geht es erst einmal zurück zur Wache. Pause.

Auf der Wache hängt in einem Büro der Dienstplan für die Wechselschicht. „Unsere Klagemauer“, scherzt Heidt. Sieben Wochen im Voraus können er und seine Kollegen ihre Dienstwünsche eintragen. Eine Woche vorher wird dann geplant. In der Spalte für den nächsten Samstag sind noch vier freie Stellen bei der Nachtschicht. „Da müssen noch vier Kollegen ins Gras beißen“, sagt Heidt. Dieser Termin ist besonders unbeliebt. Davor drücken kann sich aber keiner der 60 Kollegen, dafür sorgt eine genaue Liste der absolvierten Dienste. 


Wer in der Wechselschicht arbeitet, muss seine Freizeit um den Dienst herum planen, weiß Heidt aus über 30 Jahren Erfahrung. „An die kaputten Wochenenden gewöhnt man sich“, sagt er, „und man hat ja auch nicht immer was vor.“ Doch auch für die Familien der Beamten ist das nicht immer leicht. Heidts Ehefrau, mit der er seit 1984 verheiratet ist, und seine Tochter, mussten oft auf ihn verzichten. „Denn auch Polizisten nehmen am sozialen Leben teil.“ Wird ein Kollege krank, kann aber auch ein eigentlich freier Tag draufgehen. So können aus einer 41-Stunden-Woche auch mal 48 Stunden mit sechs Arbeitstagen werden.   

Schmidt hat eine Tochter bekommen und ist frisch aus der Elternzeit zurück. Jetzt müssen auch mal die Großeltern auf das Kind aufpassen, aber das klappt auch nicht immer. „Man muss relativ flexibel sein in diesem Job. Regelmäßigkeit bekommt man nicht hin“, sagt Schmidt. „Wir müssen auch dann arbeiten, wenn andere schlafen.“ Ihr Mann ist ebenfalls Polizist. „Es gibt viele Polizistenpärchen“, sagt sie. 

2:20 Uhr: Es geht wieder in den Streifenwagen. In Engelskirchen-Büchlerhausen soll ein Container auf der Straße liegen. Wie sich wenig später herausstellt, ist es ein leerer Müllcontainer aus Plastik. Heidt räumt ihn zur Seite. Zwei Autofahrer hatten den Vorfall gemeldet. „Die hätten den Container auch selbst wegräumen können“, sagt er. 

3:15 Uhr: Jetzt müssen Schmidt und Heidt erstmals herzhaft gähnen. Doch die Schicht dauert noch rund drei Stunden. Auf Oberbergs Straßen ist in diesen Stunden so gut wie nichts los. Wachsam müssen beide dennoch permanent sein. Das Funkgerät kann jederzeit die Stille durchbrechen. Doch jetzt bleibt es erst einmal länger stumm. 

3:47 Uhr: Eine andere Streifenwagenbesatzung hat auf der Oberwiehler Straße in Wiehl einen Rollerfahrer angehalten, der zusammen mit zwei 14-jährigen Mädchen unterwegs war. Der Fahrer ist betrunken, der Roller technisch verändert, was verboten ist. Sie seien auf einer privaten Feier gewesen, erklären die drei Jugendlichen. Schmidt und Heidt passen auf die Mädchen auf, bis diese von ihren Eltern abgeholt werden. Der Rollerfahrer muss indes mit auf die Wache.

4:41 Uhr: Vor einer Disco in der Friedrichstaler Straße in Gummersbach steht ein stark betrunkener junger Mann an einem Auto und versucht einzusteigen. Die Tür ist jedoch verschlossen und es ist auch gar nicht sein Auto, wie der inzwischen herbeigeeilte eigentliche Besitzer erklärt. Nach keiner kurzen Überprüfung der Personalien ruft Heidt ein Taxi für den Betrunkenen. Für heute ist die Party zu Ende.

Es bleibt der einzige Disco-Einsatz in dieser Nacht. Das ist nicht immer so. Denn seit dem Wegfall der Sperrstunde, so hat Heidt beobachtet, häufen sich die Einsätze, wenn die Kneipen und Discos am frühen Morgen schließen. Besonders wenn Alkohol im Spiel ist, müssen die Beamten häufig mit Widerstand rechnen. Meistens bleibt es bei Beleidigungen, manchmal werden die Polizisten aber auch angegriffen. Bei Jugendlichen aus Ost-Europa fehle außerdem häufig der Respekt vor den Ordnungshütern, sagt Heidt, weiß aber auch die Ursache: „In deren Heimatländern ist die Polizei oft gewalttätig.“

5 Uhr: Zurück auf der Wache. Fünf Leute sitzen inzwischen in den Zellen. Fast alle stark alkoholisiert. Der Wachdienstleiter guckt alle 15 Minuten nach dem Wohlbefinden der Insassen. Schmidt muss, auch wenn die Augenlider inzwischen schwer sind, noch die Einsatzprotokolle schreiben. Im Pausenraum sitzen schon die Kollegen für die Frühschicht.

6 Uhr: Die Schicht neigt sich dem Ende. Zeit für ein Fazit: Für einen Samstagabend war es eine ruhige Nacht ohne besondere Vorkommnisse. Der Streifenwagen hat rund 165 Kilometer durch vier oberbergische Gemeinden zurückgelegt. Thomas Heidt und Carmen Schmidt wollen erst einmal ausschlafen. Heidt muss dann am Dienstag wieder zum Nachtdienst antreten. 
  
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